Rundschau.
— Das Amtsblatt des K. Ministeriums deS Innern in Stuttgart enthält eine Bekanntmachung des Ministeriums vom 13. Okt. folgenden Inhalts: „Mil Rücksicht auf die ausnahmslos gute Aufnahme der Truppe» während der diesjährigen Herbstübuugen hat der kommandierende Herr General^des XIII. (K. Wüctt.) Armeekorps das Ersuchen gestellt, den beteiligt gewesenen Behörden und Quar- liergebern seine» Dank zu übermitteln. Hievon wird den betreffenden Herren Obersmt- männern und Ortsvorstehern mit besonderer Befriedigung andurch Kenntnis gegeben. Kön. Ministerium des Innern. Sckmid."
— Zur Tötung des Elephanten „Peter" in NillS Tiergarten in Stuttgart trafen die ersten Besucher schon bald nach 1 Uhr am Dienstag ein. Peter stand im Zwinger mit dem rechten Vorderfuße an die Eisenstangen deS Zwingers gefesselt. Bald erschienen auch 3 Unteroffiziere von den Olgagreuadieren mit ihren kleinkatibrigen Gewehren. Herr Nill instruierte die Unteioffiziere aufs Genaueste, wie sie zu feuern hätten für den Fall, daß Peter nicht aus den ersten Schuß tödlich getroffen werden sollte. Zu diesem Zwecke zeichnete Hr. Nill über dem Auge des Peter einen Kreis mit einem Durchmesser von etwa 12 ona. Auf diesen Kreis, auf diesen Durchmesser sollte» die Unteroffiziere zielen. Peter war guter Laune, drückte aber sein Erstaunen über die geringen Spenden aus der zahlreichen Versammlung durch die gewohnten Trompetenrufe aus. ES mochten sich etwa 6—800 Personen versammelt haben, darunter auch einige Damen. (I) Zunächst stellte nun Hr. Nill den Todeskandidaten so wie er ihn zum Schüsse brauchen könnt. Dann trat er etwa 5—6 m rückwärts, legte sein Gewehr an, zielte einen Augenblick: ein Knall, Peter wankte und brach im gleichen Atemzuge tot zusammen. Die Wunde, welche das totbringende Geschoß machte, ist so klein, daß sie nur an dem ausströmenden Blut bemerkt werden konnte. Der tote Peter kommt auf die Anatomie der tierärztlichen Hochschule.
— Der Bau der sog. Umgehungsbahn vsnUntertürkhcim nach Kornwesitz ei m ist nun thatsächlich in Angriff genommen und wird, so weit es die Witter- nngsverhaltnisse erlauben, den ganze,, Winter hindurch eifrigst gefördert werden. Ein großartiges Bauwerk verspricht der Viadukt über das Neckarthal bei Münster zu werden. Der sehr lange Viadukt wird eine Höhe von 33 Meter erhalten; eine hölzerne Jnterims- brücke bei Münster soll zur Förderung des Viaduklbaucs dienen.
Von der badischen Grenze, 9. Nov. Der Stadlrat don Pforzheim har die Errichtung einer städtischen Zentrale für Elektrizität beschlossen, unter der Voraussetzung, daß die Benützung der zu schassenden Anstalt seitens der Gewerbetreibenden eine hinreichende ist. — Die durch den Handelskammersekrctär Dr. Nolte geschädigten Geschäftsleute beabsichtigen, die Pforzheimer Handelskammer für ihre Verluste haftbar zu machen.
Ulm, 9. Nov. Ein hiesiger Metzger hat den Veilust einer um 150 jangekauften Kalbet zu beklagen. Diese sollte gestern nachmittag von einem Lehrling in Donaurieden abgeholt werden, scheute aber auf dem Transport am unteren Kuhberg, riß ans u. schwamm durch die Donau an das bayerische Ufer.
l Der von einem anwesenden Schiffer über den ^Fluß gesetzte Lehrling fing sie wieder ein und brachte sie bis zum Neu-Ulmer Schießhaus, woselbst sie nicht mehr weiterzubringen war. Da nahte Hilfe in der Person eines anscheinenden Landmanns, der sich das Tier so lange zu bewahren erbot, bis der Meister des Lehrlings von diesem herbeigeholt sei. Der Lehrling ging auf den Leim und ließ den Mann mit dem Tiere zurück, der sodann mit letzterem auf und davon ging. Bis jetzt ist es nickt gelungen, etwas über den Verbleib des Mannes und der Kalbel zu ermitteln.
Biberach, 9. Nov. Laut amtlicher Benachrichtigung durch die K. Generaldirektion für Posten und Telegraphen hat der König unterm 1. ds. die Errichtung einer allgemeinen Telephon-Anstalt für hier genehmigt, was große Freude hervorruft. Die Ausführung dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Frankfurt, 10. Nov. Schwerer Unfall. Beim Einfahren in die Schleuse bei Raunheim ereignete sich gestern Nachmittag auf dem Schiffe „Helena Katharina" ein schwerer Unglücksfall. Der auf dem Schiffe befindliche Schiffer Gerhard PlemSken aus Homburg a. Rh. wollte das Drahtseil, woran das Schiff am Lande befestigt war, um den auf dem Schiff befindlichen Pfahl legen, geriet dabei aber mit dem linken Fuß in eine Schleife des Drahtseils, die sich zusammenzog und das linke Bei» Plemskens über dem Knöchel gänzlich durch- und abschnitt. Der Verunglückte wurde nach Anlegung eines Verbandes durch einen Arzt in Raunheim mit dem Zuge 4,54 Uhr in das hiesige städtische Krankenhaus verbracht.
— Eine Entscheidung des RcichSgerichtS. Kaust Jemand, ungeachtet seiner ihm bekannten Zahlungsfähigkeit, unter Verschweigung dieser Zahlungsunfähigkeit Waren auf Kredit, so ist er, nach einem Urteil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 19. Juni 1893, nur dann wegen Betrugs zu bestrafen, wenn die Thatumstände ergeben, daß er beim Kauf auch nicht einmal die Hoffnung besessen hat, er werde binnen angemessener Frist diese erforderlichen Mittel zur Befreiung seiner Lieferanten erlange».
Berlin. Ehrlich währt am längsten; Vor nunmehr ungefähr einem Jahre erschien an einem Sonntag morgen bei dem Tischlermeister L. ein ungefähr 25jähriger Mensch, ein Schlösser, welcher um einen Almosen ansprach. L., früher selbst auf der Wanderschaft gewesen und auch wissend, daß Hunger weh thut, gab dem Bittenden ein Geldstück — wie er glaubte, ein Zehnpfennigstück. Der Bettler steckte das Geldstück unbesehen ein und ging weiter. Als nun L. nach vielleicht einer halben Stunde einen Emkans machen wollte, mußte er zu seinem nicht geringen Schrecken die Wahrnehmung machen, daß er vorhin dem Bettler stall eines Zchnpfenmg- stückes ein Zwanzigmarkstück gegeben hatte. Der Tischlermeister glaubte natürlich nicht, daß der Bettler da« Zwanzigmarkstück wieder znrückbringen werde, und tröstete sich schon damit, es wenigstens, wie er glaubte, einem anständigen Menschen gegeben zu ha, den. Sein Erstaunen war aber dann um so größer, als sich um die Mittagsstunde der Bettler wieder meldete und das Goldstück, da hier wohl ein Versehen vorliege, wieder zurückbrachte. Ob dieser außergewöhnlichen Ehrlichkeit schenkte nunmehr L. dem schon
langen arbeitslos gewesenen Menschen daß Goldstück. Außerdem verschaffte er ihm bei seinem einige Häuser weiter wohnenden Schwager, dem Schlossermeister Schr. in der Wasserthorstraße Arbeit und schon nach kurzer Zeit batte sich der frühere Handwerksbursche zum Werkmeister empsrgearbeitet. In der nächsten Woche feiert derselbe mit der Tochter seines ehemaligen Wohlthäters, des Herrn L., Hockzeit. Ehrlich währt am längsten I
Santander, 9. Nov. Im Boden des Schiffes „Cabo Machichaco" wurden nvch 40 Kisten Dynamit unversehrt aufgefunden. Als die Behörden dieselben in Sicherheit bringe» wollten, bemächtigte sich ein Schrecken der Bevölkerung. 20 000 Personen flüchteten in das Freie, andere stürmten die abfahrenden Eifenbahnzüge. Im Gedränge kamen zahlreiche Verwundungen vor. Die Zahl der Toten, Verwundeten und Vermißten wird auf über 1000 geschätzt.
— Eine Zeitung für Blinde. In den „Times" macht ein Einsender auf die Existenz einer in Eitham, Grafschaft Kent, erscheinenden Zeitung für Blinde aufmerksam. Dieselbe heißt „Weekly Summary", ist mit Braille-Typen, jener Punktierschrift gedruckt, welche der französische Blindenlehrer Braille, der im dritten Lebensjahre erblindete, erfunden hat. Das Blati erscheint jeden Mittwoch und enthält eine Ucbersicht der Neuigkeiten der Woche, allgemeine, politische, Mustk- nachrichten rc., die verschiedenen Blättern mit Erlaubnis der beireffenden Redaktionen entnommen werden. Die Redaktion des „Weekly Summary" versieht ihre Arbeit ohne Entgelt und der Gewinn aus dem Unternehmen wird zur Vergrößerung des Blattes verwendet. Die Herausgeber sind eifrig bestrebt, die Verbreitung des Blattes zu fördern, um die Blinden für öfstl. Angelegcnh. zu interessieren.
Einen Geschäftsbrief mit einer Fülle unfreiwilligen Humors sandte kürzlich ein biederer ostpreußischer Viehzüchter an einen Fleischermeister in Königsberg. Das Schreiben lautet mit Beibehaltung aller orthographischen und stilistischen Lizenzen nach der Mitteilung der „Köln. A. Ztg." wörtlich folgendermaßen: „Da Sie Lieber Freund ein Schlechter sind, so habe ich mich einen Ochsen für Sie angekaufl, aus den wir woll handeln. Da ich nicht interessant bin und Sie so feines Gefühl haben, daß er so gut bei Leibe ist gesund wie meine übrige Familie, die bestens grüßen läßt. Unter 70Thalern kann ich mich aber von dem Vieh trennen und sollen sie für den Preis auf Michaeli noch zwei Ochsen in einem Briefe erhalten. Es siebt zwar noch andere Ochsen genug, die wohlfeiler sind, aber die sind keinen Schuß Pulver wert. Kürzlich sind auch Kälber fertig geworden. Meine fetten Hammel sind dies Jahr etwas mager, weil es in die große Trockenheit nicht gcregtnet hat. Noch bitte ich, ob ich in der Wurstzeit nicht eine Partie von ihren Gedärmen bekommen kann, denn ich gebe mich nicht mehr mit Schweinen ob. Schreiben Sie mir nur, ob die Ochsen noch früher kommen sollen als Michaeli kommt, dann mache ich mit Ihnen auf den Weg, soft bleiben Sie so lange bei mir auf ein ehrliches Gewissen in Fütterung, denn was ich nur so im Kopfe habe, sind an die 10 Fuder Haberstroh und ich habe mich auch anders tüchtig Dreschen lassen. Bis auf weitere Beantwwortung verbleibeich bi« »uf meine Ochsen der Ihrige."