Rundschau.

Regierungsdirektor v. Rüdinger, Vor­stand de« Medizinalkollegiums in Stuttgart, soll i» den Ruhestand versetzt werden. Als Nachfolger wird der frühere Obcrregierungs- rat von Gehler, z. Z. Direktor der Lebens versicherungS- und ErfpaeniS-Bant bezeich­net. Herr v. Rüdinger ist seit längerer Zeit kränklich.

Stuttgart, 30. Jan. Heute Abend ist in der Hohenhcimerstrahe der Fuhrmann eines HeSlachcr SteinfuhrwerkiS namens Mack aus Wcrtheim so unglücklich unter die Räder seines schwer beladenen Wagens geraten, datz ihm der Kopf vollständig zerquetscht wurde und er auf der Stelle tot war.

Plochingen, 29. Jan. Heute nacht nach 2 Uhr wollte ein Heizer von Roltwcil, wel­cher im hiesigen Dienstgebäude übernachtete, zu seiner Maschine gehen, um dieselbe an­zuheizen. Er wurde aber, wahrend er über die Schienen des Bahngelcises ging, von dem 2'ir Uhr von Horb verkommenden Schnell­zuge überrascht, so daß er unter denselben zu liegen kam und ihm der Kopf vom Leibe getrennt wurde. Der Leichnam wurde in das Leichenhaus de» hiesigen Johannilcr- spitals verbracht.

Heilbronn. In Sachen Hegelmaicr wird dem Stuttgarter Beobachter aus Heilbronn eine sensationelle Mitteilung gemacht, die wir mit dem übliche» Vorbehalt wiedergeben. Demnach sei am letzten Samstag im Auf­trag Sr. Mas. deS Königs ein adeliger Herr aus Stuttgart bei dem suspendierten Oberbürgermeister Hegelmaier in Heilbronn erschienen und habe letzterem mitgeteilt, Se. Mas. der König habe nach gründlicher Durch­sicht der Akten die Ueberzeugung gewonnen, daß Herrn Hegelmaicr Unrecht geschehen sei; deshalb müsse ein Ausweg gesucht werden, um Herrn Hegelmaicr zu rehabilitieren und zwar könne dies wohl am besten durch eine Staats-Anstellung de« letzteren erfolgen.

Lauphkim , 29. Januar. Von vielen Wählern des Bezirks wird LandgerichtSrat Walser in Ulm als Kandidat für den Land­tag ausgestellt, da sie mit den Kandidaturen von Schick und Sauter nicht einverstanden sind.

Vom Lande. Ein aufregender Vorfall ereignete sich unlängst bei einer Beerdigung in einem Landstädtchenob der Staig". An einem Nachmittag waren 3 Beerdigungen nacheinander. Als bei der 2. eben der Sarg in das große, für die 3 Toten hergestellte Grab hinuntergelossen werden sollte, war der am Kopfende lhätige Mann der Anstrengung nicht mehr gewachsen, wurde weggeschnellt, stürzte ins Grab und der mächtige Sarg hinter ihm nach. Zum Glück fiel der große und schwere Sarg schräg hinunter, so daß er nicht aus den Mann zu fallen kam. So kam derselbe mit dem Schrecken davon und konnte aus seiner unheimlichen Lage bald be­freit werden.

Berlin , 30. Jan. In Hofkreisen ver­lautet, der Kaiser werde den Fürsten Bis­marck an dessen Geburtstag am 1. April in Friedrichsruh besuchen.

Das Gericht, Traf Herbert Bismarck werde an Stelle des Prinzen Reuß auf den Wiener Bolschafterposten berufen werden, hat nach der Polil. Korr, hohe Wahrschein­lichkeit für sich. Es soll nebenbei der sehn­lichste Wunsch der jungen Gräfin Bismarck, hic bekanntlich eine geh. Gräfin Hohes ist,

sein, in Verkehr mit der Wiener Gesellschaft zu treten, innerhalb deren das Ellernpaar der Gräfin eine Rolle spielt.

Wieder ein unvermuteter Erbschafts- fnnd, Vor einigen Wochen verstarb die in Berlin in dem Hause Lindenstraße 107 im Vorderhaus? zwei Treppen wohnende ca. 72 Jahre alte Witwe A. Weigel. Die alte Frau, die immer kümmerlich gelebt und sich sogar aus einem benachbarten Restaurant die Weißbierneigen erbettelte, hatte keine direkten Erben oder Angehörige hinterlassen. Auf die seitens der Polizei erfolgte Benach­richtigung ordnete das Amtsgericht die Sicher­stellung des Nachlasses durch den Gerichts­vollzieher Herrn Franze an. In der nur ärmlich ausgestatteten, aber Loch reinlich ge­haltenen Wohnung fand der Beamte anfäng­lich Wertsachen nicht vor. Erst nach länge­rem Suchen entdeckte er, dem L.-A. zufolge, in einem Kasten, mehrfach in Zeitungspapier eingewickelt und mit Bindfaden zusammen­gebunden, nicht weniger als 10 800 Mark 3'/a prozentige, konsolidierte Anleihe. Dies v-ranlatzte ihn, einzelne Kleidungsstücke der Verstorbenen aufs Genaueste zu durchluchen, und in der That fand er hierbei in einem abgeschnittenen,Glacsehandschuh 600 und in einem alten wildledernen Handschuh, unter Lumpen versteckt, 2000 ^ in blanken 20- Markstücken. Außerdem fanden sich in den den äußersten Ecken einer wurmstichigen Kommode Brillanten, bestehend in einem Paar Ohrringen und mehreren Ringen, deren Wert auf ca. 1500 ^ taxiert wurde, so daß der gesamte Nachlaß einschließlich der Mobilien auf ca. 15 500 bis 16 000 sich belaufen wird. Die alte Frau, welche, wie schon erwähnt, Angehörige hier nicht hatte, wird von einem in Amerika wohnen­den Neffen beerbt. Auch soll die verstorbene noch einen Bruder am Leben haben, dessen gegenwärtiger Aufenthalt ihr unbekannt war. Ärmen-Unterstützung hat sie nicht erhalten, wohl aber ist bekannt, daß sie befreundete Familien besuchte, welche die alte Frau seit Jahren schvn unterstützt haben, weil man annahm, daß sie verarmt sei.

Auf einem Standesamt im Norden dr Stadt Berlin hat am jüngsten Samstag die Zivil-Trauung einer 72jährigen Rcntier- Wilwe T-, einer vermögenden Dameohne Anhang-, das heißt ohne sonstige Verwandte, die später als Erben auftreten könnten, mit einem 26 Jahre alten völlig mittellosen Schuhmachergesellen Gottlieb I. stattgefun­den ; als Trauzeugen figurierten der Vslks- anwalt Adolf R. und eineweise Frau" L., welch' letztere Beiden diesen seltsamen Ehe­bund vermittelt haben sollen. Die Hochzeits- feier, bei der es überaus lustig hergegangen sein soll, fand in einem Restaurant in der Ackerstraße statt. Die noch sehr rüstig und lebenslustigejunge Frru" hat am Sonn­tag abend giit ihrem Ehemann eine Hoch­zeitsreise nach Italien angetreten.

Einen gefährlichen Ausgang nahm der Zusammenstoß des königlichen Forstauf­sehers G. in Kempfeld mit einem Wilddiebe. Der Erstere traf de,, als Wilderer bekann­ten Tsglöhner A. ans dem benachbarten Dorfe Langweiler, wie er mit einem Gewehr im königlichen Forste auf Rotwild pürschie. G. rief ihn a, indem er ihn auffordcrte, das Gewehr abzulegev, dieser aber legte auf G. an, jedoch der Schußversagte. Der Wilderer wurde nun vom Forstaufseher dem nächsten

Dsrfe zugeführt. Plötzlich zog der Erstere aus seiner Tasche ein aufgeklapptes Messer heraus und versetzte dem Forstaufseher zwei tiefe Stiche in dir Seile. Dsvurch beinahe ohnmächtig geworden, ließ dieser den Wilderer loS und eilte dem nächsten Orte zu; der Wilderer lief jedoch hinter ihm her, versetzte ihm noch einen Stich in den Rücken, be­mächtigte sich der beiden Gewehre und wurde flüchtig. G. wurde von herbeieilenden Leu­ten ausgenommen und in den näcvsten Ort Bruchweiler gebracht, wo an seinem Auf­kommen gezweifelt wird, da er einen tiefen Stich in die Lunge erhalten bat. Er ist seit zwei Jahren verheiratet und Vater von einem Kinde. Der Wilderer wurde in Nahbollen­bach, an der Birkenfeldcr Grenze, festgenom- men, die beiden Gewehre hat derselbe wahr­scheinlich versteckt.

Frankcnthak, 29. Jan. Der 28jähcige Dienstknecht Brede erschoß aus Eifersucht den 18jährigen Arbeiter Sckaich.

Ein furchtbares Unglück ereignete sich in Ibbenbüren bei der Feier von Kaisers Geburtstage. Als die Vorbereitungen ge­trosten wurden, um die ausgestellten Böller abzufeuern, geriet man sagt, eine Knabe habe einen Schwärmer abgebrannt ein Funke in einem m'l Pulver angcfüllten Eimer; eS erfolgte eine gewaltige Explosion, und 7 von den umstehende» Kindern erlitten über den ganzen Körper Brandwunden. Ob alle mit dem Leben davonkommen werden, ist sehr fraglich.

Das Dienstmädchen als Erbin. In Cahvrs hinterließ eine junge Frau, die kin­derlose Witwe eines Deputierten, ihr ganzes Vermögen bestehend auS sechshundertlausend Franc« und einem schönen Schlosse, ihrem Dienstmädchen Therese Pulger. Die Erbin ist 24 Jahre alt und diente erst seit fünf-, Jahren bei der Witwe.

Leichcnraub. Aus Zittau (Sachs.) berichtet man: Auf dem Röchlitzer Friedhose war die 26 Jahre alte Frau eines Tischlers aus Roscnthal in der Gruft ihrer Eltern bestattet worden. Die Gruft wurde vorläufig mit Brettern zugedeckl; erst später sollte der Gruftstein eingesetzt und verlötet werden. Als der Totengräber früh auf den Friedhof kam, fand er das steinere Grabkreuz zer­brochen und eine gewisse Unordnung bei der Gruft vor. Er schob nun die Bretter weg und sah zu seinem Entsetzen den Me­tallsarg geöffnet. Das der jungen Frau mit­gegebene weißseidene Kleid (ihr Brautkleid) war auf der Brust aufgeristen, das Kopf­haar zerzaust, ans den Strümpfen und den unteren Gliedmaßen zeigten sich Spuren von Fußtritten, einer der AtlaSschuhc der Leiche war zerrissen und das Kleid von der Leiche halb herabgezerrt. Der Kopf war gewalt­sam hinlenübergebogen. Da« Brautkleid trug Blutspuren, welche daraus hindeuten, daß sich der Leichenräuber an etwas verletzt haben muß. Der Metallsarg war durch Aufziehen der Schrauben geöffnet worden. Der Thäter hat offenbar das Seidenkleid entwenden wollen und Wertsachen bei der Leiche vermutet. Allem Anscheine nach ist er gestört worden und hat sich schleunigst, ohne etwas mitzunehmen, auf und davon ge­macht. Als mutmaßlicher Thäter ist der Sohn des früheren Totengräbers in Röchlitz Verhaftet worden.

AuS London, 27. Januar, wird gemel­det: Das Theater in Rochdale brannte in