Rundschau.
Heilbronn, 21. April. Einem Metzger von auswärts, der aus dem Bahnhof feinen Rnsekoffer m>t 60 -/E und Kleidern in Verwahrung gab, wurde nach der Neckarztg. in einem hiesigen Gasthaus heule nacht die Kontrollmarke aus dem Geldbeutel gestohlen. Als der Bestohl-ne den Verlust bemerkte, war der Koffer bereits adgehsli. Nach der Beschreibung, welche die Bahnhofportiersfrau geben konnte, gelang es, den Dieb festzu- nehmen.
Sickenhausen, 22. April. Gestern mittag wurden hier zwei halbjährige Knaben, die am Keuchhusten gestorben waren, in ein gemeinsames Grab gebeitet. Ein merkwürdiger Zufall hatte es gewollt, daß, wie die Schw. KrciSztg. berichtet, die Kinder, deren Mütter Schwestern sind und die am gleichen Tag und in der gleichen Stunde starben.
Tuttlingen, 21. April. Zu den glücklichen Ortschaften, die nicht bloß keinen Ge- mcindeschoden, sondern sogar einen Bürgernutzen haben, gehört auch Durchhausen, OA. Tuttlingen. Nach d>m Albb. konnten jedem Bürger infolge der hohen Holzpreise 45 verabreicht werden.
Saulgau, 20. April. Der hiesige, über 200 Mitglieder zählende „Cigarrenspitzenverein" hielt dieser Tage eine Versammlung ab, wobei sich da« gewiß schöne Resultat er gab, daß, durch den Erlös ans Cigarren- spitzev und die sonstige Opferwill>gkeit der Mitglieder zwanzig Erstkommunikanien, Knaben und Mädchen, je mit Stoff zu einem Anzuge bezw. Kleid beschenk! werden konnten. Möge solcher WohlthäügkeilSsinn recht viele Nackabmung finden I
Waldsee, 20. April. Vor einigen Tagen kam ein Zunge aus einem Orte des O^er- amls Ravensburg nach Aulenborf, um die Lehrstelle bei einem Schneider anzntrelen. Derselbe mußte an einer Krücke gehen. Polizeidiner H. nahm sich des jungen Menschen Väterlich an, da er ein guter Bekannter von dessen Vater ist. Seine Gastfreundschaft wurde aber schmählich belohnt. Der Bursche stahl dem H. die Uhr samt Kette nebst 3^ 50 bares Geld und suchte das Weite Man hat noch keine Spur von dem Gntedel.
— Erst kürzlich hat auf deutschem Boden, in der schönen Hauptstadt Württembergs, eine glänzende Vereinigung von Fürstlichkeiten staltgrfunden, anläßlich der Hochzeit des Prinzen Johann Georg von Sachsen und der Herzogin Maria Jsabella von Württemberg. Nunmehr war soben aus ähnlichem festlichen Anlaß eine zweit-, noch weit zahlreichere Versammlung von Fürstlichkeiten zu schauen, die sich am Coburger Hofe zur Teilnahme an der Vermählungsfeier des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen und der Prinzessin Viktoria Melita von Coburg eingesunken hatte. Wohl mehr als 80 fürstliche Personen haben am Donnerstag diesem feierlichen Akte in der schlichten thüringischen Residenzstadt beigewohnt und bildeten den Mittelpunkt Kaiser Wilhelm, die Königin von England und die Kaiserin Friedrich. Das hohe Neuvermählte Paar verließ Coburg bereits am Donnerstag in den ersten Nachmiltagsstunden, ebenso reiste die Mehrzahl der fürstlichen Hochzeitsgäste noch im Laufe des Donnerstags wieder von Eoburg ab. Kaiser Wilhelm reiste am Freitag von Coburg nach der Wartburg weiter. Von der Wartburg aus begiebl sich der Kaiser am Montag
nach Dresden, um den König Albert persönlich zu dessen Geburtstag zu beglückwünschen, dann kehrt der Kaiser nach Eisenach zurück.
Berlin, 20. April. Der Kaiser Halden Großherzsg von Hessen zum Generalmajor befördert.
— Durch einen Fahrstuhl wurde am Donnerstag morgen in Berlin in der Zent- ralmarkihalle in der Neuen Friedrichstraße der 36jäh>ige Fahrstuhiwärter ZicmS getötet. Derselbe wsllte auf dem Fahrstuhl Fleisch vom Keller aus in die Halle schaffen. Als der Transportmittels des hydraulischen Aufzuges in die Höhe ging, wurde von unberufener Hand die Fahrstuhlthüre im Parterregeschoß geöffnet und hiedurch der Einschaltcr des Fahrstuhls außer Thätigkeit gesetzt. Der Aufzug drang nun unaufhaltsam immer höher und bei der verzweifelten Anstrengung des Z. der bei dem Anlangen des Fahrstuhls am obersten Geschoß der Halle unfehlbar zermalmt werden mußte, den Aufzug zum Stehen zu bringen, gab die Drahtumgitterung des Schachtes nach und Z. geriet zwischen diese und den Fahrstuhl, um wenige Sekunden darauf in den Keller von einer Höhe von 12 Metern aus herabzustürzen. Dem Unglücklichen waren beide Beine und Arme, sowie das Kreuz gebrochen; der Tod trat auf der Stelle ein.
Würzburg, 19. April. Heute nachmittag noch 3 Uhr ging ein schweres Gewitter mit R-gen und Sturmwind über unsere Stadt. Gegen 4 Uhr schlug der Blitz in die Augu- stinerkiiche ein. Der Turm ist gespalten und zur Hälfte nicdergeworfen worden. In der Kirche brach Feuer aus, und die Balken- splitter flogen in der Dominikanergasse umher.
— Aus Oberhollabrnnn (Niede, Österreich), 19. April, meldet die N. Fr. Pr.: Das ansehnliche Dorf Obritz mit 250 Hausern ist bis heute morgen zur Hälfte nieder- gebrannt. Noch ist der Brand nicht volkom- men bewältigt, und man fürchtet, neben den bereits gemeldeten Verlusten an Menschenleben — eine Mutter deren zwei Kinder — noch andere Leichen im glühenden Schutte zu finden. Heute nacht glich das langgestreckte brennende Dorf einer einzigen mächtigen Feuer- fäule. Die Bestürzung und die Verzweiflung der zahlreichen Abbrändler ist unbeschreiblich. Der Schaden ist sehr bedeutend.
— Ein Gewitter hat am 19. ds. in Obersranken furchtbar gehaust und entsprechenden Schaden angerichtet. Die niedergegangenen Schloßen hatten im Fichtelgebirge die Größe von Taubeneicrn. Abends 8 Uhr lagen bei Weidenburg die Schloßen fußhoch. Der Bahndamm der Linie Bayreuth-Weiden wurde vom Wasser beschädigt, so daß die ganze Nacht gearbeitet werden mußte, damit der Verkehr keine Stockung erleide. Leider sind auch mehrere Häuser in Wunsiedel und in dessen Verorte in Flammen aufgegangen. In einem Steinbruch bei Wundsiedel wurden drei Arbeiter vom Blitz getroffen und gelähmt, in Hirschefd erschlug der Blitz ein 22jähriges Mädchen; der das Mädchen begleitende Bruder wurde betäubt.
Koßurg, 20. April. Die Verlobung des russischen Thronfolgers mit der Prinzessin Alix von Hessen wurd heute Vormittag im Schlosse verkündet.
— Aus Krakau, 19 April wird gemeldet: Heute begann in Neusandec an verschiedenen Stellen wieder Brand bei Sturmwind. Ein Spiritusioger explodierte. 6000
Einwohner sind obdachlos geworden, auch herrschte Hungersnot. Viele Personen wurden verwundet, einige sind gestorben. Der Schaden von Waren wird auf 3 Millionen geschätzt.
Wien, 20. April. Der oberöstrrreichische Badeort Hall ist zur Hälfte niedergebrannt.
— Selbstmord eines Ehepaares. Unter erschütternden Umständen hat vor wenig Tagen in Wien ein in den vierziger Jahren stehendes Kutscher-Ehepaar Selbstmord begangen. Der Mann war wegen Eigenwilligkeit kürzlich aus seinem Dienste entlassen worden, die Frau war durch körperliches Leiden lcbensüberdrüsstg geworden. Am Abend vor der That übergab der Mann nach dem Essen seinen achtjährigen hübschen Knaben Anton alle Dokumente, sowie eine Geldbörse mir 6 fl. 10 kr. mit dem Aufträge, strengstes Stillschweigen zu halten. Er küßte das Kind inbrünstig mit dem Bemerken, dieses sei der letzte Kuß, doch konnte der Knabe den Sinn der Worte nicht deuten. Hierauf begaben sich alle zu Bette. Einige Stunden später erwachte der Kleine in Folge eines Geräusches und sah, als er die Augen aufschlug, im Dämmerlichte den Vater an einem Stricke vom Plafond herabhängen, während die Mutter am Tische kniete, sich eine Rouleanxschnur »m den Hals wand und den Tisch mit den Füße» umwal f. Zweimal riß die Schnur, erst das dritte mal gelang der Selbstmord. Das Alles sah der Knabe, wagte sich jedoch nicht, sich zu rühren. Anfangs weinte und schluchzte er in sich hinein, doch endlich schlief er von Mattigkeit übermannt ein. Als er wieder aufwachte, war cs Heller Morgen. Die Leichen der Eltern hingen tot und starr vom Plafond herab. Der Knabe kleidete sich an, um den weiteren Weisungen des Vaters folgend, aufs Land zu fahren und verließ die Wohnung. Erst später wurde der Selbstmord von Nachbarn entdeckt. Der Verwaiste Knabe wurde dem Asyl für verlassene Kinder übergeben.
— Die Stadl Huntsville im Bezirke Muskoka (Kanada) wurde durch eine Feuersbrunst fast gänzlich zerstört. Das Geschäfts- quartier, die Kirche, mehrere Fabriken und Gasthöfe und eine große Zahl Privalhäuser sind nichts mehr als ein Haufen Asche.
Lüttich, 23. April. Gestern Nacht wurde vor einem Fenster des Hauses des Bürgermeisters ein Paket mit 15 Dynamitpatronen mit brennender Zündschnur gefunden. Die Explosion erfolgte und rief große Panik hervor. Der Schaden ist unbedeutend.
— Lynchjustiz. In dem nordamerikanischen Slä»tchen Sylvania im Staate Ohio marschierten am 15. April 1500 bewaffnete Bürger nach dem Gefängnis, um den daselbst in Gewahrsam gehaltenen Neger Sey- möur Newland zu lynchen. Newland hatte sich an einer 81jährigen weißen Greisin vergangen und die alte Frau war in Folge dessen gestorben. Die Erbitterung der Bürgerschaft kannte keine Grenzen. Der Sheriff war auf die kommenden Dingge gefaßt und hatte die Miliz requiriert, aber eS waren nur wenige Milizsoldaten erschienen und diese vermochten dem leidenschaftlich erregten Volke keine» Widerstand zu leisten. Newland wurde aus seiner Zelle geschleift und unweit des Gefängnisses gehängt. Dann feuerte fast jeder Bürger einen Revolverlchuß auf den Hängenden ab.