Ein Sieg des Herzens.
Novelle von R. Hvsmami.
(Nachdruck verboten.)
3 .
„Die eine lautet: Tritt der Fall ein, daß der Herr Baron Liudberg freiwillig auf die Hand der Comtesse Lindberg-Kronstedt verzichtet, so hat er gar keine Ansprüche auf die gräfliche Erbschaft, und die andere heißt: Tritt der Fall ein, daß die Comtesse Lindberg-Kronstedt freiwillig auf eine Vermählung mit dem Baron Lindberg verzichtet, so sind dem Baron als dem einzigen männlichen Eprößlinge der Lindbergs die Hälfte der gräflich lindberg-kronstedt'schen Güter als Erbe und Eigentum mit dem Rechte, den Grafcntitel zu führen, zu übergeben."
„Ja, da« Testament hat eben den Sinn, die alte gräfliche Linie der Lindberg« nicht aussterben und da« große Vermögen in einer Hand zu lassen," bemerkte der Baron im spöttischen Tone, „aber wir haben keine Lust, die auf uns bezüglichen Tcstamenirklauseln zu erfüllen, wir wollen die Comtesse nicht hcimsührcn."
„Nun gut, wenn Sie das Letztere auch nicht wollen, so brauchen Sie der Comtesse doch nicht schroff entgegenzutreten und ihr rundweg zu erklären, daß Sie auf Ihre Hand verzichten."
„Warum soll ich das nicht, lieber Werner 2" frug der Baron lach;nd- „Ich mag die Comtesse nun einmal nicht heiraten."
„Ja, mein lieber, junger Herr, bedenken Sie doch, daß der Fall eintrnen könnte, daß die Comtesse freiwillig auf eine Vermählung mit Ihnen verzichtet, und dann fällt die Hälfte der gräflichen Erbschaft Ihnen zu."
„O, so naiv wird die für sehr klugaus- geschriene Comtesse gewiß nicht sein, sie wirb Vielmehr, wenn ich Ihr keinen Antrag mache, wohl ruhig abwarien, bis ich verzichte und die Hälfte der gräflichen Güter sich retten."
„N»n, das kommt doch auf die Umstände an, Herr Baron," bemerkte der alte Schloßvermaltcr mit schlauem Lächeln. „Com- trß Bertha könnte sich doch veranlaßt sehen, auf eine Verbindung mit Ihnen zu verzichten an- Gründen, an welche man jetzt nicht denkt. Ich bitte Sic deshalb dringend, Herr Boron, wenigstens die Formalitäten des Testaments zu befolgen und an dem Tage, an welchem Sie da« vier und zwanzigste Lebensjahr vollenden, also am 24. August dS. IS., es sind noch fast vier Monate bis da bin; die mit der Comtesse bestimmte Zusammenkunft in Sch oß Kronburg innezu- halten."
„Es wird mir schwer werden, ein diesbezügliches Versprechen abzugeben, denn eine Zusammenkunft mit der Comtesse widerstrebt mir im hohen Maße, bemerkte Baron Lindberg und machte eine abwehrende Bewegung.
„Aber bedenken Sie doch, was bei einer solchen Begegnung für Sie auf dem Spiele steht, lieber junger Herr!" rief der alte Schloßvermaltcr im beschwörenden Tone. „Man schätzt den Wert der gräflich lindberg- schcn Güter nach Millionen. Zweifellos ist Comtesse Bertha auch eine hochgebildete Dame, sie ist ferner Ihre Cousine, Herr Baron. Auch wäre es wohl nicht recht, den wohlgemeinten Wunsch des verstorbenen Grafen Lindberg-Kronstedt zu mißachten und die Zusammenkunft mit der Comtesse zu meiden.
Die Comtrsse kann Ihnen viel bester gefallen als Sie jetzt nach fünfzehn Jahren annehmen zu müssen glauben."
„Sie wird mir als Gemahlin nie gefallen I" stieß der Baron heftig hervor, „dazu fehlen alle Voraussetzungen."
„O, die Comtesse ist eine stattliche Dame, man rühmt noch immer ihre Schönheit, obwohl ihre ersten Jugendjahre dahin sind," entgegnete Werner. „Dann bedenken Sie doch, Herr Baron, daß die arme Comteß durch das Testament auch gebunden ist, daß Sie vielleicht schon längst vermählt wäre, wenn sie sich nicht genötigt gesehen hätte, den Willen Ihres Vaters zu befolgen."
„O, meinetwegen brauchte sie nicht zu warten, ich hätte sie schon vor Jahren frei gegeben," bemerkte der Baron bissig.
„Aber dann wäre ja die Testamentsklausel nicht erfüllt. Erwäge» Sie doch, Herr Baron, daß dasjOpfer in dieser heikeln Angelegenheit nur von der Comtesse gebracht wurde, sie wartete geduldig lange Jahre, dis der Herr Vetter sich darüber entscheiden kann, ob er geneigt ist, den Willen des verstorbenen Vaters zu erfüllen, während Ihnen, Herr Baron, diese Angelegenheit bisher gar keine Beschwerde bereitet hat. Ich glaube, man darf fest Mitleid mit der Comtesse haben, und Sie dürfe» dieselbe keinesfalls an dem für die Begegnung bestimmten Tage rücksichtslos behandeln."
„Nun ja, die Comtesse ist eben ein Opfer der HauSpolitik, i»ie sie in vielen adeligen Familien üblich sti. Ich soll sie heiraten, weil ich zufällig der einzige Lindberg bin, und da ich vier Jahre später auf die Welt kam als die Comtesse, nun so mußte sie eben io lange warten, bi« man mir eine Entscheidung darüber, ob ich sie heiraten möchte oder nicht, zumuten konnte. Aber ich will d>e Cvmt-sse nicht als G mahlin heimführen und dadurch ist die Angelegenheit eigentlich für mich abgeihan."
„Sie müssen aber dennoch unbedingt in die Begnung mit der Comteß willigen," bat der Schloßverwalter, „denn es steht für Sie dabei doch schließlich sehr viel auf dem Spiele. Die Comteß kann Jdnen doch gesotten, Sie können Ihren Sinn ändern."
„Niemals!"
„Nun, so kann vielleicht der Fall ein- treten daß die Comteß, der es i» ihren Jahren daran gelegen sein muß, die Fessel de« Testaments loszuwcrden, freiwillig darauf verzichtet, Ihre Gemahlin zu werden, und dann fiele Ihnen die Hälfte der gräflichen Erbschaft zu, Herr Baron. Sie könnten sich dann mit Ihren Gläubigern b quem abfin- den, und das schöne Schloß, die herrlichen Wälder, die umliegenden Gütern u. Fabriken, kurz Alles, wa« Sie von Ihrem seligen Vater ererbten, behalten."
„Nun, meinetwegen, so will ich die bestimmte Begegnung mit der Comteß inne- haltcn," erwiderte der Baron lächelnd. „Wir können es ja geduldig abwarten, was die Zusammenkunft mit dem stolzen und reichen Fräulein Werlha, geborenen Gräfin Lindberg- Kronstedt, ergiebt. Erinnern Sie mich aber an die Begegnung, lieber Werner, sonst könnte ich dieselbe vergessen. So, nun ist diese Angelegenheit erledigt, und meinen Gläubigern will ich schreiben, daß sie sich noch sechs Monate in Geduld fassen sollen, da ich eine reiche Heirat in Aussicht hätte,
wenn eS auch nicht gerade die Wahrheit ist."
„Es ist aber auch keine Lüge, Herr Baron, denn daß Sie die reiche Partie machen können, das steht im Testamente des hoch- sMigen Grafen von Lindberg-Kronstedt," sagte der Schloßverwalter.
„Aber wenn ich das Fräulein nicht heiraten will und sie mich schließlich auch nicht, so kann es doch nicht aus der Partie werden," rief lachend der eigenwillige Baron.
«Ich hoffe ober trotzdem, daß Sie die Tcstamentsbestimmung erfüllen und pünktlich am 24. August zur Begegnung mit Com» tstse Bertha im Schloß Kronburg eintrcffen werden," erwiderte der alte Schloßverwalter im bittenden Tone. „Was befehlen für heute der Herr Baron?" frug er dann diensteifrig.
„Lieber Werner, fertigen Sie vor allen Dingen den zudringlichen Herrn Leonhard, wenn er wieder kommt, in der verabredeten Weise ab. Sagen Sie ihm in meinem Namen, daß ich zu diesem Gebote in den Verkauf meiner Besitzungen nicht willige, oder melden Sie ihm lieber gleich, daß ich jetzt überhaupt keine Lust zum Verkaufe hätte, damit wir den widerwärtigen Menschen lo« werden."
„So ist es recht, Herr Baron! Ich werde den Auftrag besten« auSführcn," rief freudig der alte Werner und ging mit einer Verbeugung aus dem Zimmer.
Baron Lindberg setzte sich sodann an den Schreibtisch, erbrach mit leise zitternden Händen die fatalen Zuschriften mehrerer seiner Gläubiger und la« dann auch mehrere unangenehme Briefe von seinen Rechtsanwälten. Der gefährliche Zustand feiner Vermögensverhältnisse wurde dadurch dem jungen Baron wieder so lebhaft vor die Augen geführt, daß er vom Schreibtisch anssprang und erregt im Zimmer hin und her lief.
„Kein AuSweg ist vorhanden, kein wirklicher AuSweg, sondern nur eine Galgenfrist," murmelten dann seine bebenden Lippen, „aber ich muß um dieselben nachsuche», um vielleicht durch einen besonderen Glücksnmstand vor dem Bankerotte gereuet zu werden. Ich werte den Rallchtägen des alten Werner folgen, er ist ein uneigennütziger, treuer Mann."
Dann setzte sich Baron Lindberg wieder an den Schreibtisch und schrieb an seine Rechtsanwälte einige Briefe, in welchen er denselben den dringenden Wunsch aussprach, daß seine Gläubiger, deren Forderungen durch die vorhandenen großen Besitzungen gedeckt seien, ihm eine Zahlungsfrist von sechs Monaten bewilligen möchten, da er Hoffnung habe, bis dahin durch eine reiche Partie die drängendsten seiner Gläubiger zu befriedigen.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes-
Heiteres aus der Schule. Professor: Hören Sie, wenn Sie nicht riechen wie eS hier stinkt, dann muß Ihre Nase doch mit Blindheit geschlagen sein! — Lehrer: „Woher bekommen wir die Austern?" Schüler: „AuS Australien I"
.'. (Selbstvcrrat.) „Du wirst e« mir gewiß nicht glauben, teuere Laura, aber ich versichere Dir, daß ich noch nie geliebt habe I" — „Ich glaub' eS Dir, Eduard — ich Hab' eS gleich am ersten Kuß gemerkt I"
BtrarUirrrtlichcr Redakteur: Bernhard Hoswan n.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wi'dbad.