Rundschau.

Stuttgart, 18. Skpt. Seine Majestät der Kaiser hat anläßlich seines Aufenhalts in Württemberg eine größere Anzahl Ordcns- auszeichnnngen voigenommen. Stadtschult- heih Rümelin erhielt den preuß. Kronenorden 3. Kl., Obcrpostmeistcr a. D- Steidle, Vor­stand des Liederkranzes, den roten Adlerorden 3. Kl.

Stuttgart, 21. Die bei herrlichstem Wetter verlaufenen Kaisertage in Württemberg sind nun auch vorüber; sic haben den Truppen große Anstrengungen, aber auch große An­erkennung seiten deS höchsten Kriegsherrn ge­bracht. Sowohl die Parade auf dem Cann- ftatter Wasen vom letzten Freitag als die Manöver vom Samstag bei Ludwigsburg haben gezeigt, daß die unermüdliche Ausdauer für Offiziere und Mannschaften nicht ver­geblich gewesen ist. Die württ. Truppen können stolz sein auf das Lob, das ihnen der Kaiser gespendet; bei den diesbezüglichen Schreiben des Kaisers an unseren König ist nicht unbemerkt geblieben, daß der Kaiser die Verdienste des kommandierenden Generals v. Wölkern noch ganz ausdrücklich gerühmt hat, wodurch wohl allen Leuten klar geworden sein dürfte, daß General v. Wölckern keineswegs denblauen Brief" d. h. seine Pensionier­ung zu erwarten hat. Der Kaiser und die Kaiserin waren während ihres Aufenthalts in Württemberg so sehr der Gegenstand allge­meiner Huldigung und Begeisterung, daß der Kaiser bei jeder Gelegenheit seinen Dank hie- sür aussprach. Peinliche Gesühle, konnte das Verhalten eines hiesigen Oppositionsblattes Hervorrufe», das gerade am Tage deS Ein­treffens des deutschen Kaisers daran erinnerte, daß König Wilhelm I. vor etlichen Jahr­zehnten den Ausspruch gethan hatteeinem Hohenzollern unterwerfe er sich nicht". Von einer Unterwerfung der deutschen Fürsten unter den Kaiser ist bekanntlich gar keine Rede, und wenn König Wilhelm I. heute noch leben würde, so würde er sicher ebenso treu wie sein Enkel an Kaiser und Reich festhalten. Daß es gelegentlich des Be­suches deS Kaiserpaares in Stuttgart an einigen Anekdoten wahren oder erfundenen nicht fehlen werde, ließ sich zum voraus er­warten, und die Glätter geben auch einige verbürgte Episoden zum besten. Ganz sicher erfunden ist aber eine Anekdote, wonach ein Hoflakai die Frage des Kaisers nach dem Grafen Caprivi dahin falsch verstanden hätte, obka Biese" (keine Briefe) da seien. Die­sen Kalauer haben wir vor einigen Jahre» in Münchener Blättern gelesen, als der Kai­ser dort zu Besuch war, und in München scheint auch wohl die Originalerfindung ge­macht worden zu sein, so daß die betreffende Journalistenfirma nicht einmal das Urheber­recht beanspruchen kann.

Reckarhausen, 18. S'ptbr. Am letzten Mittwoch Halle der 3'/-jährige Sohn des Jos. Keller hier ein Messer in Händen und wandte sich mit den Worten :Geh. her, ich schneid' Dir die Ohren ab", an sein 1',, jähr- Brüderchen und schnitt ihm thaisächlich ein Ohr vollständig ab. Leider kommt es »fl vor, daß Erwachsene, ja sogar Eltern, den Kindern mit Obrevabschnciden drohen oder von Unarten dadurch abschrecken wollen, und dies auch manchmal mit dem Messer­rücken markieren. Abgesehen davon, daß dies kein Abschreckungsmittel ist, wenn es als sol­ches gebraucht wird, da ja die Drohung nicht

ausgefnhrt werden kann, s» machen es die Kinder, wenn sie ein Messer zur Hand be­kommen, leicht »ach und es kann dadurch, wie obiger Fall beweist, ein Unglück ent­stehen.

Altensteig, 21. Sepl. Der hiesige Ge­meindkral hat den Entschluß gefaßt, eine neue Wasserleitung im Voranschlag von 110,000 zu erstellen.

Aus dem Oberamt Hall, 21. Sept. Als gestern abend der Schnellzug von Crails­heim nach Stuttgart, der sogenannte Blitz- z»a, zwischen den Stationen Eckartshausen und Großaltdorf fuhr, war eine von der W ide kommende Kuh unweit des Weilers Gaugshausen auf den Bahnkörper geraten und konnte trotz der Bemühungen seiner Hüterin nicht entfernt werden. Der Bahn- zng faßte das Tier in den Flanken und warf es eine ziemliche Strecke über den Bahnkörper hinaus; es erhielt solche Verletzungen, daß es geschlachtet werden mußte.

Pforzheim, 17. S.pt Jetzt, da die Ein­quartierung hier vorüber ist, dürfte ein kurzer Rückblick auf die finanziellen Lasten, welche eine solche im Gefolge hat, niätt unangebracht sei». Wir hatten nahezu 1800 Mann In­fanterie 17 Tage, 680 Mann Jäger 11 Tage, etwa 230 Mann Berittene 2 Tage und etwa 1100 Pferde 3 Tage und 3500 Mann ein Tag zu verpflegen. Das ergibt zusammen 45,340 Verpflegungstage. Da nun der Ver­pflegungslag mindestens auf 3 Mark im Durchschnitt zu stehen kam viele Qnar- tiergeber gaben ihre Soldaten an Wirte zu 4, 4,50 und selbst 5 Mark pro Tag der Monn und die Quarticrvergütung nur 80 Pfg. beträgt, ergibt sich für die Quartier­last ohne Rückvergütung, welche die hiesige Einwohnerschaft zu leisten hatte, da« hübsche Sümmchen von 100,000 Mark, als» nahe­zu die Hälste der Summe, welche die Stadt überhaupt mittelst jährlicher Umlagen von ihren Einwohnern erhebt. Da nach oben hi» Erleichterungen geboten waren und nach unten die vier untersten Klassen des Ein- qnatierungskatasters von Einquatierung ganz verschont blieben, ruhte diesmal die Haupt­last auf den Schultern des Mittelstandes. Mancher Geschäftsmann hatte diesmal so viel auf die Einquatierung zu verwenden, als Staats- und Gemeindeabgabcn zusammen fürs ganze Jahr betragen.

Von einem Bären zerfleischt. Ein schrecklicher Vorfall ereignete sich diesen Tage im Moskauer zoologischen Garten. Gegen 10 Uhr Morgens bemerkten die Wärter des Gartens einen 'frei in den Gängen herum­spazierenden Bären, der seinem Zwinger ent­sprungen war. Um das Tier einzufangen und wieder in den Käfig zurückzuschaffen, riefen noch andere Wärter herbei und ver­suchten nun mittelst eines Strickes dem Bären eine Schlinge »m den Hals zu werfen, doch jedesmal gelang es dem Meister Braun, die Schlinge wieder abzustreifen. Vor den aus seinen Pelz dabei nicderfallenden Schlägen retirierte endlich Petz in ein Gebüsch, aus dem ihn die Verfolger mit Knütteln hinaus­zutreiben trachteten. Jetzt aber wurde der Bär wütend. Zuerst stürzte er auf einen Herrn, der sich an dem Treiben beteiligte, doch diesem gelang es durch einen Seiten- sprung, der drohenden Gefahr zu entkommen, dafür aber fiel dem zornigen Tiere einer der Wärter, ein Tartare, in die Tatzen. Mit einem Schlag auf die Schulter ward er zu

Boden gestreckt und Angesichts der ratloS herumstehendcn Dienstgenossen entsetzlich zu- gcnchtet. Der Bär riß ihm zuerst ein Stück Haut samt Haar vom Hinlerkopf ab und zer­fleischte ihm dann die linke Seite. Erst jetzt eilten andere Leute mit Beilen und Flinten herbei und ihren vereinten Kräften und zahl­reich abgegebenen, aber ihr Ziel nicht treff­enden Schüssen gelang es wenigsten«, den wutschnaubenden Bären von seinem Opfer abzubringen; er rannte davon und suchte Zuflucht in der botanischen Abteilung de« Gartens. Hier streckte ihn endlich eine Flin­tenkugel nieder. Der Tartar war nach drei Stunden seinen fürchterlichen Wunden er­legen.

In Brasilien wütet ein heftiger Bür­gerkrieg. Bekanntlich hat vor einigen Jahren der Malschall Fonseca den Kaiser Dom Petro entthront; Fonseca wurde durch den Vizepräsidenten Peixoto abgesetzt und gegen letzteren empörte sich die brasil. Flotte, welche gegenwärtig die Hauptstadt Rio de Janeiro heftig bombardiert. Peixoto hat sich in da« Innere deS Landes geflüchtet.

Ein Wespenstich inwendig im Halse bracht einer Frau in Affoltern bei Zürich, welche Most getrunken und das Tier ver­schluckt hatte, auf dem Wege vou Trottwerk zum Arzt den Erstickungstsd. Aus gleicher Ursache ist kürzlich im Glatthal, Kanton« Zürich, ein Landwirt beim Heuen gestorben.

Meuterei unter dem englischen Mili­tär. Schon wieder wird ein Akt schwerer Insubordination unter britischen Soldaten berichtet. Eine Anzahl von Arrestanten der ersten Brigade in Atdershot brach in der Nacht vom Mittwoch znm Donnerstag ge­meinschaftlich ans dem Arrestlskal und über­fiel die nur aus einem Sergeanten und drei Mann bestehende Wache mit Teilen der eiser­nen Bettstellen und anderen in der Eile zu- sammengerafften Waffen. Da das Regiment im Manöver abwesend war, vermochte die Wachtmannschaft nichts gegen die Meuterer auszurichten, die Thüren und Fenster ein­schlugen und sich auf das wüsteste benahmen. Schließlich, als Hilfe von einem anderen Regiment kam, gelang es nach hartem Kampfe, die Arrestanten zu überwältigen und an Pfosten vor dem Nachtlokal festzudinden. Auf beiden Seiten sind mehrere Soldaten schwer verletzt worden.

(Beruhigung.) Arzt:Gnädige Frau, auch Heuer fehlt Ihnen nicht« I Wir dürfen daher bei dem vorjährigen Curort bleiben I"

Welchen Kalender kaufe ich dieses Jahr? So fragt jetzt wieder Mancher, wenn er die große Auswahl vor sich hat. Nun, wer einen wirklich guten Kalender wünscht, der kaufe den Vetter vom Rhein, der bei Chr. Schömperlen in Lahr nun zum 16. Mal erscheint und nur 30 Pf. kostet. Dieser Kalender bringt interessante Erzählungen, heitere und ernste, Gedichte, Weltbegebenheiten usw>, und dies alle« in einem Ton, daß Niemand sich verletzt fühlen wird, weder in religiöser noch politischer Anschauung. Bei den Monaten ist Raum zum Einschreiben von Notizen. Die Jahrmärkte sind nach amtlichen Quellen zusammengestellt und zu­verlässig. Auch viel Nützliches bringt der Vetter vsm Rhein: Zinstabelle, Post-, Tele­graphen- und Wechselstempel-Tarif, Gemein­nütziges sür Han« und Feld usw.