Rundschau.

Stuttgart, 18. Dez. Vom I. Januar n. I. sb werden im Postortsverkehr Würt­tembergs Briefe und Postkarten zu 3 Pfg. befördert, Drucksachen von 2 Pfennig an, Packete und Wertbriefe von 15 Pfennig; im Landbrief- und Zehnkilometer-Verkehr Briefe zu 5 Pfennig, Packete und Wertbriefe von 15 Pfennige» sb. Die Verordnung, die noch eine Menge Preisermäßigungen euchäli, bedeutet eine außerordentliche Förderung des Verkehrswesens.

Stuttgart, 20. Dez. Die Handels und Gewerb-'kammcr sprach sich mit 11 gegen 4 Stimme» gegen eine Börscnstcuer aus und mit 14 gegen eine Stimme gegen die Fracht­brief- und Quiltungssteuer.

Stuttgart, 20. Dez. Heute Nacht wurde auf dem hiesigen Bahnhof ein lediger An- kupplcr namens Kaiser von einer Maschine überfahren wodurch ihm beide Füße abge­fahren wurden. Derselbe scheint auf den SchienenHansgeglitten zu sein. Er starb auf dem Transport nach dem Spital.

Gelegentlich eines Eisenbahnunfalles war einem Reisenden eine Brieftasche mit 700 ^ in Papiergeld, welche er auf der Fahrt in der inneren Rocktasche bei sich ge­tragen hatte, abhanden gekommen. Das Oder­landesgericht hat entschieden, daß die Eisen­bahn zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei. Die Ersatzpflichl folge aus dem TranS. portvertiage, den der Reitende mit der Bahn- Verwaltung durch Lösung der Fah, kaue abge­schlossen habe.

Horb, l8. Dez. Welch gefährliches und halSdrecherisches Geschäft das Brechen von Tannenzapfen ist, hat sich heute wieder ge­zeigt. Drei Männer von Salzstetlcn waren diesen Morgen mit Tannenzapfenbrechcn be­schäftigt. Um nun das mühsame und be­schwerliche Auf- und Absteigen zu erspare», faßten sie die Neste der nächststehenden Tanne und schwangen sich, Eichhörnchen gleich, hin­über; aber sie erreichten ihren Zweck nicht, sondern stürzten hoch herab zu Boden; einer war sofort tot, die beiden andern liege» lebens­gefährlich verletzt darnieder.

Es ist nunmehr auch gelungen, den Rädelsführer der in Mainz, Wiesbaden und Bischofsheim verhaften« Fatschmünzer­bande zu ermittetn, und zwar in der Person eines von der SlaatSanwailschast zu Frank­furt a. M. steckbrieflich verfolgten Schreiners, des Anarchisten »nd Falschmünzers Rnpperl aus HammUvoch. Er wurde mit den drei Falschmünzern in Bffchossheim vee haftet, nannte sich aber damals Vernarb, und erst die Untersuchung ergab, daß uMN des berüch­tigten Rupperl habhaft geworden war. Die Hauptverhandlung gegen sämtliche Angeschul- dig'.e, etwa neun Personen, wird in Wies­baden statiflnden, da auch dort die Fabrika­tion dcS falschen Geldes stattgefunden hat.

Berlin, 20. Dez. Zum Neujahrsempsang beim Kaiser werden auch diesmal wieder sämtliche kommandierende» Generale in Ber­lin erscheinen; mit de» beiden bayerischen kommandierenden Generalen dürfte auch Prinz Leopold, Generalinspekior dr 4. Armee-In­spektion, nach Berlin kommen.

In Berlin ist der Bankbeamte Bar- ien verhaftet worden wegen Unterschlagung von 36,000 ^, die für den Bau eines katholischen Waisenhauses gesammelt und ihm zur Verwaltung anvertraut worden waren.

Die Erzieherin in der Familie des

Bankiers Friedländer in Berlin, die bei der Öffnung des au Friedländer gelangte» Pakets mit Explosivstoff verwundet wurde, erhielt einen Brief, worin eine ähnliche Sendung an Friedländer in Aussicht gestellt wird. Die Erzieherin wird vor Oeffnung der Pakete gewarnt.

Emin Paschas Tochter Ferida sowie dessen Schwester Melanie Schnitzer siedeln von Reifs nach Berlin über, wie es heißt, auf Wunsch des Kaisers, der sich für die Erziehung des Kindes interessiert.

München, 15. Dez. Seine Kgl. Hoheit der Prinzregent beging heute sein 50jähcigeS Jubiläum als bayeriscver G-neral. Er wurde am 15. Dez 1843 zum Generalmajor und Kommandeur der 1. Arlillerubrigade er­nannt.

In Kölllgsbsrg i. Pr. hat ein Lehr­ling eiinS bedeutenden Bankgeschäfts einen Einschreibbrief, der die Summe von 11,000 Mark in Kassenscheine» und Wertpapieren enthielt, unterschlagen und ist flüchtig ge­worden. Auf seine Ergreifung und die Her- bcischaffung des größeren Teils des unter­schlagenen Geldes ist eine Belohnung von 300 ^ a»saestzt.

Der Ritt auf dem Bullen. Eine harte Strafe hat den 16jährigen Sohn eines Gutsbesitzers im ostpreußischeu Kreise Fisch- Hausen gelrofsn, der in jugendlichem Ueber- mnt sich anheischig gemacht hatte, auf dem Rücken eines jungen bösartigen Stiers bis znm Nachbar zu reiten. Trotz aller War­nungen wurde das unvernünftige Vorhaben ausgesührt, und zwar während der Tränk­ung der Vieheerde am Gulsleiche. Kaum hatte sich der verwegene Reiter auf den Rücken des Stieres geschwungen und sich im Genick desselben festgehattcn, als bas Tier uitter wütendem Brüllen nicht de» Weg zum Nachbar, sondern im sausende» Galopp direkt nach der offenen Gntsscheune nahm, gefolgt von der ganzen Wchheerde. Hier geriet das wütende Tier zwischen Wagen, Pflüge und Eggen und an den spitzen, eisernen Zmke» der letzteren erhielt nicht nur der Slier er­hebliche Verletzungen, sondern auch der Reiter; letzterem gelang es abzuspringen, er kam aber hiebei zu Fall, und nun wurden ihm vom Slier durch einen einzigen Hoi »stoß zwei Rippen gebrochen und nicht unbedeutende Verletzungen am Kopfe beigebracht. Sämt­liche Personen des Gutshofes hatten zu thun, um den jungen Mann aus seiner lebensge­fährlichen Lage zu befreien.

Im Felde von Grav-Rheindorf bei Bonn wurde die Leiche einer stattlichen Frauensperson an einem Ziegeleien aufge­funden. Die Person war am Abend vor­her in Begleitung zweier junger Bursche» von hier gewesen, welche sie mißhandelt haben sollen. Die beiden Verdächtigen sind bereits verhaftet.

Das Strafgericht in Hamburg ver­urteilte den 17jährigen Bäckerlehrling, welcher am 8. Oktober ein 6jährigeS Mädchen in einen unbewohnten Keller gelockt hat, daselbst ein Sittlichkiilsverbrechrn beging, dann das Kind erdrosselte und dessen Kops in das Wasser-Closet steckte, wegen Verbrechens ge­gen die Sittlichkeit und Totschlags zu 12 Jahren Gefängnis. Das Gericht nahm an, daß der Angeklagte im Affekt gehandelt und das Kind ohne die Absicht, es zu töten, ge­würgt habe.

Ein junger Spanier verlor in Monte

Carlo an einem Tage sein ganzes aus 150,000 Fr. bestehendes Vermögen. Aus Verzweiflung hierüber schnitt er sich die Puls­ader» durch und stürzte sich dann zum Fen­ster des Gasthauses hinaus. Der Unglück­liche hinterläßi drei kleine Kinder.

Der Generalgouvirneur der Philip­pinen telegraphiert nach Madrid, daß ein heftiger Brand in Santa Cruz de la Laguna 6000 meistens von Chinesen bewohnte Häu­ser zerstört hat. Der Schaden wird auf 'it Million Pesos berechnet.

Ungeheures Aufsehen erregt die Ver­haftung eines bekannten MalerS in Buda­pest, dessen Bilder in der Budapest» Aus­stellung sich befinden. Derselbe wird be­schuldigt, das Haupt einer Bankotenfälscher­bande zu sein.

In dem Orte Rakonitz bei Prag wurde das HauS des Advokaten Dr. Wolf durch eine Dynamitexplosion vollständig zer­stört. Die Mauer» zerriss, n, Thüren und Fenster wurden herausgehoben; auch dir Nachbarhäuser sind furchtbar zugerichtet wor­den. Dr. Wolf, sowie dessen Fra» und 2 Töchter wurden in ihrer Wohnung ohn­mächtig ausgcfunden, jedoch unbeschädigt. Dr. Wolf erzählte, daß er nach dem Nachtmahl Brandgeruch verspührt habe; unmittelbar darauf sei eine furchtbare Explosion erfolgt. Da aus einem dortigen Puiverschleiß 32 Kilogramm Dynamit gestohlen worden sind nimmt man ein anarchistisches Attentat an. Die Aufregung der Bevölkerung ist groß; die Untersuchung ist anacoidnet.

Der Abg. von -Paris, Berger wurde gestern telephonisch benachrichtigt, daß man ihn samt seinem Hause demnächst aus dem Grunde in die Lust fliegen lassen werde, weil er in der Kommission, die über die Vorlage der Explosivstoffe beriet, den Vor­sitz geführt habe.

In Prag stürzte am Freitag abend ein Neubau ein, in welchem 42 Arbeiter be­schäftigt waren. Von denselben konnte sich nur ein Teil retten, sechs wurden schwer ver­letzt aus dem Schutte hervvrgezogcn, acht blieben tot.

In Tourcoing (Departement Nord) ist die große Seidenspinnerei Jos. und Ludowc Legrand abgebrannt. 200 Arbeiter werden dadurch brotlos. Der Schaden beträgt über 500,000 Franken.

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(Seltsame Wette.) Zwei Bauern im Schurwatd hatten jüngst miteinander einen eigentümlichen Handel, wegen dessen sie jetzt in einen Prozeß verwickelt sind. Der eine hielt sich für so reich und unterschätzte de» andern in seinen Vermögensverhältnissen der­art, daß er eine Wette einging, er besitze auf seinem Grundstücke so viel Bäume, ats jener Pfennige im Vermögen habe. Diese Wette wurde schriftlich in Gegenwart von 5 Zeugen festgesetzt. Und was war das Ergebnis? Der erste Bauer verlor, da er hätte mehr als 4 Millionen Bäume auf seinem Gute haben müssen, nachdem konstatiert war, daß der andere ein Vermögen von 4 Millionen Pfennigen oder 40,000 besaß. Da der Verlierende nun trotz der Abmachung die verpflichtete Abgabe seines Baumgntes ver­weigerte , ließ der Gewinner jüngst durch einen hiesige» Rechtsanwalt Klage auf Heraus­gabe des Objekts erheben. Auf den Aus­gang de« Prozesses ist man natürlich ge- ^ spannt.