Rundschau.

Stuttgart, 3. Mai. Seine Königliche Majestät habe» den Hinterbliebenen des verstorbenen Stadtpfaners Glauner in Wildbad Alle,höchstihre Teilnahme anS. sprechen zu lassen geruht.

Stuttgart, 2. Mai. Die Kammer der Abgeordneten ist für den 15. d. M. einde- rufen worden.

Leouberg, 2. Mai. Zu der gestrigen Gerichtssitzung im Ralhauöfaale hatte als Bevollmächtigter auch der 60 Jahre alte Han­delsmann Landauer aus Nexingen zu er­scheinen. Derselbe hatte sich kaum niederge- geseht, als er von einem Herzschlag getroffen tot zu Boden sank.

Heilbronn. Ein Betrüger wurde in der Person eine« 20jährigen stellenlosen Dienst- kncchtS von Gronau bei einem frechen Be­trugsversuch ertappt und festgknommen. Er fertigte aus 50 Empfennigstücken eine Rolle, setzte darauf20 ^ in 100 Stücken a 20 Ptg " und suchte sodann die Geidrolle in einer hiesigen Wirtschaft umznwechseln. Der Wirt öffnete vor den Augen des Gasteg die Nolle, entdeckte so den Betrug uns übergab den Betrüger der Polizei.

Oberndorf, 2. Mai. Zu einer billigen Kuh suchte auf dem gestrigen Viehmarkle da­hier ein Bäuerlein aus der Umgegend zu ge« langen. Es gab einem Knaben, der von einem Viehbesitzer beauftragt war, das von ihm zu Markte gebrachte Tier auf eine kurze Zeit zu bewachen, ein Fünfpfeunigstückfür den geleisteten Dienst", worauf der Knabe, der seinen Auftraggeber verwechselte, ihm das­selbe ruhig überließ. Indessen kam der D'ed mit seiner Beule nicht weit. Einem von dem Vorfall rasch benachrichtigten Landjäger gelang es, den Betrüger auf der Flucht vor der Stadt zu verhaften.

Ebingen, 30. April. (Raubanfall.) Eine Biuithat, die von einer kaum glaublichen Rohheit und Verkommenheit des Thäters zeugt, brachte gestern Nachmittag die hiesige Einwohnerschaft in große Aufregung. Zwi­schen 2 und 3 Uhr, also am helllichten Tage, wurde nämlich der in den 30ger Jahren stehende Knecht des Herrn Fuhrhalter Bitzer hier, namens Löffler von Steilen, der mit einem Frachtfuhrwerk in Rottweil war und auf der Rückkehr sich befand, im obersten Einschnitt der Lauilinger Straße, also nicht weil von der Petersburg-Wirtschaft, über­fallen, und ausgeraubt. Wegen des Regen- wetterS wurde die sonst frequentierte Straße zu der fraglichen Zeit von niemand begangen, to daß man auf die Thal erst später, als die Pferde ohne Fuhrmann heimkamen, auf­merksam wurde. Die Ermittlungen haben ergeben, daß der bedauernswerte Mann, der nun bewußtlos im Spital liegt, mitleist eines Hammers, der ganz in Nähe im Ackerfeld oufgefunden wurde, traktiert wurde; er hat am Kopfe mehrere und schwere Wunden, daß nach der Aussage der Aerzte an eine Rettung kaum zu denken ist. Nach Annahme seine« Dienstherrn mußte der Knecht etwa 120 nehst seinem eigenen Taschengelde im Besitze haben. Dieses Geld und die Taschenuhr eignete der Strolch sich an, wäh­rend das Taschengeld ungefähr 1012 noch vorgefundeii wurde. Also wegen 120 ^ ein absichtlicher Mord I! Diese That erinnert .lebhaft an den Fall Dinner und seine Begnadigung! Ein der That ver­dächtiger junger Mann wurde verhaftet, je­

doch wieder freigelassen, weil er seine Un­schuld Nachweisen konnte; dagegen hat bei d>r weiteren Nachforschung die Spur auf einen berüchtigtenZuchlhausnegel" geführt, der sich gestern in der betreffenden Gegend herumzetrieben hat, und ist nur zu wünschen, daß die Polizei desselben bald habhaft wird.

Ebingen, 3. Mai. Der tödlich verletzte Fuhrknechl Eduard Löffler von Stellen, wel­chem mit einem schweren eisernen Hammer das Schädeldach über dem linken Auge ein- geschlagen wurde, ist seinen Verletzungen er­legen. Der Mörder, Taglöhner Paul Bal­ler von Hechingen, 30 Jahre alt, verheiratet und Sohn des Christian Adam Bailer in Hechingen, wurde letzten Mittwoch nachmit­tag durch dtir Landjäger Wolf von Onst­mettingen in Hechingen verhaftet und an das Amtsgericht Balingen eingeliefert.

Ulm, 2. Mai. Unter ungeheurem An­drang fand gestern trotz des für die Fern­sicht höchst ungünstigen Wetters die erstmalige Besteigung de« Münster-Hauptturmes statt Namentlich war es die liebe Jugend, welche in Scharen mit ungeheurer Behendigkeit dir Treppe hinanfkiomin. Der zur Aufsicht äu­gest, llle Wärter war nach der U. Z. kaum im standr, dem Andrange standzuhalten.

Vom Reichslaude, 28. April. Nicht alle L-ute machen vergnügte Gesichter über die günstige Witterung der letzten Tage. Biele, die Heu zu verkaufe» hatten, hatten auf Futternol in diesem Frühjahr spekuliert und hielten mit dem Heuverkauf zurück, als ihnen vor 2 Monaten 6 ^ für den Zent­ner geboten wurde. (Trifft auch hier zu Lande zu. D- Red.) Heule möchten nun gerne alle losschlagen, aber es finden sich keine Käufer mehr, so daß die Preise schon um die Hälfte und darüber gesunken sind. Die Fürsorge der Regierung hat es ver­hindert, daß die Futterpreise die schwindel­hafte Höhe erreichten, die man ihnen im Spätherbst prophezeit halte. Wenn verhält­nismäßig auch nur wenige Landleute Heu und Stroh zu ermäßigten Preisen erhalten haben, so hat schon die Nachricht, daß die Regierung helfen werde, sofort auf die Preise eingewirkt, da mit dem Einkäufe sogleich ein- gehalten wurde. Auch die reichliche Streu­abgabe hat es dem Landmann ermöglicht, jeden Strohhalm zu verfüttern, so daß wir nach einem so außerordentlich futterarmen Jahre cs jetzt erleben, daß noch bedeutende Heuvorräte vorhanden sind.

In Baden-Baden wurde in der Nacht zum 1. ds. die weiße Marmorbüste Kaiser Kaiser Wilhelms I, welche sich in den An­lagen vor der Trinkhalle befindet, von ruch­loser Handrot" angcstrichen. Es herrscht darüber große Erbitterung.

Fröschmühle (Canto» Drulingen i. Elf), 29 April. Der hiesige Müller Wolfs hatte die Freude, am 26. April einen Bienenstock schwärmen zu sehen und de» jungen Schwarm auch zu fasten. Es ist dies in unserer Gegend eine große Seltenheit »nd beweist zugleich, daß auch die Bienen dieses Jahr 46 Wochen voraus sind.

In Berlin haben der 50jährige Ar­beiter Hallman» und dessen 37jährigc Ehe­frau, die schon seit längerer Zeit im Un­frieden lebten, am Mittwoch wiederum Streit miteinander angefangen; sie griffen beide zu Messern und verwundeten einander schwer. Auf das Hilferufen des 5jährigen Töchter- chens, das aus die Straße geeilt war, kamen

Leute herbei, die Hallmann mit einer tiefen Wunde im Halse, in einer Blutlache liegend, fanden; die Frau lag auf dem Sota, ans mehreren Wunden blutend. Der Zustand Hsllmanns wird als haffnunqslos bezeichnet

Friedrichsruh, 4. Mai. Gestern mittag trafen etwa 500 Vertreter von militärischen Vereinen des südlichen Holstein hier ein und brachten dem Fitsten Bismarck im Parke Ovationen dar. Bismarck dankte auf die an ihn gerichtete Ansprache in längerer Er­widerung, welche mit einem Hoch auf den Kaiser schloß.

Ein Original. Eine Kernnatur war der seinerzeit in Giünberg in Schlesien seines Amtes als Volksschullehrer waltendealte Püschel", der am 15. September 1890 im Ruhestand gestorben ist. Dieser Manu so lesen wir in derBresl. Ztg." hat Zeit seines Lebens mit seiner Vorgesetzten Be­hörde auf dem Kriegsfüße gestanden und i» allen von ihm durchgefochtencn Streitigkeiten selbst seinen höchsten Vorgesetzten gegenüber die größte Offenheit gewahrt. Man fand eS bequem, ihn für einenSonderling" zu nehmen. Einmal indessen riß der Behörde der Geduldfaden und sie war geneigt, den Alten für unzurechnungsfähig zu halten. Daß er aber seine fünf Sinne sehr wohl beisammen, zugleich aber auch den Mund auf dem rechten Fleck hatte, werden die Leser aus folgenden Briefen von seiner Hand er­sehe». An den Minister von Raumer schrieb er unter dem 10. Oklober 1858: ,Aber Herr Minister, das muß ich Ihnen doch sagen: Ehe ich glaube, von Ihnen Hilfe zu erlangen, eher glaube ich, daß Gott in den Mond ein Loch macht, aus welchem für meine Familie und mich ganze Hemden, Strümpfe, Schuhe und Kleider herabfallen! Meines Nachbars Jagdhund braucht täglich für drei Silbergroschen Brod, ich habe für eine Per­son meiner Familie täglich 14'/-a Pfennig. Eines Lehrers, der täglich 150 Kinder unter­richtet!? Ist das nicht zum Lachen! ? O, es ist gräßlich. Weiß so etwas der König!?" Ein Brief an den Minister von Btth- mann-Hollweg vom 7. Juli 1861 lautet: In dieser Stimmung lassen mich der Herr Minister noch einige Gedanken niederfchreiben, von dem Standpunkte eines Sterblichen zu einem Sterblichen. Sie Hallen mich gewiß für einen ungeschliffenen Grobian, aller feiner Regungen bar. Sie irren sich hierin. Ich dränge mich nie z» großen Herren, um mit ihnen Kirschen zu essen; wenn Sie mir aber dennoch Stiele und Kerne in« Gesicht werfen, so geschieht dies nicht ungestraft, ich sammle alle zusammen und werfe dann solchen Un­rat mit zehnfacher Kraft zurück. Sie lächeln wohl dazu, wenn ich armer Schulmeister Von Ehrgefühl spreche! ? Muß man denn durchaus seine Urahnen unter den Raubrit­ten deS 11. Jahrhunderts Nachweisen können, um auf Ehre Anspruch zu machen!? Wenn Sie glauben, ich bin des Ehrgefühls bar, so ist dies eitel Thorheit. Mein Rock ist grob, doch der darunter steckende Kerl hat Gelühle und will nicht wie sein Kittel be­handelt sein. In meinem Leben war ich noch nie berauscht. Können Sie das von sich auch sagen? Oder von vielen Anderen? Es fft der Regierung ein Leichtes gewesen, mich für unzurechnungsfähig zu halten und mir den Kreisphysikns inSHanS zu scsickeii. Allerding der beste Weg, Jemand verrückt z» machen, bei uns gelingt'« jedoch nichts"