Im Banne -es Men.
Novelle von C. Western.
Nachdruck verboten.
5.
Der Professor hatte sich am selbigen Tage nicht wieder in der Lindeu'schen Familie sehen lassen, doch war er früh heimgekommen und schien sich dann schlafen gelegt zu haben, wenigstens sah man unten kein Licht. In Wirklichkeit aber saß der Weiberverschler Ernst Pfeil im Kanapee und horchte auf Ruths Gesang, bis oben alles ruhig ward. Dann seufzte er über sein heutiges Mißgeschick der schönen Ruth gegenüber und beschloß, mit allen nur erdenklichen Mitteln ihre Gunst zu gewinnen und dann um ihre Hand zu werben.
III.
Hauptmann Edgar von Bach war erst vor kurzem aus dem Regiment einer Provinzialstadt, demselben in dem auch Oberst von Linden gedient, in die Garde der Hauptstadt versetzt worden. War er früher schon mit dem Obersten gut bekannt gewesen, so gedieh diese Bekanntschaft nach des Obersten Pensionierung und Uebersiedlung in die Hauptstadt bis ^ur wahren, treuesten Freundschaft. Edgar aber, sei! langem ein eifriger Ingenieur und Maiemattker, fand nur wenig freie Zeit, Besuche zu machen, ließ sich deshalb auch nur selten bei Lindens sehen, obwohl er dort stets ein gern empfangener Gast war. Allerdings scheuchte sein stetiger Ernst nicht so leicht dte Geister des Unmutes von deo Oberste» Stirn, wo sie leider nur zu oft seit dessen Peiisivinerung thronten, weg, wie das die jovialen Redensarten des Professors vermochten; Halle aber Herr von Linden einmal eine Jdceanregung von dem Hauptmann empfangen, so konnte er stundenlang mil ihm über eine wissenschaftliche Angelegenheit reden, was dem Prostssor trotz seiner akademischen Bildung nicht möglich war. Des Professors Unterhaltung war leichtes Rieselwasser, aber des Hauptmaniis Worte, wenn er lebhaft wurde, ein unergründlicher, alles mit sich svrtreißender Strom!
Diese Wahrnehmungen machte auch Ruth, als sic den Hauptmann einige Male gesprochen-
Es war merkwürdig, wie diese beiden Menschenkinder gleich auf den ersten Blick für einander sympallsierien l Der große Philosoph Platon weist in einem seiner Dialoge nach, wie der Mensch so lange ein einseitig sich entwickelndes Wesen bleibe, bis er in der Geliebten die ergänz-nbe Hälfte feines Wesens finde; erst dann sei der Mensch ein harmonisches Ganzes.
Diese Bemerkung machte auch Edgar von Bach, je mehr er bei seinen jetzt häufigen Besuchen im Hause des Obersten in das Wesen Ruths eindrang. Nur dem Umstande, daß er trotz seines männlichen Alters sehr bescheiden und jungen Mädchen gegenüber fast schüchtern geblieben war, durfte man es zuschreiben, daß eine Verlobung zwischen ihm und Rulh noch keine Thatsache geworden war.
Der Professor sah dies mit steigender Eifersucht, denn er gönnte Ruth dem Hauptmann nicht. Zwar Halle Ruth den Professor Pfeil, den Gast ihrer Eltern, so oft sie mit ihm znsammenlraf, stets höflich be
handelt, aber ihr innerstes Wesen gegen ihn waren Kälte und Abneigung. DaS fühlte auch Pfeil heraus; trotzdem gab er seine Absicht, Ruth noch als Gattin zu besitzen, nicht auf.
Es war nicht zu bezweifeln, daß des Professors Schicksal an einem Wendepunkte stand, und daß die Erwiderung seiner Neigung seitens Ruths ihn vielleicht aus dem Sumpfe leichtfertigen Lebens befreit hätte. Da sie ihn nicht mochte, so forderte ihre ablehnende Haltung alle gehässigen Seiten seines Charakters heraus und ein Ziel hieß Rache, Rache an ihr und Hauptmann Bach, da sie ihm vvrgezogen, wenn der Prostssor nicht selbst noch den Hauptmann verdrängen und in die Gunst Ruths gelangen sollte.
Es lag in Pfeils Charakter, seine wahren Absichten unter der Maske der Freundschaft zu verbergen und zu warten, bis die beiden sich eine Blöße gaben, die ihm erlaubte, eine Jntrigue anzuspinnen und mit Sicherheit auszubeulen.
Wie es um Herrn von Bach stand, das hatte der Professor bald ergründet, denn in Bezug auf Offenherzigkeit war ja der Hauptmann das reinste Kind > Nun aber galt eS, den Gegner und Nebenbuhler um die Hand Ruths nicht in die eigenen Karten blicken zu lassen. Pfeil wußte dafür bald Rat.
Ein wundervoller Junimorge» war her- aufgezogen. Der Himmel prangte saphtt blau über der blühenden Erde, und am Himmelsdome strahlte die goldene Sonne, Leben und Fröhlichkeit über die Erdgeborenen gießend I Thautropfen hingen an den Blumenkelchen, die Rosen erfüllten die Luft mit Wshlgeruch, und Jasmin und Flieder atmeten geradezu berauschende Düfte aus I Das alles sah und hörte der brütende Professor nicht. — Er sah nur Edgar von Bach des Weges daherkommen und sein Plan war sofort gefaßt. Er eilte ins Haus, und als jener eintrat, trug Pfeil seinen rechten Arm in einer Binde. Er begrüßte den „Freund" gedrückt.
„Nun, was ist Ihnen, Professor; was haben Sie mit Ihrem Arm angefangen 2" frug der Hauptmann teilnehmend.
„Habe Unglück gehabt, wie es eben nur mir zustoßen kann!"
„Sie übertreiben I"
„Ohne Scherz! Habe mir die rechte Hand mit der schärfsten Säure verbrannt und kann von Glück sagen, wenn keine Blutvergiftung eintritt I"
„Bewahre Gott!"
„Wie ich sage! Apropos, da kommen Sie mir eben recht, Hauptmann I"
„Wie so?"
„Wollen sie für mich ein Btllet schreiben ?"
„Wenn's weiter nichts ist?"
„So s-tzen sie sich an den Schreibtisch!"
„Ist alles Nötige dort?"
«Ja? — Nun, bitte!"
Und der Professor diktierte:
„Liebste Camilla!
So leid es mir lhut, kann ich heute Abend nicht zu Dir kommen, ich bin anderweitig gefesselt. Indes sendet Dir tausend Küsse Dein E."
Edgar von Bach lachte und frug:
„Und die Adresse?"
„Na, Sie verraten mich doch nicht I" ent- gegnete Pfeil lächelnd. „Fräulein Camilla Manzillo, Breitenbachs Hotel, hier!"
Edgar legte die Feder hin und meint lächelnd:
„Die arme Camilla!"
„Sic wird sich trösten — mit einem andern I So eine Mädchenseele ist das wahrhafte — Wirtshaus!"
„Wie Sie das so leicht nehmen!"
„Nur keine schwere Bagage aus dem Lebenswege mitschleppen I"
Edgar von Bach errötete wie ein Schuler- bube.
„Wissen Sie," lenkte Professor Pfeil nun auf einmal ab, daß ich die Jnprägnic-Masse jetzt wirklich erfunden habe? Mir wird das Geld in Strömen znfließen, wenn nur die Hand erst wieder hergestellt wäre!"
Er hielt plötzlich inne und der Hauptmann sprang auf, denn Ruth ließ sich im Garten sehen.
<Fortsetzung folgt)
Vermischtes.
— Ratschläge für Hotelgäste. Ueber die Frage, wie man sich im Hotel benehmen mutz, schreibt der bekannte Humorist Eduard Plötzl: Der Reisende lehne stets das zuerst angebotcne Zimmer ab, auch wenn eö gut ist. Er erhält dann als wählerischer Gast ein noch besseres und wird aufmerksamer bedient. Schreckliche Folgen haben ein freundliches Gesicht und ein bescheidenes Benehmen
— kaum daß einem die Schuhe ordentlich geputzt werden. Kann man eS hingegegen über sich bringen, eine schickliche Gelegenheit herbeizuführen, um den Kellner gleich im Anfang einen Esel zu heißen, so wird sich ein hochachtungsvoller Verkehr voller Aufmerksamkeit und Rücksicht entwickeln. Das Stubenmädchen klingle man jeden Augenblick herbei, um zu zeigen, daß man zu Hause gewöhnt ist, sich fürstlich bedienen zu lassen; gibt es drei Handtücher täglich, so verlange man deren sechs, sowie eine Schwimmhose Hängematte, eine Strickleiter oder dergleichen nngewöhnliche Dinge. Ferner erkundige man sich, wann die Tadle d'hote ist, gehe aber just zu dieser Zeit anderswohin essen, damit der Wirt gewahrt, daß man sich von ihm nichts verschreiben läßt. Nachts beim Auskleiden werfe man die Stiefel gegen die Nachbarthür oder wenigstens gegen die Fußböden
— andere Passagiere thun dies auch. Wer gewohnt ist, mit einem Rausche nach Hause zu kommen, unterlasse dies auch im Hotel nicht, es könnte ihm schaden. Schließlich versäume Niemand, wegen der Rechnung einen Streit anzufangen; häufig gibt der Wirt nach, und wenn auch nicht, so hat sich der Reisende doch einen bemerkenswerten Abgang gesichert und bleibt als „schneidiger Kerl" in guter Erinnerung.
Der Fachmann. Fräulein (das Lied singend: „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein" zu einem davoneilenden Herrn): „Warum laufen Sie denn auf einmal davon?" Herr: „Ich kann das nicht hören — ich bin Forstbeamter!"
.'. Stolz geworden. „Anna, ich bin heute zum Unteroffizier befördert worden und da kann ich mich unmöglich mehr mit Kalbsbraten ohne Sauce begnügen."
Merks.
§ Viele Menschen werden roh, sobald sie vor Wut kochen.
Druck und Verlag von Beruh. Hosmaun in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur; Bernh. Hosmann.)