Rundschau.
Stuttgart, 27 Oktvr. (Kaiserbefuch.) Wie anS Berlin gemeldet wird, bleibt es dabei, daß S> M. der Kaiser am 7. Nvv. zum Besuch S. M. des Königs in B>b>ii- Hausen eiulrifft, ohne daß Sluttgarl auf der Reise berührt wird. Im Gefolge des Kaisers werden 7 Kavaliere sillr, nämlich General V. Hahuke, Oberhofmarschall zu Eulenburg, der Ehef des Zivilkabinels Dr. v. Lucanus, Oberstabsarzt Dr. Leulhold, General von Plessen und zwei Flügeladjutanten.
Marieuwahl, 25. Okt. Ihre Majestät die Königin begab sich heute Mittag nebst Gefolge mitlels Sonderzugs nach Hall zum Besuche dortiger Wohllhätigkeitsanstalten. Bei der Ankunft daselbst wurde die Königin von der fürstl. Hohenlohe-Langenburgischen Familie beg.üßt und von Stadtschultheiß Helder und Bürgerausschußobmann Cloß namens der Stadt bewillkommt, während zwei Kind-r in der alten Haller Siedertracht Ihrer Majestät einen Blumenstrauß überreichten. Vom Bahnhof aus fuhr Ihre Majestät unter den Hochrufen der zahlreich versammelten Einwohnerschaft durch die reichbeflaggte Stadt noch dem Diakonissenhaus, wo der Vorstand, Pfarrer Faulhaber, die Königin erwartete. Ihre Majestät kehrte abends wieder mit Sondcrzug nach LudwigS- burg zurück.
— Se. Maj. der König hat den Hof- kammerpiäsidenten von Tscherning seinem Ansuchen gemäß in den Ruh stand versetzt und demselben in gnädigster Anerkennung der von ihm geleistete» treuen und ausgezeichneten Dienste das Großkreuz des Ordens der württ. Krone verliehen, sowie den Kabinelssekretär Geh. Leg.-Rat Frhrn. V. Herman zum Hof- kammerpräsidenien — mit dem Rang auf der 3. Stufe der Rangordnung — ernannt.
— Beim letzten Bundestag des Würit. Kriegerbundcs an Pfingsten d. I. in Eßlingen wurde ». A. beschlossen, das Kollegium des BundeSpräsidiums um 2 Mitglieder zu vermehre»; auch einen Beamte» (Bureau- Vorsteher) gegen besondere Belohnung anzustellen. Das Präsidium hat nun in letzter Sitzung als weitere Präsikialmitglieder mit der AmtSdaner bis zum Bundestag 1897 einstimmig Oberst!, a. D. Eiseumann und Hauptmann z D. v. Mauch und als Bureauvorsteher Stabssekrclär Knapp des Oberhof- marschallamls gewählt.
Heilbronn, 25. Okt. Eine moderne Xanthippe scheint eine im Käferflug hier wohnende Ehefrau zu sein, welche ihrem Manne bei einem ehelichen Zwist einen Hafen kochenden Wassers über den Kopf goß. Der Mann befindet sich infolge der erhaltenen
Brandwunden in ärztlicher Behandlung. Ob die Wiedergcnesung für die Frau ein Freudenfest wird, glauben wir kaum.
Heilbronn , 27. Oktober. In der hiesigen Zuckerfabrik fand gestern abend eine Staubexplosion statt, wodurch die Umfassungsmauern auseinandergedrückt wurden. Der
Schaden beläuft sich auf 2—3000 Der
Betrieb erleidet keine Unterbrechung. Ver
letzt ist niemand.
Kirchhcilll u. T, 25. Oktober. In der Papierfabrik von Schcuffele in Oberlenningen ist heute ein Brand ausgebrochen, der unter Umständen ganz gewaltige Dimensionen hätte annehmen können. Höchst wahrscheinlich durch Unvorsichtigkeit eines jungen Menschen, der mit dem Anzünden der Lampen beschäftigt
war, entstand in der Lumpensortiererei ein Feuer, das am Material sehr bedeutenden Schaden anrichtete, an den Gebäuden in geringerem Maße.
— Die Kassenschrank- und Schloßfabrik von I. Ostertag in Aalen ist auf der Weltausstellung in Chicago für die solide, exakte und gediegene Ausführung der ausgestellten Kassenschräuke und zugehörigen Sicherheils- u. Kombinativusschlösser preisgekrönt worden.
Tübingen, 20. Okt. Auf der Welt- Ausstellung in Chicago ist dem Mechaniker C. Erbe hi r für seine in der Abteilung für wissenschaftliche Instrumente ausgestellten Apparate ein Preis zuerkannt worden.
Ulm, 26 Oktober. Der vom hiesigen Schwurgericht kürzlich wegen Mords zum Tode verurteilte Maurer Johann Bahnmüller wurde von S. M. dem König zu einer 15jährigen Zuchthausstrafe begnadigt. Oberthenringen, 26. Okt. Der am 1.
Sept. v. I. zur Schutztruppe nach Ostafrika abgereiste Unteroffizier Jakob Klein von Rum- metShofen ist am 19. Sept. d. I. am Malariafieber gestorben.
Karlsruhe, 23. Okt. Amtlich wird mit- getcilt, daß durch die Polizei drei junge Mädchen aus Karlsruhe befreit worden sind, welche von gewissenlosen „Mädchenhändlern" mit dem Vorgehen, sie auf gute Stellen im Anslande zu bringen, nach Amsterdam gelockt worden waren und im Begriff standen, ihrem Verderben entgegenzugehen.
— Ein bisher unbekannt gebliebener Selbstmörder, der anscheinend den bemiltelten Kreisen angehört, wurde am Montag nachmittag von Arbeitern aus Schierstein bei Biebrich aus dem Rhein gezogen. Der etwa zwischen 30 und 40 Jahre alte Mann, der einen blonden Schnurrbart hatte und elegant gekleidet war, halte an der Hand außer einem Trauring einen kostbaren Reif mit Brillant. Seine Identität konnte noch nicht feslgestellt werden.
Mannheim, 26. Okt. Nach Erledigung sämtlicher Wahlproteste und Auslosung der Ersatzmänner besitzen die Nalwnalliberalcn 200, die Sozialisten 195 Wah'männer.
Berlin, 25. Okt. Keine Aufbesserung der Beamtengehälter I Von den Preßkuappe» des Herrn Miguel wird in den „Bcrl. Pol. Nachr." mitgelcilt, daß der Finanzminister alle Vorschläge für d-n nächsten Etat abgc- lehnt, welche direkt oder indirekt auf Verbesserung des Diensteinkommens von Beamtenstellen abzielen, ohne daß deren Ge- schäftSkreis sich ändert. Ferner sei die Errichtung neuer rtalsmäßiger Stellen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Ebenso erscheine j de Verstärkung von Remunerationen aus Dispositionsfonds ausgeschlossen.
Berlin, 25. Okt. In Kreisen, welche für unterrichtet gelten können, wird behauptet, die Finanzministerkonferenz habe sich prinzipiell für die Wcinstcuer ausgesprochen. Im Zusammenhänge damit wird behauptet, das Zentrum sei geneigt, die Weinsteuer zu bewilligen.
— In Berlin ist der Student Heinrich Menicke, Sohn des Postdireklors Menicke in Frankfurt a. M., ermordet worden. Seine Leiche wurde im Grunewald.gefunden. Die ursprüngliche Annahme, daß Selbstmord vorliege, gilt als ausgeschlossen. Die Polizei vermutet, daß Menicke, der relativ viel Geld bei sich hatte, von jungen Leuten, mit denen
er abends zusammen war, ermordet worden ist. Seine Begleiter konnten trotz angestrengter Nachforschungen nicht ermittelt werden.
— In der Nähe von Wildenfels bei Znrckau ist vor einigen Tagen ein Pulver- hanS, welches zu einem dortigen Kalkwerk gehört, erbrochen worden. Gestohlen wurden u. a. gegen 80 Kilogramm Dynamitpatroiien. Von den Dieben und dem Verbleib dieser gefährlichen Sprengstoffe fehlt bis jetzt jede Spur.
— Auf einem Tanzvergnügen in Nieder- Sickte (Braunschweig) in der Nacht zum Montag nahm der Maler Tournier den Säbel eines Husaren von der Wand und neckte die Tänzer und Tänzerinnen mit der blanken Waffe. Hierbei traf er unversehens einen ostpreußischen Dienstknccht in denOberschenkel, wobei die Schlagader verletzt wurde. Einige Stunden später starb der Mann an Verblutung.
— Der Schlächter seinen Weibes. Ein furchtbares Bild menschlicher Grausamkeit entrollte am Montag eine Verhandlung vor dem Schwurgericht in Münste. Des Gatten- mordes angeklagt war der frühere Metzger, jetzige Tagelöhner Anton Voß aus Ahlen. Der 44jährige Mann hat seine Frau, welche allgemein als arbeitsam geschildert wird, kalten Blutes, im wahren Sinne des Wortes, abgeschlachtet. Am 28. Juni d. I. holte Voß sich sein Schlachtmesscr und einen Schärfstahl. Am anderen Morgen paßte er feiner Frau auf, als sie zum Melken der Kühe auf eine bei Ahlen gelegene Weide kam, brachte ihr eine Stichwunde im Rücke» bei, verfolgte die Fliehende, riß sie zu Boden, bog ihr den Kopf, zurück und durchschallt ihr mit handwerksmäßiger G-wandtheit die Kehle. Das ist die Schilderung, welche die Augenzeugen von der entsetzlichen That entwerfen. Der Angeklagte ist nach den überstimmenden Aussagen der Zeugen ein Trinker und roher Mensch mit dem Niemand zu thun haben mochte; charakteristisch für ihn ist cs, daß er sich im Termine nicht entblötete, das Opfer seiner Brutalität durch die gemeinsten Verdächtigungen zu verunglimpfen. Der Spruch der Geschworenen lautete auf Schuldig, das Urteil auf Tod.
— Die Verzweiflungsthat eines Vaters. Ein Familiendrama hat sich in dem Dorfe Bufchow hKr. Westhavelland abgespielt. In einem EhescheidungSprozeß wurde am Mittwoch das Kind des Gastwirts Henning in Bufchow vom Kammergericht der Mutter zu- gefprochen, während die Vorinstanz es dem Vater zuerkannt halte. Schon auf der Heimreise von Berlin erklärte er seiner geschiedenen Frau, sie bekäme unter keinen Umständen den Knaben lebend in ihre Hände, lieber würde er sich und das Kind löten. Diese Drohung hat Hennig am Freitag zur Wahrheit gemacht. Unter dem Vorgeben Sand aus dem nahen Bolchow-Bruch holen zu wollen, begab er sich am Nachmittag mit seinem Knaben per Wagen in den Wald. Dort band er das Pferd an einen Baum und ging mit seinem Sohn tiefer ins Gehölz hinein, wo er denselben durch zwei Schüsse in den Kopf lölete. Hennig selber ist am Samstag Morgen als Leiche in einem Graben anfgefunden worden. Er hatte sich durch einen Schuß in den Mund gelölet und war dann in den Graben gestürzt.