Der berühmte Cellospieler.
Humoreske von P. Berthold.
Nachdruck verboten.
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Ich denke, eine halbe Reichsmark für den zweiten, und fünfundstebzig Pfennige für den ersten Platz werden den hiesigen Verhältnissen vollkommen angemessen sein" — der Bürgermeister nickte — „und damit ich die Cvnccrlbesucher der Mühe enthebe, erst sn der Casse ein Billet zu lösen, möchte ich den Vorschlag machen, daß irgend eine ver- trauenswertc und ortskundige Persönlichkeit sich der leichten Aufgabe unterzieht, die von mir schon fertiggestellten Billets bei den Honoratioren der Stadt und der Umgegend zu präsentieren; die Herrschaften brauchten sich dann einfach in die beigegebene Liste einzu- zeichne», wenn sie es nicht verziehen, dem Boten direkt den geringsügigen Betrag mitzugeben."
Herr Schnauzler erklärte sich mit Allem einverstanden und seine Vorliebe für den fremden Künstler wuchs noch um ein Beträchtliche-, als dieser einige viereckige Pappstück chen, welche die Inschrift aufwiesen: „Cello- Concert von Leonhard Kratzer, I. Platz," au« seiner Brustlasche zog und sie dem Bürgermeister mit den Worten eiuhändigte:
„Es ist selbstverständlich, Herr Bürgermeister, daß ich Sie nebst den werten Ihrigen ersuche, bei dem Conccrt mein Gast zu sein nud wollen Sie gütigst schon jetzt diese Billets entgegennehme» .... o, bitte, bitte, die Ehre ist ganz auf meiner Seite ... so, und wäre eS mir höchst angenehm, w-nn Sie mir noch Jemand bezeichnen könnten, der sich der Mühe de« AuStragens der Subskriptionsliste und der Billets unterzöge, natürlich gegen eine entsprechende Vergwung meinerseits."
,O, da wollen Sie sich nur an den Rats- diener Z>ppert wenden," rief der Bürgermeister, „Sie tristen ihn jetzt ganz sicher unten in der Ratskanzlei, der besorgt Ihnen Alles auf'S beste."
„Nun, da will ich diesen vortreffliche» Mann gleichaufsuche»," sagte Kratzer lächelnd, „da wir heute schon Donnerstag haben, so muß ich mich überhaupt mit meinen übrigen Vorkehrungen zu dem Concerl beeilen. Vielleicht habe ich heute Abend das Vergnügen, Cie, Herr Bürgermeister, im „Roten Löwen" zu treffen — ja? Schön — also einstweilen guten Morgen, Herr Bürgermeister!"
„Empfehle mich Ihnen, Herr Kratzer!" rief der Bürgermeister mit einer Verbeugung.
Die Thür? schloß sich wieder hinter dem fremden Künstler, Herr Schnauzler aber warf seine Rechnungen bei Seite und verließ ebenfalls das Amtszimmer, um nach dem „Roten Löwen" zu wandern und hier den gewohnten Frühtrunk einzunehmen, dessen Stunde gekommen war, vielleicht konnte man bei d'eser Gelegenheit noch etwas Näheres über den Interessanten Cellokünstler hören. Dem war jeroch nicht so, denn Herr M-Yer, der Wirt zum „Roten Löwen" konnte dem Bürgermeister auf d-ssen Befragen nur mit' teilen, daß der Fremde mit der Post von der nächsten, etwa eine Stunde von Rübenheim entfernten Eisenbahnstation eingetrosten war und einen kleinen, ziemlich abgenutzt au«sehenden, aber sehr schweren Koffer, sowie einen großen, leichten und fest vernagelte»
Holzkaste» — offenbar da« Behältnis, welches das Cello enthielt — mit sich geführt halte. Auf Wunsch waren dem Ankömmling die beiden besten Zimmer, über welche der „Rote Löwe" verfügte, eingeräumt worden und hatte derselbe erklärt, er würde jedenfalls einige Tage im „Löwen" wohnen bleiben. Nun gab der Bürgermeister seinerseits nähere Auskunft über den Fremden, der nach der Versicherung des Herrn Schnauzler einer der größten musikalischen Künstler der Gegenwart sein sollte und mit begreiflichem Interesse nahmen die zum Frühschoppen anwcscn den Stammgäste die Mitteilung des Bürgermeisters entgegen, daß dieser berühmte Mann sich einige Wochen in Rübenheim aufhalten und am nächsten Sonntag sogar ein Cello- Concert geben werde. Es führte dicS zu einer langen und angeregten Disputation an der Honoratiorentafel über das große in Aussicht stehende Ereignis, infolgedessen sich die „Fiühschoppen-Sitzung" fast über die Mittagszeit ausdehnte, und manchen ihrer Teilnehmer rettete diesmal nur die sensationelle Mitteilung von dem die Rübenheimer erwartenden musikalischen Hochgenuß vor der drohenden Strafpredigt der teuer» Gattin.
Die Kunde von der Ankunft des großen Cellovirtuoscn aus M. und von seinem Con- c. rtunternehmcn hatte sich mit Windeseile in Rübcnheim verbreitet, und da Jeder, der sich nur halbwegs mit zur „besseren Gesellschaft" rechnete, es für ausgemacht hielt, daß er von d-m Concerl nicht wegbleibeu dürfe, so beleckte sich die vom Natsdiencr Zippcrt fast von Haus zu Haus und auch in die benachbarten, sehr wohlhabenden Dörfer getragene Subscriptionsliste rasch mit Namen. Am Sonnabend Abend hielten Herr Kratzer und Zippert große Abrechnung, denn die gezeichneten Billets zu dem Cello-Conc>rt hatten gleich bezahlt werde» müssen, mit einander und da sämtliche Billets angebracht worden waren, so konnte Herr Kratzer auf ein in seiner Art glänzendes Geschäft zurückblicken, wofür auch der auf dem Tische liegende beträchtliche Haufen von allerlei Geldstücken zeugte. Nachdem Zippert für seine Bemühungen ein Zehn-Markstück erhalten und sich unter vielen Kratzfüßen aus den Zimmern des Künstlers, in denen das wichtige Geschäft d's Abrcchnens vor sich gegangen war, entfernt halte, raffte Kratzer die eingeheimsten Münzen zusammen und trug sie zum Wirt vom „Roten Löwen", mit der Bitte, dieselben doch gegen Gold oder Papiergeld einwechseln zu wollen, und da Herr Meyer in seinem Geschäfte kleinere Münze sehr wohl gebrauchen konnte, so entsprach er gern dem Ersuchen seines Gastes und letzterer steckte alsbald eine Anzahl von Kronen und Doppelkronen vergnügt jin seine recht schmächtig aussehende Börse.
Inzwischen war aber die Einwohnerschaft von Rübcnheim durch große Plakate, welche Herr Kratzer in der einzigen im Städtchen vorhandenen Druckerei hatte Herstellen lassen, noch ganz besonders auf den bevorstehenden Kunstgenuß aufmerksam gemacht worden. I» kolossalen Lettern wurde da dem verehrten Publikum von Rübcnheim und Umgegend verkündet, daß der KammermusikuS und Cellokünstler Kratzer aus M. am Sonntag, den 6. Juli, Nachmittags 4 Uhr im Saale des „Noten Löwen" ein CcUocorc rt unter gütiger
Mitwirkung des Rübenheimer Stadtorchesters veranstalten werde und am Schluffe der Ankündigung fehlte auch die Bemerkung nicht, daß Herr Leonhard Kratzer schon wiederholt die Ehre gehabt habe, sich sogar in höchste» Kreisen mit seinen musikalischen Vorträgen produciereu zu dürfen. (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
(Tausend Mark sür einen Kuß.) Dieser Tage saßen in einer Restauration des Dorfes P. bei Brandis mehrere Radfahrer aus Leipzig mit dem schmucken Wirtslöchter- chen in lustiger Stimmung beisammen. Unter den fröhlichen SpoNsgenossen befand sich ein Leipziger Rechtsanwalt, dem es das hübsche 19jährige Mädchen so angethan hatte, daß er ihr 1000 bot, wenn sie ihm einen Kuß geben und sein liebes Weid werden wollte. Eingedenk des Sprichworts : „Einen Kuß in Ehren, kann Niemand verwehren," besann sich die holde Maid nicht lange und spendete den verlangten Kuß, worauf denn auch der glückliche Empfänger seiner Verpflichtung nachkam und ihr mit den Worten : „Das Geld ist Dein und Du bist auf ewig mein," 1000 in Papiergeld in das zarte Händchen drückte. Beide umarmten sich nun und bei dem ersten Kusse ist es natürlich nicht geblieben. Die Verlobung ist geschlossen und nächstens wird Hochzeit sein.
.-. (Höchste Folglamkeit.) Frau A. (zu ihrer Freundin): „Nun, wie bist Du denn mit Deinem Töchlerchen zufrieden ?" — Frau B-: „O, meine Flora ist ein liebes Kind, und so folgsam I Ich brauche bloS zu rufen: „Flo —" nachher springt sie schon!"
.'. (Auch ein Erfolg ) A.: „WaS hast Du denn in Marienbad tags über gemacht?
— B.: „Skat gespielt mit Lehmann und Schulze." — — A.: „Schulze war auch da ^ Hat er denn abgcnommcn ?" — B.: „Ja! Mir das Geld!"
.-. (Aufmerksam.) Herr (bei einem Heiratsvermittler zu einer Dame): „Da ich nicht weiß, mein Fräulein, ob Sie blonde ober schwarze Haare vorziehen, bin ich h-ure noch niit einer Glatze gekommen. Bitte, bestimmen Sie die Farbe meiner Perrückei"
(Schwiegermutterideal.) „Wie, Du sagst in Deiner Schwiegermutter hättest Du ein Ideal gefunoen?" — „Jawohl. Auf die passen nämlich alle Witze, die bisher über Schwiegermütter gemacht wurden!"
(Koloffal-Ersolg.) A.: „Wird mir das Mittel gegen Taubheit auch helfen?"
— B.: „Das will ich meinen! Nach achttägigem Gebrauch macht Sie das Gehen einer
— Fliege nervös I"
.'. (Besondere Kennzeichen.) Bei der Musterung wird der Rekrut Zipfelhuber ge> fragt, ob er irgend ein besondercs Kennzeichen habe. „Ha," antwortete er, „da braucht man mich nur anzuschauen, ich bin doch nicht so unkenntlich I"
.'. (Beim Kasernenbesuch ) „Sind Sie zufrieden mit dem Essen?" — Zu Befehl, Herr General!" — Kriegt nicht zuweilen Einer 'ne kleine und ein Andrer 'ne große Portion?" — Nein, Herr General, wir kriegen alle kleine Portionen."
. . (Geistesgegenwart.) Schauspieler, welcher den „Wilhelm Tell" darstellt, als Geßler nicht erscheint: „Wie, sollte der den Weg durch die hohle Gasse verfehlt habe» ^ Da muß ich doch mal gleich Nachsehen !"
Druck und V?nag von Bernh. Hosmaun in Wldbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. H »smann.)