Rundschau.

Stuttgart, 10. Növbr. Die von dem türkischen Oberst Mehemed Faik Bey im Aufträge des Sultans hierher gebrachten 3 hervorragend schönen arabischen Pferde, 2 braune Hengste und 1 Stute, sind ein Ge­schenk des Sultans an Se. Maj. den König, als Erwicder für 2 arabische Wagenpferde, welche der König dem Sultan sandte. Die schönen Tiere wurden von zwei türkischen Kutschern aus Konstantinopel hieher begleitet und sollen dazu dienen, unsere berühmte arabische Pferdezucht auf den kgl. Gestüten zu erhalten.

Stuttgart, 13. Nov. Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnacht begiebt sich heute abend 6 Uhr 25 Min. nach Berlin zur Teil­nahme an der Eröffnung des Reichstags und den Sitzungen des Bundesrats.

Leonberg, 9. Nsv. Auf der hi-stgen Rübenstativn für die Zuckerfabrik Böblingen wurden diesen Herbst 22 000 Ztr. und auf der Station Ditzingen 75 000 Ztr. Rüben abgeliefert.

Reutlingen, 11. Nov. Bei der heutigen Landtagscrsatzwahl wurde Rechtsanwalt Payer von Stuttgart mit 1455 Stimmen gewählt. Gem.-Rat Rupp erhielt 864, der Sozialist Agster 106 Stimmen. Zersplittert sind 4. Payer ist somit gewählt.

Reutlingen, 12. Nov. Eine schauerliche, blutige Thal ist zwischen 12 und 1 Uhr in der vergangenen Nacht hier verübt worden. Bei Bäckermeister Bertsch, in der Nähe des Karlsplatzes, ist ein Raubmörder (man spricht auch von zweien) cingebrochen und versetzte dem im Bette liegenden Bäcker mit einem Beile fünf Streiche auf den Kops und seiner Frau ebenfalls einen wuchtigen Beilhieb. Beide sind so schwer verletzt, daß es sehr fraglich ist, ob sie mit dem Leben davonkom­me». Der Raubmörder erbrach die Geld­kasse und entwendete etwas mehr als 400 Mark. Näheres konnte bis jetzt nicht er­mittelt werden, weil die schwerverletzten Ehe­leute fast immer bewußtlos sind.

Reutlingen, 13. No«. Als des Raub. Mordes an dem Bertschschen Ehepaare ver­dächtig wurde nach dem S. M. ein bisher bei diesem bediensteter 20jLhriger Bäckerge­selle aus Neckarsulm festgenommen. Der­selbe leugnet zwar noch, jedoch wurde das geraubte Geld bei ihm vorgefnnden. Das Befinden der schwerverletzten Bertschschen Ehe­leute giebt wenig Hoffnung auf deren Wie­derherstellung.

Eglosheim bei Ludwigsburg, 10. Nov. Einem hiesigen Gutsbesitzer sind in den letz­ten Tagen drei wertvolle Kühe infolge Füt­terung von bereiftem Grünfuttcr nacheinander verendet. Beim Verfüttern von Grünfutter ist in dieser Zeit, wie man daraus sieht, größte Vorsicht auzuraten.

Weinsberg, 9. Nov. Gestern nachmittag ist beim AuStaden von 2 Eimer Wein auf hiesigem Bahnhof ein bedauerüches Mißge­schick passiert, indem beim Wegfahren des Fuhrwerks unter dem Krahncn dieser nicht beiseite geschoben wurde und infolgedessen der Haken das Faß packte und auf den Boden warf, wodurch der edle Saft die Erde tränkte.

Ravensburg, 10. Nov. Einen schönen Zug von HerzenSgüte und Leutseligkeit un­seres Königs erfährt die Raveusbnrger Ztg.: Bei seiner Teilnahme an der Kirchenein­weihung in Wangen am 19. Oktober d. I. halte das Königspaar im Hause des evange­

lischen Stadtpfarrers Fauser eine Stunde verweilt und sich von den Anstrengungen der Reise erholt. Gestern nun brachte ein schwä­bisches Blatt die Anzeige, daß der Pfarr- familie ei» Sohn geboren worden sei. Als­bald, gänzlich aus eigenem Antriebe sandte der König persönlich von Bebenhausen aus, wo er mit dem Kaiser der Jagd oblag, ein mit herzlichen Segenswünschen für Mutter und Kind begleileles Glückwunschtelegramm an den Siadlpfarrer, worin er sich zugleich in freundlicher Erinnerung an das Wangener Pfarrhaus und die nmgewcihte Kirche als Paten des Neugeborenen anbot.

Bei der Reichstagswahl für Donau- öschingen wurde Fürst Fürstenberg (Komp­romiß) glänzend gewählt.

Der Großherzvg von Baden hat seinen Bruder, den Prinzen Wilhelm zum Präsi­denten der l. Kammer ernannt. Diese That- sache wird in Baden viel besprochen, da Prinz Wilhelm bei einer früheren Reichstagskandi­datur im badischen Seekrns von den Staats­beamten nicht nur heftig, sondern geradezu in unwmdiger Weise bekämpft worden war, woraus dann eine mehrjährige Entfremdung zwischen dem Prinzen Wilhelm und dem Großherzog entstand, die erst bei einer späteren schweren Erkrankung des Großherzogs wieder ausgeglichen wurde.

Eine gewichtige Persönlichkeit ist ein siebzehnjähriger Riesenknabe, der sich gegen­wärtig auf der Karlsruher Messe zeigt. Er soll bei seiner Geburt schon 17'/-Pfund ge­wogen haben, und dies ansehnliche Gewicht hat er bis heute auf 400 gebracht. Der Körperumsang Jenös, so heißt der Knabe, welcher der Sohn ungarischer Bauersleute ist, beträgt 193, die Schultcrbreite 94 Ctm. Der Knabe ist geistig entwickelt, spricht deutsch und ungarisch und ist des Lesens und Schrei­bens vollständig mächtig, was allerdings bei einem derartigen Körpergewicht auch gehört.

Sicherem Vernehmen nach wird der Kaiser den Reichstag am Donnerstag den 18. d. M. persönlich lm Weißen Saale des Berliner Schlosses eröffnen. Nach der Er­öffnung findet sofort die erste Plenarsitzung statt. Die Wiederwahl des bisherigen Prä­sidiums ist zweifellos.

F>au Dachdeckermeister Auguste Settc- macher, Keibelstraße in Berlin, geriet durch einen glühenden Ofen in Flammen und ver­brannte bei lebendigem Leibe.

Ein zartfühlender Ehemann. Von außerordentlicher Rohheit zeugt ein Fall, der bei der Berliner Kriminalpolizei zur Anzeige gelangte. Ein verheirateter Kaufmann in Berlin, dessen Frau hoffnungslos krank liegt, hat feine Verlobung mit einem jungen Mäd­chen augezeigt. Bezeichnend ist, daß sowohl die Braut wie deren Eitern davon Kenntnis gehabt haben, daß derBräutigam" verhei­ratet ist und daß an die Schließung einer neuen Ehe erst nach dem Abteben seiner jetzigen Frau gedacht werden kann, deren Tod allerdings erwartet wird.

Der sozialdemokratischeVorwärts", der kürzlich erst einen sehr langjährigen Re­dakteure wegen groben Vertrauensmißbrauchs plötzlich entlassen mußte, hat soeben aus dem­selben Grunde seinen langjährigen Metteur davonjage» müssen. Man wußte schon lange in weiteren Kreisen, daß sich der häßliche Verrat im sozialdemokratischen Lager einge- nistet hat. Daß aber die Verräter in so kurzen Zwischenräumen gerade beimZen-

tralorgsn der sozialdemskr. Partei Deutsch­lands" entdeckt worden sind, muß den Führern doch zu denken geben- Wenn das bereits am grünen Holze vsrkommtl Allerdings haben die Sozialdemokraten, welche die jour­nalistische und parlamentarische Verwertung veruntreuter Aktenstücke zu einem ganzen System ausgebildet haben, am wenigsten Ur­sache, über die grassierende Untreue im eigenen Lager sichtlich entrüstet zu sein. Der be­treffende Metteur soll die ersten Abzüge jeder Nummer desVorwärts" dem Berliner Polizei-Präsidium heimlich zugestcllt haben.

Die Thal eines Mordgescllcn setzt die Bürgerschaft in Witten in Aufregung. Abends gegen 9 Uhr ist, wie dieKöln. Volksztg." meldet, der Brückenwärter Heinrich Rockholz, ein braver 50jährigcr Mann, in seinem Wär- terhäuScheu auf der großen Ruhrbrücke von einem 20jährigen Burschen niedergeschossen worden. Gegen 9 Uhr abends passierten 2 Burschen von Bommern kommend die Ruhr­brücke und schreiten, ohne den Brückenzoll zu zahlen, an dem Wärterhäuschen vorüber. Der Brückenwärter R. hatte sie fidoch bemerkt und rief sie an. Da läuft der eine Bursche zu­rück und giebt durch das Schiebcfensterchen auf den nichts ahnenden Wärter 2 Revolver­schüsse ab. Schwergelrofsen stürzt der Be­amte, beide Geschosse sind ihm in den Unter­leib gedrungen, nieder. Der Schwerver- wundete wurde in's Krankenhaus gebracht. Er ist ein braver Familienvater, hat den letz­ten Krieg mit durchkämpft, und hat für seine Tapferkeit daS eiserne Kreuz erhalten. Die Person des Thäters ist festgestellt.

Ein Kinder-Duell mit tötlichem Aus­gang. In Gent hat sich eine Affaipe zuge- tragen, bei welcher man thstsächlich nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. 2Jungen, beidezwölfjährig, gerieten miteinander in einen Streit, und nachdem die ersten Stadien der Schlacht, wie üblich, erledigt waren, nachdem man einander Ochs und Esel genannt und sich wahnsinnig zerzaust und zerschunden hatte, ergab sich Folgendes: Mit zerkratztem Ge­sicht und zerrissenen Kleidern vom Boren sich erhebend, schrie der Eine, der Besiegte, dem Anderen, dem davoneilenden Sieger nach: Du wirst uns Satisfaktion geben!" und als die Freunde des Geschlagenen mit in den Ruf einstimmten, schrie der Andere veracht­ungsvoll zurück:Jede beliebige Satisfak­tion l" Ein paar Stunden später, als man sich zum Nachmittagsunterrichte wieder in der Schule zusammenfand, trat auf ihn ein Bub zu, der ihn in ernster und geheimnis­voller Weise um ein kurzes Gehör bat und sich daun als Sekundant vorstellte, der die Mission habe, ihn im Namen seines Geg­ners zu fortern. Und der Geforderte nahm das Duell wirklich an, nominierte seinerseits einen Sekundanten und die Duellzeugen, beide ebenfalls 12 Jahre alt, vereinbarten darauf ein Pistolenduell. Ueber den Ort, wo der Zweikampf stattfinden sollte, war leicht eine Einigung getroffen; einer der Sekun­danten wußte nämlich einen Speicher im Genier Rathaus, der wenig benützt war und gerade in diesen Tagen ganz leer stand. Der Raum liegt in einem der stillen Höfe, weit von der Straße entfernt, so daß die Schüsse voraussichtlich von Niemanden gehört werden konnten ; auch war in dem Speicher Licht ge­nug, um ein bequemes Zielen zu erlauben . . . Tags darauf wurden nun aus den Taschengeldern dep beiden Gegner zwei Re-