Lokale-.
Wildbad, 25. Nov. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich findet morsten Sonntag nachmittags halb 4 Uhr im „Gasthaus zur alten Ligde" eine große Volksversammlung statt. Die Tagesordnung, welche ohnedies schon das Interesse der Einwohnerschaft erregt, wird dazu beitragen dem Referenten Herrn Agster, welcher früher Apotheker in Wildbad war und welcher noch einen große« Freundeskreis hier hat, viele Zuhörer zu verschaffen. _
Rundschau.
— Se. Maj. der König hat dem Direktor der Stuttgarter Straßenbahnen Ernst Lipken in Stuttgart das Ritterkreuz I. Kt« des Friedrichsordens und dem Buchhalter und Kassier der Stuttgarter Straßenbahnen Karl Friedrich Horsch daselbst die Verdienstmedaille des Friedrichsordens verliehen.
— Das 25jährige Bestehen der Stuttgarter Straßenbahnen wmde letzten Samstag durch eine schöne Feier in hervorragender Weise begangen. An dem Banket in der Bahnhofrestauration nahm, außer sämtlichen Angestellten, H. Prinz Herrmann zu Sachsen-Weimar, der Staatsminister des Innern und Oberbürgermeister Rümelin, Graf Sche ler, Präsident Weizsäcker und noch mehrere höhere Beamte und Mitglieder des Aufsichtsrats teil. Ein Beweis dafür, welch' lebhaften Anteil S. M. der König an dem'Jubiläum genommen und wie er sein allerhöchstes Interesse für das so wichtige Verk-Hrsinstitut bekundet, ist, da der Landesherr den beiden ersten Beamten, dem Direktor Lipken und dem Kassier Horsch Oedeiisauszeichnnngen verliehen hat.
Liebenzell, 20. Nov. In der Nacht vergangenen Freilag auf Samsiag wurde im hiesigen Gasthof z Ochsen ei» Einbruchsdiebstahl verübt, beitem eine größere Summe Geldes entwendet worden ist. Ein nicht gut verschlossener F nsterladen des zu ebener Erde gelegenen Wirtschaftszimmers ermöglichte das Einsteigen des Diebes. Der Thal verdächtig sind zwei unbekannte Männer, die am Abend vorher in der Wirtschaft verkehrten und sich durch ihr Benehmen ausfällig machte». Möchte es gelingen, die frechen Räuber ausfindig zu machen!
Möhringen, 22. Nov. Der Bote Ruckh aus Waldenbuch, auf der Heimfahrt von Stuttgart begriffen, passierte gestern abend im hiesigen Ort an der Stelle, wo die Filder- bahn 4 Straßen durchkreuzt, die Linie in dem Augenblick, als der Zug 8 Uhr 44 Minuten Hohenheim—Degerloch mit voller Fahrgeschwindigkeit heranbrauste. Der Wagen wurde an den vorderen Rädern von der Maschine erfaß«, zertrümmert und auf die Seite geschleudert. Ruckh fiel durch den Anprall ans dem Wagen, ohne irgend welchen Schaden zu nehmen, und auch die beiden Pferde blieben ohne Beschädigung, da dieselben beim Zusammenstoß die Linie bereits überschritten hatten und die Deichsel abrissen. Den Boten trifft keine Schuld, da er weder den Zug noch die Signale desselben hörte.
— Von dem jugendlichen Raubmörder Diemer, der sich noch immer in Untersuchungshaft in Reutlingen befindet, wird noch bekannt, daß derselbe schon als Knabe seiner sehr achtbaren streng-katholischen Familie große Sorgen verursachte. Man halte ihn für den geistlichen Stand bestimmt; doch
mußte er hicfür bald als wenig geeignet erscheinen. Er wurde zur Auswanderung nach Amerika veranlaßt, von wo er j-doch bald wieder zurückkehrte. Unier seinen Sachen wurde ein Brief eines Angehörigen aufgefunden, worin er gebeten wird, er möge sich nicht an fremdem Eigentum vergreife» und ein besserer Mensch werden. Auch fand man bei ihm inen sog. „Knicker" vor. Seinen verstockten Sinn zeigteDicm-r auch nach dem Geständnis seiner grauenhaften That; selbst bei der Konfrontation mit der Leiche der bedauernswerten Frau Bertsch legte er keine Reue an den Tag. Auf die Frage des Amtsrichters, ob das die Frau sei, welche er erschlagen, antwortete er ruhig mit ja und verriet keine Spur innerer Erregung. Nachdem er von dem Geständnis weinend und schreiend in seiner Z lle auf- und abgegangen war und große Niedergeschlagenheit zeigte, ist er nun zu seinem leichtfertigen Benehmen wieder zurückgekehrt. Inzwischen hat sich leider das B> finden deS Bäckermeisters Bertsch sehr verschlimmert, so daß für sei» Aufkommen wenig Hoffnung besteht und wahrscheinlich dem ersten Opfer bald das zweite folgen wird.
UlM, 23. Nov. Die in Ulm für eine neue Artilleriekaserne zum Vorschlag gebrachten Bauplätze sind von der obersten Militärbehörde sämtlich abgeOhnt worden, woraus hier geschlossen wird, daß die neue Feldar- tillerie-Abteilung nach Cannstatt oder Stuttgart kommt.
Vom Bodensee, 18. Nov. EinZ schreckliches Drama hat sich, wie die Konst. Ztg. berichtet, gestern vormittag in Konstanz in der Familie des Vizefeldwebels Schlüter abgewickelt Als die Frau gegen 10 Uhr vom Wochenmarkl zurückkehrte, fand sie ihr einziges, einen */4 Jahre alten Knaben, tot im Badeznber, nur nick demHemdchen bekleidet. Ihr Mann halte das HauS verlassen —auf dem T>sä>e lag ein Brief, in welchem er schrieb, er habe das Kind gelötet und bitte wegen der grauenvollen Thal nm Verzeihung. Eine Krankheit, von der er keine Besserung erwarte, habe ihm die Lebenslust geraubt; er wolle in den Tod gehen und auch sein Kind mitnchmen. Der verhängnisvolle Brief wurde sogleich dem Regiment übergeben. Man forschte nach dem Verbleib des Unglücklichen und fand ihn um die Mlltag- stunde als Leiche im See. Schlüter war einer der tüchtigsten und beliebtesten Unteroffiziere im Regiment; von Mißmut «der Lebensüberdruß bemerkte man nie eine Spur au ihm. Die Ehe, in welcher er seit zwei Jahren lebte, war eine sehr glückliche. Besondere Krankheitserscheinungen waren bei ihm nicht wahrznnehmen. Gestern nacht, also kurz vor der That, hatte er mit seiner Frau noch an der Hockzeit eines Kameraden teilgensmmen, wobei er in bester Laune gewesen sein soll. Am 1. Dezember wollte er aus dem Militärdienst auSschndeu, da er diesen Sommer ein Examen für den Eisenbahndienst bestanden hatte und ihm in Frankfurt a. M. eine Stelle angeboten war.
— Der BundeSrat in Berlin hat an den Steuersätzen des Weinsteuergesetzes und auch an der Wertgrenze von 50 ,/A pro Hektoliter, von der ab die Besteuerung Antritt, trotz der bekannte Wünsche der süddeutscher Staaten nichts geändert, und cs liegt daher die Vermutung sehr nahe, daß die süddeutschen Staaten schließlich gegen den
ganzen Entwurf gestimmt haben, und baßer nur durch Majoritätsbeschluß angenommen worden ist.
— Im Tabaksteuergesttz betrogen die Nachsteuerersätze nunmehr für Zigarren 3 «/kl pro Mill-, Zigaretten 3,50 ^ pro Mille, Schnupftabak 24 «/kl, Rauchtabak 44 «/ü pro Kilogramm.
Berlin, 23. Nov. Die Gräfin Margarete Bismarck, ist heute in Schönhausen von einer Tochter entbunden worden.
— In dem Köln Hamburger Schnellzuge erschoß sich letzten Freitag nachmittag eine 18 —20jährige hübsche Dame. In ihren Händen hielt sie noch die Pholographie eines Offiziers. Auf der Station Recklinghausen hatte sie dem Schaffner einen Brief, welchen derselbe besorgen sollte, übergeben. Das Motiv zur That ist dem Anscheine nach unglückliche Liebe gewesen.
— Ans Natllior wird genieldet: In Neustadt ermordete der Schuhmacher Kra- wutsckke seinen zukünftigen Schwiegersohn, den Tischlergefellen Krause, durch Auffchlitzcn des Bauches.
— Ein Lanbgeistlicher Schlesiens erhielt vor einigen Tagen gegen Abend den Besuch einer als „Graue Schwester" (Klosterschwester) gekleideten Person. Dieselbe bat um Nachtherberge, die ihr-auch gewährt wurde, obgleich das Benehmen der „Schwester" von dem einer Klosterfrau sich sehr unterschied. Nachdem der Gast auf sein Zimmer geleitet war, schöpften die Hausgenossen Verdacht und ließen den am Orte stationierten Gendarme» herbeiholen. Man bemerkte nun durch eine kleine Oeffnung der Thür, daß die Schwester nach Aleguug ihrer Kopfbedeckung ein durchaus männliches Aussehen habe, drang ins Zimmer ein und nahm den Gauner, denn als solcher entpuppte sich die Person, fest. Da der betr. Geistliche als sehr reich in der Gegend bekannt ist, war jedenfalls ein nächtlicher Raub oder Ueberfall geplant.
Kiel, 21. Nov. Auf der Petroleuchf Barkasse der Kaiserjacht Hohenzollern fand' eine Explosion statt. Die Besatzung sprang über Bord und wurde gerettet.
— Die Königin Viktoria von England und Kaiserin Friedrich ließen einen gemeinschaftlichen Kranz mit der Aufschrift „Viktoria und Kaiserin Friedrich" am Sorge des Grafen von Hartenau niederlcgen.
Brüssel, 23. Nov. In Namur wurden der Generallieulenant Frommont und dessen Ordonnanz bei Bearbeitung von Explosivzündern in der Privatwohnung deS ersteren durch eine Exp osion furchtbar verstümmelt. Dem Generaüieutenant wurden das rechte Auge und vier Finger ausgerissen, der Bauch geöffnet und das Gesicht zerfetzt; der Ordonnanz wurden Hände, Gesicht und Brust zerrissen.
Wien, 2 l . Nov. Einzelne Blätter heben hervor, der russische Hof habe seine Abneigung gegen den verstorbenen Grafen Hartenau auch nach dessen Tode dadurch bewiesen, daß er trotz der nahen Verwandschaft bisher in keiner Weise sein Beileid geäußert habe.
— Zwei junge Franzosen, die im Begriff waren, das Nelson-Denkmal in Paris in die Luft zu sprengen, wurden von der durch einen Verschworenen benachricbtigteu Polizei verhaftet. Sie trugen eine Dynamit-Patrone bei sich, durch deren Explosion das Denkmal zerstört und die umliegenden Häuser schwer beschädigt worden wären. Unter