WerLHerS Schatten.
Novelle von Karl Cassan.
Nachdruck verboten.
2 .
„Sic sind gewiß müde von der Reise?" wandte er sich an den Fremden. — „Nicht wahr? — Dick, Werthcr, erwarte ich nachher im Contorl"
Er überließ es seiner Ehehälfte, den jungen Herren zn ihrer Bequemlichkeit zu verhelfen und ging mit sich selbst redend in den Laden zurück, wo er eifrig zwischen Kaffee, und Reissäcken herumzankte.
„Kommt mir sogar in der Affenjacke hier nach Sckwaldheim, um den Namen Helbig zum Gespött zu machen," brummte der alte Helbig dabei. „Gefällt mir nicht I Was soll der fremde Student hier, hier in dem kleinen soliden Schwalbheim? Nun, werden ja sehen I"
Eine halbe Stunde später trat W-r'her Helbig, eine lange Studentenpfeife im Munde, in das Contor des Vaters.
„Nun, Papa?" fragte der Studiosus und warf sich ohne Umstände in einen der altmodischen Armstühle, welche in dem kleinen Gemache herumstanden.
Adrian Helbig dämpfte des Commis wegen feine Stimme, als er vor de» Sohn trat und fragte lcije:
„Du bringst mir hoffentlich dieses Mol das Dektordiplom mit, Werther?"
„L-'ider nicht, Papa I" gab der Sohn gleichmütig zur Antwort.
„WaS hast Du denn studiert, Werther?" grollte nun der Alte. „Glaubst Du vielleicht, ich fände daS Geld auf der Straße ? — Ich gebe Dir noch ein Semester Zeit vnd hoffe, daß Du alsdann die gewünschte akademische Würde erlangt hast I Glaubst Du das bis dahin erreichen zu können?"
Werther Helbig, der Student der Rechtswissenschaft, hatte die lange Pfeife mit den bunten, burschikosen Quasten, auf welcher des Vaters strenger Blick mißbilligend zu ruhen schien, bereits etwas erschrocken auf die Erde sinken lassen, als der alte Herr nochmals fragte:
„WaS ist denn das für ein Mensch, den Du mir hicrherschleppst? Du weißt doch, Schwalbheim verträgt einmal keine Extra vaganze» seitens der Studenten."
„Er ist der Sohn des Amtmanns Reiß- ner aus Harpstedt, Vater!" erwiderte der Student.
„So, so! Was ich sagen wolltet wenn Du beute den Doktor mitgebracht, die Stelle eines Rentamtmanns auf Hennigstcdt, dem Gute des Grafen von Schwalb, wäre Dir wohl nicht entgangen, aber so ist es eben nichts."
„Werthcr zuckte die Achseln.
„Nun, zn Tische sehen wir uns wieder I" erwiederte der Vater und ging in den Laden.
Werther aber zog ein bitterböses Gesicht, stampfte leise wie im Zorn mit den Kanonen- stiefeln auf, rauchte sich die lange Pfeife wieder an und stieg die Treppe zum blauen Zimmer hinauf, wo sich auf dem Plüsch- teppich der Freund mit den beiden großen Hunden abbalgte.
„Nun, wie ist's abgelaufen, Werther?" fragte er den Ankommenden, die Hunde zur Ruhe verweisend, wobei er einige mächtige Züge aus der Pfeife that. „Apropos, Werther, ist Deine Frau Mama auch eigen mit ihren
Gardinen? Wir können ja die Fenster öffnen ; es ist zudem sehr heiß l"
„Mir ist noch heißer, Armin!" brummte Werther mißmutig.
„Gab's eine Strafpredigt? So sprich doch!" Der andere stöhnte:
„Wenig Worte waren cs von meinem Alten, aber schneidend wie die Messer des Barbiers an der UniversitätSecke I*
„Teufel auch I"
„Mein Vater hat dabei nicht ganz unrecht ! Statt fast ständig im „kühlen Keller" zu sitzen, welcher Aufenthalt in der Unterwelt mir nichts als den Spottnamen Pluto und einen leeren Beutel eingebracht, hätte ich lieber bei den Pandekten bleiben sollen, das wäre besser gewesen I"
„Und wärst vielleicht ein — Philister worden, Bruderherz! Nein, nein, das durfte nicht sein.
Rundgesang und Rebensaft
Lieben wir ja Alle!
Lllits, bibits eoIlsAralis!" Reißncr trällerte die Anfänge dieser Weise vor sich hin.
Werther lächelte schon wieder und meinte:
„Nun, sei Du nur stille, Armin I Dein Spitzname Cazike ist wenig ehrenvoller I Weist Du wohl noch, wie Du bei der Uni« versitätsseier mit Deiner Rede zu Ehrenrettung der Peruaner in den Sumpf gerietest ? Nichts blieb Dir davon als der Name Cazike I"
Reißner lachte laut aus und sagte:
„WaS Ihut's wenn wir ein paar Semester länger studieren als andere Leute: unsere Väter können's ja! Und wohin gehen wir heute Nachmittag, Werther?"
„Wollen sehen, meine Vaterstadt ist ein verdammt langweiliges Philisternest!"
„Und hier willst Du acht Wochen bleiben — ?"
Werther legte dem Freunde die Hand auf den Mund und flüstert":
„Nicht acht Tage möchte ich hier bleiben, aber der Alte und die Goldstücke I"
„Ja, so, da gchl's Dir, wie mir!" lachte Reißncr.
Die Hunde knurrten, denn Gröhlmann, das alte wunderliche Faktotum des Hanfes, trat ein und meldete, daß in der Wohnstube zum Mittagessen gedeckt sei.
Die jungen Herren stiegen die Trcppe hinab. Der Tisch war gut besetzt. Es fthlte sogar nicht an zwei Flaschen Rotwein, mit dem Herr Helbig sonst so sparsam «hat.
Frau Cornelia Helbig erschöpfte sich in Freundlichkeiten gegen den Freund und Gast der Hausherr aber war höflich und doch zugeknöpft. Einige Male allerdings mußte er doch laut auflachen, als Reißner Anekdoten von zerstreuten Universitätsprofcssoren mit vieler Virtuosität zum Besten gab. Seine volle Freundlichkeit erhielt der alte Helbig aber erst wieder, als der Gast erklärte, daß er morgen früh mit der Fahrpost nach Harpstedt weiter reisen wolle. Man stand heiter vom Tische auf und Herr Helbig ermangelte nicht, Gröhlmann Ordre zu erteilen, wie selbiger die großen Hunde, Hcctor u. Achill, gut zu versorgen habe, während er selbst bei einer Pfeife holländischen Tabaks mit dem Gaste und dem Sohne den Kaffee genoß. Jetzt erst schlug Weither einen Ausflug nach Jrenenstein, einer benachbarten Ruine, vor. Herr Helbig ließ die jungen Herrn gern
allein dahin gehen, denn er selbst machte lieber ein kleines M-ttagsschläfchen.
II.
Die Ruinen von Jrenenstein waren unbewohnt Da sich oder der große Wold Osterhagen bis dahin erstr cke, so hatte der gräfliche Förster am Fuße der Ruinen eine Kaffeewirlschaft eingerichtet, welche sich eine« frequenten Zuspruchs erfreute. Die beiden Musensöhne siahen auch bei ihrer Ankunft Helle Damenkleider durch das Grün der Büsche schimmern, deren Trägerinnen beide Studenten auswichen, indem Reißner^sdem Wirte bemerkte:
„Wir huldigen, mein Lieber, zwar Gott Gambrinus, aber nicht Gott Amor!"
„Die Damen sind aber schön I" versicherte der Förster, mit den grauen Aeuge- lein blinzelnd.
„Schön «der nicht schön I" gab Werthcr darauf burschikos zurück. „Zwar opfern wir manchmal Dame Fortuna und besingen im Allgemeinen die Damen, aber jene Mädchen dort anzubeten, überlassen wir den Herren in Schwalbheim. Nicht wahr, Reißner A"
„Gewiß!" meinte dieser und er warfsein Taschentuch den steilen Abgrund den Hunden zum Apportieren hinunter.
„Wie heißen denn diese Wunder der Schönheit?" fragte Weither und reichte dem Wirt das Seidel zur frischen Füllung.
„Wie sie heißen? Es sind die Töchter des Herrn Woland aus Schwalbheim, die Sie wohl kennen I" — gab der Wirt zur Antwort:
„Backfischchcn I" warf Werther hin und rief bann: „Armin vorwärts, der Weg ist weit!"
Sie gingen.
Die vielen Goldstücke in der grünseidenen Börse Reißners hatten dem Wirt gewaltig imponiert, und zu seiner Freude kehrten gegen 6 Uhr abends nach einem weiten Wege die beiden Herren nochmals zurück.
<Fortsetzung folgt)
Vermischtes.
(Zeugnis und Empfehlung.) Seit zwei Monaten litt meine Frau an großer Heiserkeit und Bescbwcrden beim Sprechen. Seitdem sie Ihr Mittel genommcn hat, kann sie fast garnicht mehr sprechen. Bitte, senden Sie umgehend doch zwei Flaschen. Ihr dankbarer Anton Müller.
.-. (Ausnutzung ) Tochter (im kalten Bad): „Muiter, ich geh"rans, michfrieit!"
— Mutter: „Gott! Was fällt Dir ein, Eva, wv hler's kalte Bad kostet 35 Pfennig! Du bist noch lange nicht blau genug für das viele Geld!"
(Belastende Entlastung.) Richter: „Sie haben Ihr Opfer auf einsamen Wege überfallen und dasselbe vollständig ausgeraubt
— bis auf die goldene Uhr, die Sie wahrscheinlich nicht bemerkten I WaS haben Sie dagegen vorzubringen?" — Angeklagter: „Hoher Gerichtshof, ich muß im Momente der That jedenfalls unzurechnungsfähig gewesen sein!" —Richter: „Woraus schließen Sie das?" — Angeklagter: Sonst wär' mir die goldene Uhr gewiß nicht auSgekom- men."
(Heiratsgesuch.) Ein armer Teufel sucht einen reichen Engel.
BerantNwkfltcher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Witd-ad.