Rundschau.

Se. Maj. der König hat auf baS Um- geldkommiffariat in Calw den Umgeldskom- nnssär Huber in Oberndsrs seinem Ansuchen gemäß versetzt.

Stuttgart, 5. Dez. S. M. der König mußte infolge eines leichten Jnfluenza-An- falleS in den letzten Tagen das Belt hüte»; sein Befinden ist jetzt besser.

Stuttgart, 6. Dez. Der Herr Staats­minister des Innern v. S ch m i d ist heute abend 6 Uhr gestorben. Zu der nervösen Influenza war seil einigen Tagen eine Unter- leibsentzünbung getreten, welche besten raschen Tod herbeisührte. Der Verstorbene, welcher ein Alter von 61 Jahren erreichte, wurde im Jahre 1887 nach dem Tod des Ministers ». Hölder z» dessen Nachfolger ernannt.

Ludwigsburg, 5 Dez. In unserem Be­zirk grassieren die Influenza und die Kinder­krankheiten, wie Diphthentis und Keuchhusten, in erschreckender Weise. Unsere Stadt selbst blieb von diesen Krankheiten bis jetzt ziem­lich verschont.

Jlsscld, 5. Dez. Die Diphteritis tritt gegenwärtig bei unserer Kinderwelt so stark auf, daß nahezu täglich Beerdigungen statt- ftnden.

Murrhardt, 5. Dez. Durch einen bis jetzt in seinen Einzelheiten noch nicht aufge­klärten Schwindel wurde die hiesige Post­kaste um 850 ^ erleichtert. Ei» ordent­lich gekleideter fremder Herr gab vor einigen Tagen von hier aus eine Postnachnahme nach Berlin auf und erhielt auch bald von dort eine ordnungsmäßig mit allen Stempeln und Einträgen ausgcfertigte Postanweisung, die dem sich durch Papiere auswelsenden Adressaten anstandslos auSbezahlt wurde. Noch kurzer Zeit kam aber die Nachnahme uneingelist Von Berlin zurück, wodurch der Betrug unzweifelhaft erwiesen war. Als sicher ist anzunehmen, daß Stempel und Einträge der mitEhrlich" Unterzeichneten Postanweisung gefälscht sind. Vielleicht hat man eS hier mit einem organisierten Kom­plott zu thun. Möge es gelingen, bald Licht in die Sache zu bringen!

Altensteig, 29. Nov. Der gestrige Vieh­markt war gut befahren. Man sah daraus, daß doch noch ziemlich Vieh, besonders in den Hinteren Waldorten, steht, aber auch, daß der Viehbesitzer, trotzdem er seinen Vieh­stand längst reduziert hat, denselben wegen der Futternot noch mehr vermindern muß Der Handel ging flau und die Preise gingen wieder etwas zurück, vor allem bei Einftell- vieh; aber auch Feltvieh wurde wieder ge­ringer bezahlt; es fehlten auf dem Markte einige größere Händler Auf dem Schweine­markt ging der Handel lebhaft bei guten Preisen. ES waren viele Tiere, meist bessere Ware, aufgestelll und wurde fast alles ver­kauft. Milchschweine kosteten 18 bis 30 Mark pro Paar, Läuferschweine 35 bis 80 Mark Die Einnahmen auf dem Krämer­markt, in den Kaufläden und Wirtshäusern waren geringer. Man merkte allenthalben die Futternot und deren Folgen, die Geld­klemme.

Oberndorf, 2. Dez. In der Umgegend treten seit einiger Zeit Kinderkrankheiten, wie Scharlach, Masern, Röteln und Diphlhe- rit'S, in epidemischer Weise auf. In Trich- tingen starb an letzterer Krankheit eine große Anzahl von Kindern unter acht Jahren, davon vier aus einem einem einzigen Hause;

aus einem zweiten Hause wurden kurz nach­einander zwei blühende Kinder weggerafft. Das Echarlachfieber ergreift vorzüglich Leute von 1620 Jahren.

In der Sonntagsnacht wurde auf dem Lautenbacher Hof ein sehr wertvolles Pferd samt Geschirr aus dem Srall ent­wendet. Der Dieb nahm mit dem Pferd seinen Weg über O-dheim, lud einen an der Straße stehenden, mit Zuckerrüben be­ladenen Wagen ab und fuhr mit dem leeren Wagen davon, nachdem er noch vorher in der Krone in Oedheim gezecht hatte. Am Montag früh 2 Uhr wurde das Gefährt von dem Nachtwächter in Neuenstadt angehalten, weil cs nicht beleuchtet war, wobei der Fuhr­mann angab, er komme vy» Neckarsnlm und fahre nach Oebringen. Vormittags wurde der Dieb in Ohrnberg eingeholt und festge­nommen. Pferd und Wagen waren noch in seinem Besitz.

In Elberfeld wurden die vier Kinder des Fabrikarbeiters Kart Dresen durch Koh- lenoxydgaS getönt. Der Vater war in der Fabrik, die Mutter auf einem Ausgang.

Pforzheim, 5. Dez. Der LandtsgSabge- ordnete für Pforzheim, Hr. Hermann Gesell hat sich in Folge der Vorgänge bei den Wahlen zur Handelskammer, bewogen ge­fühlt, sein Mandat als Abgeordneter der 2. Kammer niederzulegen.

Nürnberg, 4. Dez. Der Bauer Konrad Eisenmeier von Haag wurde vom mittel- fränkischen Schwurgericht wegen Mords und Mordversuchs zum Tode verurteilt. Er hatte bekanntlich seine Schwägerin, die Frau des Schmieds Bickel von Berolzheim, er­schossen und deren Mann lebensgefährlich Verletzt.

Im Jrlacher Weiher bei Halfing (Oberbayern) ertranken vier Knaben, die sich zu früh aufs Eis gewagt hatten.

Dem Gatten in den Tod gefolgt. Einen schönen Tod hatte in dem spreewälder Dorfe Stotlhoff bei Lübbenau eine alte 80- jährige Frau. Ihr Mann, mit dem sie die lange Reihe ihrer Ehejahre friedlich und still verlebt hatte, war gestorben und die Leiche war aufgebahrt. Am Abend vor dem Begräbnistage sang nach der Sitte des Ortes der Lehrer mit den Schulkindern vor dem Trauerhause ein Totenlied. Während des Singens schlief die alle Fra» auf ihrem Bette still und ruhig ein. Als man nach Beendig­ung des Gesanges nach ihr sah, fand man, daß sie ihrem Gatten in den Tod gefolgt war.

Der Gastwirtssohn Dominik aus Beneschau, welcher nach dreitägiger Schwur­gerichtsverhandlung in Ratibor am Sonn­abend wegen Ermordung seiner Geliebten zum Tode verurteilt worden war, erhängte sich im Gefängnis.

DasHöchste" in der Löwendrestur wird aus Paris gemeldet: Der wiederher­gestellte Tierbändiger Marc und die Serpen- tintänzerin Bob Walter machten sich behufs Förderung eines wohlthätigen Zweckes er- bötig, mit ihrem LöwenCäsar" in einem Luftballon anfzusteigen.

Konstantinopel, 6. Dez. Innerhalb 2 Tagen wurden 107 Cholerafälle, darunter 27 tätliche, festgestellt.

Der schwarze Tod auf dem Meere. Wahrhaft haarsträubend lauten die Berichte der Mannschaft einer britischen BarkeMen- doza", die mit fünf Personen an Bord ge­scheitert ist. Während der Fahrt von der

afrikanischen Küste nach Barbados brach'an Bord derMendoza" die Cholera aus und der Kapitän war der Erste, der dem Tode zum Opfer fiel. Die Seuche griff immer mehr um sich und die Bemannung war von dem Schrecken geradezu gelähmt. Jeden Tag wurde ei» anderer Mann in die See gesenkt, ssdaß schließlich außer dem Kapitän noch elf L-ute der Bemannung, und zwar der Oberbootsmann, der Segelmeister, der Steuer­mann und alle geschulten Matrosen starben. Es bliebe» nur mehr fünf Leute an Bord, die jedoch der Schifffahrt vollkommen un­kundig und erst in Liverpool zu Handlangcr- und Schiffsjungendiensten ausgenommen wor­den waren. Diese fünf Personen trieben mehrere Wecken ziel- und steuerloö auf der See herum und waren bereits ohne jede Nahrung und ohne Feuer. Alles Material war ihnen ausgegangen. Eben berieten sie, wer sich zu opfern habe, um von den Anderen verzehrt zu werden, als sich ein heftiger Sturm erhob und die Barke an das Land trieb, wo sie scheiterte. Vom Hafen kamen Leute zu Hilfe und übergaben die Schiff», brüchigen einem nach Newyork verkehrenden Frachtschiffe, das die Leute nach Newyork brachte. Hier wurden die Geretteten dem britischen Konsul zur Beförderung in die Heimat übergeben.

Richter Lynch. In Ottumwa im nordamerikanischen Unionsstaate Iowa fanden vor dem Schwurgericht Verhandlungen gegen einen Mann statt, der angeklagt war, ein vierjähriges Mädchen mißhandelt zu haben. Der Gerichtshof war dicht besetzt. Der An­geklagte stand zitternd und furchtsam hinter den wenigen Gefängnisbeamten, deren Schutz er anzuflehen. Der Prozeß war im besten Gange, als plötzlich, wahrscheinlich auf ein gegebenes Zeichen, ein ungeheurer Lärm ent­stand. Das Publikum stürmte den Teil des Saales, der für den Gerichtshof bestimmt war, und Alles ging drunter und drüber. Die Richter, die Gefängniswächter und die wenigen Polizisten dachten vor Allem daran, sich selbst in Sicherheit zu bringen, und über­ließen den Angeklagten seinem Schicksal, Der Unglückliche, der noch nicht überführt war, wurde sofort ergriffen und gebunden. Die Mutter des mißhandelten Kindes brachte einen Strick herbei, der Vater machte eine Schlinge und warf sie um den HalS des Angeschuldigten. Darauf fpie ihm die Mut­ter ins Gesicht und schrie:Jetzt faßt an l" In einem Nu war das Opfer in die Höhe gezogen; dann wurde es an dem Gitter, das den Richtertisch vom Zuschsucrraurn trennt, aufgeknüpft. Das ganze Verfahren hatte drei Minuten gedauert.

Vermischtes.

Alter, aber zugkrästiger Schwindel. Sie werden nicht alle das zeigt wieder einmal ein Fall, der aus Halle gemeldet wird: In einem dortigen Blatte befand sich ein Inserat, durch welches ein Kind zur Atop- tierung ausgeboten und dabei neben einer einmaligen sofortigen Zahlung von 6000 Mark noch fortlaufende reichliche Vergütung in Aussicht gestellt wurde. Zur Rückant­wort sollten den Offerten 20 Pfennig in Marken beigefügt werden. Dieser doch reckt durchsichtige Schwindel hatte den Erfolg, daß auf dem Postamte in Halle (postlagernd) alsbald etwa neunhundert Briefe einliefen. Indessen hatte die betreffende Anzeige nicht