der gestrigen Nacht vollständig nieder. Das Publikum hatte nach beendeter Vorstellung daS Gebäude kaum verlassen, als das Feuer ausbrach. Die gastierende Truppe rettete mit genauer Not das Leben und verlor ihr ganzes Eigentum. Der Schaden, welcher an- gerichtct wurde, beträgt 10,000 Pfund Sterling.
— Ein verhungerter Millionär. In Auxerre, der Hauptstadt des französischen Departements Ionne, starb verhungert und ersrrren in seiner elenden Wohnung ein Greis, der seit Jahrzehnten Cigarrenstummel sammelte und Almosen empfing. Unter seinen Habscligkeiten befand sich auf dem Dachboden ein alter Lederkoffer, der zur großen Ueberraschung der Erben Wertpapiere im Betrage von über einer Million barg. Seit 1883 hatte er keinen Coupon abgeschnitten. Außerdem stellte sich heraus, daß der Verstorbene Besitzer einer ungeheuren, aber gänzlich vernachlässigten Landgute« war.
Vermischtes.
— Das Ehepaar auf dem Sonnblick. Der Einsiedler und Beobachter auf dem Sonnblick (der höchsten Wetterwarte Europa-,
in den Hohcntaucrn gelegen), Peter Lcchner, hat am 21. ds. seine Hochzeit mit Joseph« Janschütz gehalten. Joseph« hat, wie schon kurz berichtet, auf dem Sonnblick bei Peter Lechner ihre „Carriere" gemacht. AlsPro- viantträgerin ist sie schwer beladen täglich 1000 Meter des schwierigsten und steilsten Gletscherweges auf- und abgestiegen, was sie nicht hinderte, oft noch an demselben Abend als flotte Tänzerin auszutreten. So hat sie begonnen, später rückte sie zur Köchin Peter LechnerS vor. Zu der Hochzeit hatten sich viele Gäste eingefunden, darunter einige englische Damen, die eigens aus Berchtesgaden herübergekommen waren. Während der Trauhandlung wurden auf dem hohen Sonnblick von dem Aushilssbeobachter Hajen- knopf Böllerschüsse abgegeben. Seine Flitter» Wochen verlebt das njuge Paar in seinem Heim, dem mitten im Eis gelegenen „Z'ttel- hsuk" auf der äußersten Spitze deS hohen Sonnblick, 3103 Meter über dem adriatischcn Meer.
.'. Ein schlafender Abgeordneter und ein wachender Präsident. Man berichtet aus Dresden, 21. Jan.: Folgender Zwischenfall ereignete sich kürzlich im sächsischen Landtage:
Als im Laufe der Debatte der Sozialdemokrat Siolle-Gefau gegenüber dem antisemitischen Abg. Schubert Chemnitz die Frage aufwarf: „Besinnt sich denn Herr Schubert nicht mehr auf die Zeit, wo er im sozialdemokratischen Verein war, »der hat er da geschlafen?" legte sich der Präsident Ackermann ins Mittel und rief dem Redner zu: „Ich kann nicht dulden, daff> Sie sagen, Herr Schubert habe geschlafen," Abg. Stolle: „Herr Präsident, ich habe nicht gesagt, daß der Abg. Schubert in der Kammer geschlafen hat, sondern vor Jahren außerhalb der Kammer." Präsident Ackermann : „Ich kann auch nicht zugeben, daß der Abg. Schubert außerhalb der Kammer geschlafen hat." — Nachdem Herr Ackermann ob dieser Bemerkung einen großen Heiterkeilserfolg erzielt hatte,
konnte Abg. Stolle in seiner Rede fortfahren.
» »
.'. (Malitiös.) Dichterling: „Nicht wahr, Herr Redakteur, das Papier darf nur auf einer Seite beschrieben werden?" — Redakteur : „Ja I DaS heißt, am besten wird'- sei», wenn Sie's auf gar keiner Seite beschreiben I"
Ein Sieg des Herzens.
Novelle von R. Hosmann.
Nachdruck verboten.
6 .
Diese Klauseln und die daraus entstandenen Verhältnisse waren die Ursache großer Betrübnis und oft noch größeren Acrgers für den alten Administrator. Denn der biedere Mann bedauerte nicht nur »fl, daß die Comteß durch das Testament des Vaters in ihren freien Entschließungen in Bezug auf eine Verheiratung gebunden war, sondern e? war auch im hohen Grade darüber entrüstet, daß der Vetter der Comteß, Baron Franz von Lindberg, feine tm Range viel höher stehende Cousine vollständig ignorierte und die große Gunst, welche ihn durch das Testament des Onkels und seine etwaige Verheiratung zu schätzen schien. Dazu rückte der Termin immer näher, an welchen es sich entscheiden mußte, ob Comteß Bertha und Baron Lindberg in Erfüllung des testamentarischen Wunsches des Grafen Lindberg ein Paar werden würden, »nd der Herr Vetter hatte in Schloß Kronburg noch immer nicht seinen AnflandSbejuch gemacht, hatte sich überhaupt seit seinen Knabenjahren nicht dort sehen lassen.
In sehr mißmutigen Gedanken über diesen ärgerlichen Zustand schrill der Administrator Körner in >e»iem Zimmer auf und ab, als plötzlich an die Thüre gekloptt wurde und auf Körners Hereinruf Frau von Lmgen, Comteß Berthas Tante, eintrat.
„Entschuldigen Sie, Herr Administrator, wenn ich vielleicht störe," sagte die Dame, als ihr Körner galant den Platz auf dem Sopha anbot, „aber ich muß Sie in einer sehr wichtigen Angelegenheit allein sprechen."
„Ich stehe zu Diensten, gnädige Frau," erwiderte Körner freundlich.
„Nun, ich brauche keine lange Einleitung zu machen, Herr Administrator," fuhr Frau von Lingen halblaut fort, „Sie wissen als Vertrauter deS gräflichen Hauses, daß Com- teß Bertha bereit ist, den Willen ihres seligen Vaters zu erfüllen und ihren Vetter, den
Baron Lindberg, zu heiraten, wenn dieser selbst in diese Ehe willigt und Ihnen ist auch bekannt, in welche peinliche Verlegenheit uns die bisherige Haltung des Barons, der seine Cousine seit fast fünfzehn Jahren nicht gesehen, gebracht hat. Der enlscheidende Tag rückt näher und näher und Comteß Bertha und der Herr Vetter kennen sich so gut wie nicht. Es ist ei» wahrer Skandal, daß Baron Lindberg so taktlos sein kann, und sich niemals hier sehen läßt. Die für Heide Teile sehr wichtige Frage wäre vielleicht sch»» vor Jahr und Tag auf die eine oder andere Weise entschieden, wen» Baron Lind- berg, wie es sich unter Verwandten schickt, mit der Comteß freundschaftlich verkehrte. Sie hat es ja gar nicht nötig, gerade den rücksichtslosen Veiler heiraten, wenn er selbst den Wunsch des Oheims nicht erfüllen will, denn die Comteß hatte Freier genug, sie ist aber geneigt, dem Willen des Vaters im Interesse der Erhaltung der gräflichen Linie ein Opfer zu bringen. Ich glaube aber, daß es nötig geworden ist, der Comteß zu raten, freiwillig auf eine Verbindung mit dem Vetter zu verzichten, denn über diesen sind die häßlichsten Gerüchte in Umlauf. Drüben auf Rittergut LudwigSthal, wo sich voriges Jahr der Major von Kalten angekauft hat, ist ein ehemaliger Kamerad des Majors, ein Rittmeister a. D- Baron Brunner zu Besuch u»d hat die schlimmsten Dinge über v,n Baio» Lindberg eizahlt. Derselbe soll nicht nur ein toller Verschwender und Lebemann sein, sondern auch ganz leidenschaftlich Hazard spielen. Außerdem hat Baron Brunner gemeint, daß Baro» Lindberg fast das ganze väiertiche Vermögen ilKZeit von drei Jahren verprasst habe und daß bei ibm jeden Tag der Bankerott ouSbrechen könne."
„Entsetzlich l Enisetzlich I rief der Administrator. „Der junge Herr scheint nicht recht bei Sinnen zu sein. Wie kann man nur in so kurzer Zeit ein so großes Vermögen vergeude» I Aber ich habe schon immer eine schlimme Lösung des rätselhaften Betragens des Barons befürchtet."
„Und wenn diese Mitteilungen über da»
Leben und die DermögenSverhätlnisse deS Barons Lindberg wahr sind, so darf doch unsere liebe Comteß einen solchen Menschen nicht heirate», denn sie würde ja dann sehr, sehr unglücklich werden. Ich bitte sie daher, Herr Administrator, begeben Sie sich noch heute oder spätestens morgen unter einem passenden Verwandt einmal hinüber nach LudwigSthal zu Major von Kalten. Sie werden dort wahrscheinlich auch die Bekanntschaft »es Barons Brunner machen und Gelegenheit haben, die Wahrheit in Bezug auf die Gerücht, die mir über Baron Lindberg zu Ohren gekommen sind, zu erforschen."
„Ich werde mich beeilen, Ihrem Wunsche zu entsprechen, gnädige Frau," entgegnet« Körner erregt, »denn mir selbst wäre der Gedanke unerträglich, unsere gnädige Comteß unglücklich verheiratet zu sehen. Major von Kalten ließ mir neulich durch seinen Verwalter ein Paar überzählige Wagenpferde zum Kauf anbieten. Wir könnten die Pferde gebrauchen, ich werde sie deshalb einmal an- fehen. Das ist ein geeigneter Grund, um in Ludwigsthal einen Besuch zu machen."
„Das paßt ja ganz vortrefflich," erwiderte Frau von Lingen. „Besorgen Sie diese wichlige Mission recht gut, Herr Administrator, wir sind es bei Gott der Comteß schuldig, den Gerüchten über Baron Lindberg auf den Grund zu gehen, damit sic sich nicht einem Unwürdigen opfert. Sie lassen mir wohl dann sagen, was Sie erfahren haben, wenn Sie von Ludwigsthal zurückgekehrt sind."
„G^witz, gnädige Frau," antwortete Körner diensteifrig und geleitete die Dame aridem Zimmer.
Wenige Stunden darauf ließ sich der Administrator Körner seinen Wagen an- fpannen, um nach LudwigSthal zum Major von Kalten z» fahren.
(Fortsetzung folgt.)
Merks.
Der Stolz nimmt sein Frühstück mit dem Reichtum, sein Mittagessen mit der Armut, sein Abendbrot mit der Schande ein!
Berautwvrtlicher Redakteur r Bernhard Hofwann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmau n in Wildhad.