graphisch seine Teilnahme aus, und bot Bis­marck in Berücksichtigung des ungünstigen Klimas in Friedrichsrnh in einem der Kaiscr- scblösser Wohnung an. Bismarck dankte lebhaft in einem ausführlichen Telegramm, verzichtete jedoch auf die Annahme des kaiser­lichen Anerbietens auf den Schweningers, welcher sich gegen eine Aenderung des ge­wohnten Aufenthalts ausfprach.

Aus Rom wird berichtet; Ein zehn­jähriges Mädchen ging dieser Tage nach der Arbeitsstelle seines ValerS, um ihm das Essen zu bringen, lieber die Margheritabrücke kom­mend, kletterte es aus Spielerei auf das Ge­länder und versuchte darauf weiter zu gehen. Nach wenigen Schritten verlor es das Gleich­gewicht und stürzte in den Tiber. Während die Menschen ratlos hin und her liefen und niemand sich zu einer rettenden That ent­schließen konnte, sprang eia starker Hund dem Kinde nach, faßte es am Kleid und zog es nach d. Ufer, wo es sich rasch wieder erholte. Dieser Hund hatte das Kind auf seinen Gängen zum Vater ken»en gelernt und seine Zuneigung dadurch gewonnen, daß cs dem schlecht gehaltenen Tiere jedeSmal etwas zu fressen gab. Nun hatte der Hund seine Dankes­schuld abgetragen.

In dem Staatsschatz zu Philadelphia wurde in der letzten Zeit ein Diebstahl be­gangen, über den nunmehr Einzelheiten vor­liege». Bei einer Revision deS Barbestandes, der in einem Keller aufbewahrt wird und 16 Millionen Dollars, die im Jahre 1887 daselbst deponiert wurden, enthält, fand man den Keller geöffnet und stellte eine Fehl- snmme im Betrage von 134 000 Dollars fest. Der Wächter de« Kellers wurde ver­haftet und räumte den Diebstahl ein, gab auch an, wo sich 100 000 Dollars befänden. Diese Summe wende aufgefunden und man erwartet auch die Wiedererlangung der noch fehlenden 34 000 Dollars, da der Wächter versprach, such diese zurückzuerstatten.

Vermischtes.

Eine drollige Geschichte ereignete sich dieser Tage am Hvhenzollern-Ring in Köln. Eine Droschke brachte dort einen von der Reise heimkehrendcn Herrn vom Bahnhofe nach seinem Wohnhause, aus dem alsbald die Hausfrau dem Erwarteten entgegenciltc. Da er nun dem Wagen nicht schnell genug entsteigen konnte, lehnte er sich zur Begrüß­ung seiner besseren Hälfte aus dem Wagen­fenster heraus. Infolge seiner außerordent­

lichen Beleibtheit konnte er aber trotz allen Schiebens, Drehens und W-ntnnS seines Oberkörpers auf diesem Wege nicht mehr zu­rück. Schweißtriefend gab er schließlich alle Versuche auf; der Kutscher brachte sein G>- sährt schleunigst in seine Stallung, während der Fahrgast auf dem ganzen Wege am Fenster heraushängen mußte. Die Straßen­jugend eilte dem Wagen in Hellen Haufen und unter jubelnden Freudenausbrüchen nach. Mit Hilfe eines Schreiners wurde das Fenster auseinander genommen und der Fahrgast nach Erlegung der entstandenen Unkosten endlich aus seiner bedrängten Lage befreit.

.-. (Scheinbarer Widerspruch.) Es ist merkwürdig, daß die Damen gerade, wenn sie ins Bad gehen, die meiste Toilette brauche».

Marktberichte

Stuttgart, 21. Septbr. Kartoffelmarkt: Zufuhr 400 Zentner. Preis p r Zentner 3 20 ^ bis 3 50 Kraut­

markt: Zufuhr 3000 Stück. Preis 18 bis 22 per 100 Stück. Mostobstmarki: Wilhelmsplatz. Zufuhr 8000 Ztr. Most­obst. Preis per Zentner gemischt (Aepfkl und Birnen) 280 Aepfel 3 ^ 20 bis 3 40

WertHers Schatten.

Novelle von Karl Cassan.

Nachdruck verboten..

10 .

Da gehen Sic doch zu weit, Herr H. I" sagte sie entschlossen.Hätten Sie sich eher erklärt, wer weiß, was geschehen wäre. Was halten Sie für Rechte?"

Auch Laura erklärte abwehrend:

Herr Helbig, schon damals, als ich Sie in Jreucnstein sah, war ich bereits heimlich mit Paul verlobt!"

Und später?"

Er fragte es mit hohler Stimme wie ein Irrsinniger.

Als Sie uns zum zweiten Male von Jrenenstein abholten, hatte ich Paul ge­sprochen und unsere Verbindung wurde zu Weihnachten beschlossen!*

Er stöhnte leise:

Also geopfert, Paul Busch geopfert? O, das ist hart!"

Er griff nach dem Hute, lief zur Hinter­thür hinaus, sprang über die Planke, eilte auf die schneebedeckte Wiese und auf den Osterhagen zu. Unter der großen Eiche, wo er Hector erschossen, warf er sich in den Schnee und rief verzweifelt:

Großer Gott, einem Paul geopfert? Schändlich, schändlich! Sagte ich es nicht, daß es schwer halte» würde, ein so treues Herz wie Hektar zu finden, ha, ha, ha I"

Sein verweiflungsvolles Lachen hallte ent­setzlich durch den Wald.

Die Kälte trieb ihn wieder empor.

Hui," schauderte er zusammen, da er ohne Odcrrock war,selbst meine Thränen gefrieren! O, unseliger Tag! Nomen ent crmen I ich heiße ja Wcrlher und mir wtrd's gehen wie dem armen Veilchen:

Und sterb' ich dann, so sterb ich doch Durch sie, durch sie,

Zu ihren Füßen doch I"

Er deklamierte es mit hohlem PathvS und stürzte dann bewußtlos nieder.

So fanden ihn Gröhlmann und der Amtmann Busch. Sophie war nämlich gleich

zu Frau Helbig geeilt und hatte ihr den Vorfall mitgetcitl. Da ihr Gatte auf dem Rathause war, sandte die erschrockene Frau gleich Gröhlmann hinter Weither her. Auch der eben angekommene Amtmann Busch schloß sich bereitwilligst an, denn beide Mädchen ahnten Schlimmes. In Pauls Schooß barg der Bewußtlose jetzt das Haupt, während Gröhlmann Leute mit einer Trage hcrbei- holte. Paul war ein guter Mensch. Heiße Thränen sielen auf den armen bewußtlosen Freund hernieder und seine L'ppen flüsterten:

O, Du mein Gott, laß es nur ein gutes Ende nehmen I"

Endlich war der Transport des Ohn­mächtigen besorgt. Werchcr lag in einem erwärmten Bette, an dem die betrübten Eltern Platz genommen; auch der alte Hausarzt, Doktor Kugler, ein erfahrener Herr, war längst bet der Hand.

Ein harter Starrkrampf!" meinte er. Wir müssen das Beste hoffen!"

Während der Nacht kam der Kranke zu sich, aber nur um in ein heftiges Delirium zu verfallen. Oft rief er im verzweiflungS- vollen Tone:

Laura, Laura I"

Doktor Kugler konstatierte ein stackes Nervenfieber.

VI.

Als Werther nach langer Krankheit zu einem neue» Leben erwachte, saßen Reißner und die Mutter an seinem Bette und be­grüßten beide mit Rührung seine Genesung.

Der Kranke sah bleich und abgezehrt aus, fast wie ein Todler. Matt reichte er Beiden die Hand und sagte:

Ich lebe und wollte doch so gern ster­ben !"

Da fing Reißner an, ihn zu trösten:

Fasse Dich, Werther, armer Junge! Oiebt es doch der schönen Mädchen so viele ?"

Er nickte und setzte hinzu:

Aber nur eine Laura I Hast Du bei Sophie Glück gehabt? Ich vermute es, weil Du hier bist I"

Reißner rief:

Ja, ich bin Sophiens Verlobter I Wollte Gott, ich sähe Dich auch so!"

Ja, Reißner, gab er darauf zurück, wenn ich nicht Werther wäre, ich habe so etwas von der Hundetreuc in meinem Charak­ter, ich kann Laura nie, nie vergessen I"

O, ich könnte ihr fluchen l" fiel nun die Mutier heftig ein.Sie ist eS, die mir den Sohn raubt I"

Da richtete sich der Kranke rasch auf:

Mutter, beste Mutter, sage das nie wieder, fluche ihr nicht! Dein Fluch träfe nur mich! Ich wünsche Gottes Segen auf sie herab, möge sie glücklich sein I"

Dann übermannte ihn die Schwäche. Er lehnte sich zurück und murmelte:

Wer kann dafür, Mütterchen! Es war mein Verhängnis ! Es mußte so kommen I Ich bin so müde, so müde I Ach ! wer dock ewig schlafen könnte I"

Er lehnte sich zurück und regelmäßige Atemzüge verkündeten seine Genesung.

Gerettet I" triumphierte Doktor Kugler, der eben eintrat.

Als der alte Gröhlmann nach einigen Tagen dem wiedergcnesenen Werther die er­sten Veilchen auf die weiße Bettdecke legte und dabei die Thränen zurückdrängt, fragte Werther:

Woher hat Er, Gröhlmann?"

Am Zaun im Garten blühen Hunderte, Herr Doklor!"

Hm, trete Er näher, Gröhlmann."

Der Alte gehorchte.

Wo ist die Mutter jetzt?"

In der Küche, Herr Doktor I"

»Ist ste sehr traurig?"

Na und ob I Vor Sorgen um den Herrn Doktor ist ste selbst krank!"

Werther flüsterte:

Treues Mutte, Herz! Das Schwert ist auch D>r durch die Seele gedrungen ! Und der Vater, Gröhlmann?"

Ist auf dem Rathause, als Vertreter der Stadt-Interessen, Herr Docior I Das Ge­schäft geht zum 1. April in andere Hände über!"

«Fortsetzung folgt)

Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hof marin.) Druck und Verlag von Brruhard Hofmaun in Wildbad.