Die Wallfahrt nach KZenstachau.
Roman von Johanna Berger.
Nachdruck verboten.
13 .
Das Mädchen hatte sich gewaltsam von ihm losgerissen, und beide Hände vor das glühende Gesicht schlagend, stürzte sie mehr, als sie ging, in die Hausthür hinein, die gleich wieder hinter ihr in's Schloß fiel.
Der junge Edelmann war im jähen Erschrecken aus seinem Liebesrausch erwacht. Er blieb wie angewurzelt stehen; Scham, Reue und Kummer packten sein Herz mit furchtbar-r Gewalt, ein dumpfer qualvoller Schmerz, der aus seinem Schultbewußisein entsprang, folterte ihn. Was hatte er ge- than? — Wie ein Feigling war er der Versuchung unterlegen, er halte Jadwiga an seinem Herzen gehalten und geliebkost, als wäre sie sein unbestreitbares Eigentum — seine Braut. Einen Schatten hatte er aus ein reines, unbeflecktes Menschengemüt geworfen I — Er stöhnte laut auf und blickte starr und bleich vor sich hin. „Nein, nein", murmelte er in bitterer Reue, nie wieder kreuze ich Dir Deinen Weg, Geliebte, nie! Du sollst frei von mir bleiben, frei Von meiner Leidenschaft — besser, ich sterbe daran, als daß auch Dein Glück darüber in Trüm mer gehl l"
Die Nacht hatte sich jetzt vollständig schwarz auf die Erde herabgescnkt. Droben am sternenlvsen Himmel wogte ein Nebclmeer. Grau, naßkalt, geisterhaft zogen große dunstige Ballen vom Flusse zu Roman heran und durchschauerten ihn mit Eiseskälte. Er warf noch einen langen traurigen Scheidebllck auf das kleine graue Haus, in dem sei» Liebstes Verschwunden war, dann senkte er den Kopf aus die Brust herab und trat mit schwerem, mühevollem Schritt den Heimweg nach Ly- gotta an.
Jadwiga war in atemloser Hast, ohne sich umzusehen, in die kleine Wohnstube ihres Vaters gestürzt- Sie ließ den Korb achtlos niederfallen und sank wie vernichtet auf den ersten besten Stuhl. Dort saß sie lange regungslos und barg das Gesicht in beiden Händen, denen die Thrsnen hervorquollen. Und immer heftiger wurde ihr Weinen und Schluchzen. Die schrecklichsten Vorstellungen ängstigten und marterten sie. — Was sollte sie thun, was beginnen, um sich Roman's L-idenschast, die alle Schranken durchbrach, zu entziehen — dessen Weib, wie er ihr selbst gesagt, sie niemals werden konnte. Ein Heises Weh durchzuckte sie bei diesem G - danken, wilder Schmerz hämmerte in ihrem Hirn u. eS war ihr, als lege sich plötzlich ein grauer Schleier über ihre Augen, der ihr kiue Anwandlung von Ohnmacht verursachte.
Denn was Sie bis dahin sich selbst noch abzuleugnen versucht hatte, das wuchs jetzt riesengroß in ihr empor: Sie liebte Roman, sie liebte ihn innig und heiß und all' der spröde Trotz und die Zurückhaltung ihm gegenüber war nichts weiter gewesen, als der Kampf eines reinen stolzen Mädchenherzens, das seine Liebe nicht verraten will. Doch nun mußte sie mit Gewalt sein Bild aus ihrer Seele reißen, sie durfte ihn nicht mehr Wiedersehen, sie mutzte fort von hier, weit
fort. Denn wie sie auch grübelte und sann, einen anderen Ausweg fand sie nicht.
„Ach ich wollte, ich wäre tot!" so rang es sich wie ein schluchzender Schrei von ihren zuckenden Appen und dann starrte sie wie gebrochen in's Leere.
Wie lange sic so in dumpfem Hinbrüten verharrte, sie wußte es nicht. Endlich sprang sie auf und öffnete ein Fenster, um die Abend- kühle einzulaffen, denn im Zimmer herrschte schwüle Luft. Sie stützte beide Arme auf bas Sims und blickte in die Nacht hinaus. Aümälig beruhigte sie sich, sie hatte sich müde und matt geweint. Nun zündete sie ein Licht an, tauchte ein Tuch in kaltes Wasser und kühlte ihre heiße Stirn.
In dem Stübchen sah es nnwohnlich und ärmlich aus. Die abgenutzten Möbel, das alle Sopha mit dem zerrissenen Kattun- überzuge waren mit allerhand Sachen und Kleidern bedeckt, die unordentllich durchein- ander geworfen umherlagen. Auf einem niedrigen Schranke stand ein großer Käfig, in dem ein zamer Kolkrabe saß, welcher vom Scheine des Lichtes plötzlich aus dem Schlafe geweckt, unruhig hin und her flatterte und widerlich krächzte. Ein einziges wertvolles Stück befand sich in dem elenden Raume. Das war ein kunstvoll gearbeiteter Heiligenschrein von Ebenholz, mit einem Crucifix von matter Bronze. Sämmtliche Möbel waren mit fingerdickem Slaub bedeckt, Spinnengewebe hingen von der kahlen Decke herab.
Jadwiga breitete ein Tuch über den Käfig, räumte die Sachen fort, säuberte und stäubte ab, bis es einigermaßen freundlicher in dem Zimmer aussah. Nachher setzte sie sich an den Tisch und zog ein Gebetbuch aus der Schublade desselben, um darin zu lesen. Es war sehr spät. Die Turmuhr der Pfarrkirche von Czenstochau hatte bereits die zweite Morgenstunde verkündet, doch war der Vater noch nicht daheim. Er saß wie gewöhnlich in der Schänke, spielte Karten und zechte. Dem Mädchen fielen endlich vor Müdigkeit die Augen zu. Das Licht brannte tief herab. Plötzlich wurde sie durch ein heftiges Klopfen gegen die HauSlhür aus ihrem Halbschlummer erweckt. Sie griff hastig nach dem Leuchter und eilte in den Flur, um zu öffnen.
Ein hoben, hagerer Mann in einer verschossenen OfsicierSunisorm taumelte herein. Sein Gesicht, das vom Branntweingenuß duftete und glühte, sah blaß und aufgedunsen aus und die Augen stierten mit leerem Ausdruck vor sich hin. Die Mütze saß ihm hinten im Genick und den Säbel mit der Koppel trug er in der Hand.
„Heilige Barbara!" schrie er Jadwiga an, „ist daS Manier, mich eine Stunde vor dem Hanse stehen zu lassen? Warum hast Du die Thür verschlossen? Hast Du mein Klopfen denn nicht gehört?"
„Ich war ein wenig eingenickt, Vtter. Mein Kops ihat mir weh und cs ist schon so spät."
(Fortsetzung folgt.)
— Meyers kleiner Hand Atlas in 100
Kartenblättern und 9 T-xtbeilagen (Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien). Endlich einmal ein „Hand"- Atlas, von dem man mit Fug und Recht sagen kann: „das ist, was ich brauche!" der in Wirklichkeit das hält, was sein Titel verspricht. M>yers Kleiner Hand-Atlas ist
ein mit großem Fleiß durchgearbeiteter geographisches Hilfsmittel im bandlichsten Buchformat. Ein Seitenstück zu „Meyers Hand- L'pikon", umschließt dieser AtlaS alle Diejenigen Dinge, welche zur Zeit das geographische Jnleresse des Publikums erregen. DaS neue Kartenwerk ist berechnet für den Geschäftsmann, den Beamten, den Gewerbetreibenden, den Zeitungleser, kurz für alle diejenige», die für jede in Betracht kommende geographische Frage ein übersichtliches zuverlässiges, auf der Höhe der heutigen Erdbeschreibung gehaltenes Karlenmalerial stets und bequem zur Hand haben wollen.
Meyers Kleiner Hand-Atlas berücksichtigt in erster Linie das engere Vaterland, d. h. das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn, denen allein 40 Blätter gewidmet sind ; jeder größere deutsche Bundesstaat, jede preußische Provinz, jedes österreichische Kronland ist dabei durch eine Spezialkarte dargestellt, eine Reichhaltigkeit, die sich in keinem andern AtlaS findet. Bei den außereuropäischen Karten stnd die deutschen Interessen- und Kolonial- gebietc besonders berücksichtigt, wovon die in großem Maßstabe gehaltene Karle von Ostafrika entsprechendes Zeugnis ablegt. Die öffentlichen Verkehrsmittel, Eisenbahnen, Dampfschiffe uud Telegraphen (Kabel) sind mit größter Sorgfalt nach offiziellem Material behandelt; das Folioblatt „Weltverkehr" gewährt eine vortreffliche Ueberstcht über die heutigen großen Verkehrswege und Verkehrsmittel. Alle Weltstädte stnd durch Pläne (nebst Namen-Registern) und Umgebungskarten dargestellt, während man dieser Spezialität in andern Atlanten nur vereinzelt und nur als Kartons in den Kartenecken begegnet. Die Karte „Hamburg" weist z. B. die interessante Verzweigung des untern Elbc- laufs deutlich auf und enthält eine besondere Darstellung des Hamburger Freihafengebiets; ebenso ist die höchst originelle Darstellung von New-Dork hervvrzuhebcn, bei welcher nicht nur die Stadt selbst, sondern auch die interessanteste Einfahrt vom Ozean her veranschaulicht wird. Auch neue Momente sind in dem Atlas zur Ausnahme gekommen, welche sich in den großen Handatlanten nicht vorfinden : so auf der Karte von Elsaß-Lothringen die französische, aus der von Schleswig-Holstein die dänische Sprachgrenze, auf den Blättern „Posen und „Schlesien" die Ausbreitung des polnischen Sprachidioms und auf dem Blatte „Schweiz" eine Darstellung der Verteilung der drei Nationalitäten. Jede einzelne Karte zeichnet sich durch wunderbare Klarheit und Deutlichkeit aus — eineEigc»- lümtichkeil, welche sich manches anspruchsvollere Kartenwerk zum Muster nehmen könnte. Durch das saubere, wohlabgestunmle Kolorit der Karlen gelangen auch die kleinsten politischen Einheiten, wie Sie z. B-auf den Blättern „Thüringen" und „Provinz Sachsen" erscheinen, zur klaren Darstellung. Meyers Kleiner Hand-Atlas, der von den Herausgebern durch Nachwägungen auf den einzelnen Blättern stets auf der Höhe der Zeit gehalten wird, sollte daher auf keinem Schreibtisch, keinem Kontor und Bürkau fehlen; der erstaunlich billige Preis (in Halbleder geb. 10 ^/kl) ermöglicht es jedermann, sich seines Besitzes zu erfreuen; auch greift man zehnuial eher nach diesem handlichen Buch als nach einem schweren Foliaittcn-Handatlas.
Druck und Verlag von Berah. H «fmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hos«nann.)