Rundschau.

Vorgestern stattete der Gewerbevcrein Calw (70 Herren) der Gewerbeaulstellung in Cannstatt all erster einen Besuch ab und speiste'in der großen Wirtschostshalle. Zweiter auswärtiger Verein war der Eßlinger Gc- werbeverein in der stattlichen Anzahl von 200 Personen.

In Heilbronn hat am 10. August derProzeß Hegelmaier-Füger" wegen falscher Beurkundung begonnen. Den Versitz führte Lankgerichlsdirektvr Lämmeet, die Anklage vertrat Staatsanwalt Hartmann, als Ver­teidiger Hegelwaiers fungierte Rechtsanwalt Kleine, als Verteidiger Fügers Rechtsanwalt Schloß. Acht Zeugen waren geladen. Der Zudrang des Publikums war enorm. Die Verlesung der Aktenstücke der ersten Ver­handlung, der reichsgerichtlichen Entscheidung und die Vernehmung der beiden Angeklagten Oberbürgermeister Hegelmaier und Stadt­pfleger Füger, sowie diejenige der Zeugen nahmen den ganzen Vormittag in Anspruch. Neues wurde nicht zu Tage gefördert. In­teresse erregte die Vernehmung des Ober­bürgermeisters Hegelmaier, welcher mit gro­ßem Bewußtsein seine Angaben vertrat. Der Vorsitzende nahm Veranlassung, dessen Be­nehmen zu rügen, als er auf die Frage, ob er auf das Zeugnis des Oberamtmanns Christmann etwas zu äußern habe, dasNein" mit einer wegwerfenden Handbewcgung be­gleitete. Nachmittag« erhielten die beiden Sachverständigen Obermedizinalrai Dr. Lan- denberger aus Stuttgart und Geheimrat Dr. Schüte aus Jllenau das Wort. Die Aus­führungen des letzteren machten einen bedeu­tenden Eindruck. Am Schluß der Verhand­lung, die bis 0,1 Uhr dauerte, beantragte der Staatsanwalt für Hegelmaier 4 Monate und für Stastpfleger Füger 2 Monate 15 Tage Gefängnis. Am Freitag abend 6 Uhr wurde daS Urteil verkündet. Hegelmaier wurde zu 3 Monaten Gefängnis, Füger zu 1 Monat und 10 Tagen Gefängnis verur­teilt. Die Kosten der ärztlichen Untersuch­ung in Jllenau hat Hegelmaier selbst zu tragen. Auf Grund der eruierten Thatsachen wurde angenommen, daß beide Angeklagte als zu der Aufnahme befugte Beamte und innerhalb ihrer Zuständigkeit in dem Proto­koll recht erhebliche Thatsachen vorsätzlich und gemeinschaftlich beurkundet zu haben, Ver­gehen gegen § 348 des Strafgesetzbuches. Bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Hegel- maier'S hat ^sich das Gericht durchaus dem Gutachten des Gehcimrats Schule von Jllenau angeschlsssen und angenommen, daß derselbe sowohl zur Zeit der That als heute geistig normal sei.

Schwindelei. Ein angeblicher Schnei­dermeister Wilh. Lange in Heillironn bol in vcrschndenen Zeitungen Kleiderstoffe auS und sicherte gegen vorherige Einsendungen des Betrages portofreie Zusendung zu. Der angebliche Lange, welcher in Heilbronn gar nicht wohnhaft ist, hat die eingenommenen Gelder bei der Post zu erheben gewußt, da­gegen den Käufern die bestellte Ware nicht übersandt. Da anzunehmen ist, daß Lange in anderen Orten unter anderen Namen ähn­liche Schwindeleien treiben wird, hat die Staatsanwaltschaft eine darauf bezügliche Be­kanntmachung erlassen.

Laudenbach, 13. Aug. Gestern mittag starb hier plötzlich an einem Lungenschlag der in amtl. Angelegenheit hier gewesene Ober-

amtsbaiirneister Kaufmann von Wejkersheim, 52 Jahre alt. Der Bezirk verliert in dem nun verblichenen einen pflichttreuen Beamten, der allseitig auch wegen seiner Gefälligkeit und Freundlichkeit verehrt wurde. Er hin- terläßt eine Witwe mit fünf unmündigen Kindern.

Pforzheim, 11. August. In gestriger Versammlung desSüddeutschen Eisenbahn- Reformvercins" wurde es lebhaft bedauert, daß die Verlängerung der Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten erst vom 1. Oktober ab statt- finden soll. Wie manche Familie, welche nicht mit Giücksgütern gesegnet ist und aus Ausspannen aus dem täglichen Kampf umS Dasein für ein paar Tage recht nötig hätte, würde von der neuesten Errungenschaft gleich jetzt in den Schulferien davon Gebrauch ge­macht haben, um bei Verwandten auf dem Lande eine billige Sommerfrische von 8 Tagen zu verbringe». Die Versammlung faßte daran folgende Resolution:Der Süddculsche Eisenbahn-Reformverein spricht seine Befrie­digung darüber aus, daß unsere badische Eisenbahnverwaltnng endlich den Bedürfnissen de- heutigen Verkehrs Rechnung tragend, sich zur Einführung der zehntägigen Giltigkeit der Rückfahrkarten entschlossen hat, be­dauert hat, daß der Termin für den Beginn dieser Neuerung ohne ersichtlichen Grund auf den 1. Oktober d. I-, alsr auf einen Zeit­punkt festgesetzt ist, mit welchem die dies­jährige Reisesaison bereits ihren Abschluß ge­funden hat." Dieselbe fand einstimmige An­nahme. Aehnlich wie auf der Strecke Heidel­berg-Mannheim, soll auch für andere Linien, in erster Reihe natürlich für die Strecke Pforzheim-Karlsruhe eine Tarifbilligung an- gestrebt werden. Zur Gesellschsftsfahrt nach Heidelberg ä ^ 2,80 für die Rückfahrkarle erfolgten verschiedene Anmeldungen.

Brandunglück. Die Asphalt- und Carbolineum-Fabrik von A. W. Andernach in Beuel am Rhein wurde von einem Brand- nnglück betroffen. Glücklicherweise herrschte gerade Windstille- Auch bekämpfte die Feuer­wehr sehr energisch das Feuer, so daß dasselbe nicht weiter um sich griff. Betriebsstörungen der Fabrik fanden in Folge dessen nicht statt; die Fabrikation konnte vielmehr in vollem Umfange aufrecht erhalten werden.

Mannheim, 11' Aug. Eine aufregende Szene spielte sich gestern abend in einem Coupe III. Kl. des um 8.40 Uhr von Frank­furt a. M. hier einlreffendcn Pcrsonenzugs der Main-Neckar-Bahn ab. Ein Passagier, ein junger Mann von ca. 25 Jahren, warf sich anscheinend in einem Anfall von Tobsucht zwischen FriedrichSfeld und Mannheim auf einen ihm gegenübersitzenden Reisende» von gleichem Alter und versuchte, die Wagcnthüre öffnend, ihn hinauszuwerfen. Es entspann sich ein verzweifeltes Ringen. Während eine im nämlichen Wagen sitzende Frau mit einem Kinde laut aufschrie, über­stiegen zwei weitere Passagiere, von der Jagd zurückkehrende Mannheimer Herren, die Schei­dewand und befreiten das Opfer aus den Händen des Wütenden, den sic mit Aufgebot aller Kräfte bis zur Ankunft in Mannheim festhalten mußten. Den» trotz wiederholter Versuche versagte die Notleine den Dienst. Vier Gepäckträger waren in Mannheim not­wendig, um den äußerst robusten Wahnsinn­igen zu binden und in Gewahrsam zu ver­bringen.

Berlin, 12. Aug. DrrR»ichSa»zeiger"

meldet: Der Kaiser erteilte dem Schatzsek- rctär Frhrn. v. Maltzahn die nachgesuchte Dienstentlassung zum 1. September, verlieh demselben den Kronenorden I. Klasse und ernannte den Landeshauptmann der Provinz Posen, Graf PosadowSky-Wehncr zumSchstz- sekretär. Die Ernennung des neuen Reichs- schatzsekretärS dürfte lebhafte Ueberraschung Hervorrufen, da sich bis zuletzt auf der Nach- folgerliste LeS Herrn V. Maltzahn ganz andere Namen befunden haben. Es ist diese Er­nennung des Grafen v. Posadowsky ans die Initiative des Kaisers .zurückzuführen, der denselben bet wiederholten Besuchen in Posen kinnen und schätzen lernte.,

Man liest in der Kreuzz.: Wir hören aus sicherer Quelle, daß der Kaiser, da die württemb. Regierung gebeten hat, von einem Manöver des 13. württ. Armeekorps gegen da« 14. (badische) abzuschen, letzteres Korps zu den Manövern mit dem 15. Armeekorps bei Hagenau heranzuziehen befohlen hat. Das württemb. Armeekorps wird unter solchen Umständen ans die Anwesenheit des Kaisers nur für die große Parade am 15. Sept. und für ein Manöver der 26. gegen die 27. Division am 16. Sept- rechnen können.

Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich auf dem Bahnhof Güldcnboden ereignet. Der Viehzug, der, von Königsberg kommend, um 5 Uhr früh auf Bahnhof Gütdendodcn eintrifft, ist bei der Einfahrt wahrscheinlich durch falsche Weichenstcllung auf ein falsches Geleise geraten, in dem die Drehscheibe liegt, und dadurch verunglückt. Die Zugmaschine ist gleich hinter der Drehscheibe aufs Feld geraten und hat sich bis über die Räder in den Erdboden eingewühlt. Der Packwagen ist auf die Maschine getürmt und durch die «uflaufenden Wagen vollständig zersplittert worden. Desgleichen hinter dem Packwagen ein Wagen mit Remsnten; die Remonten wurden teilweise getötet, teils schwer verletzt. Ein Wagen mit tragenden Kühen, die nach Sachsen gehen sollten, hat sich über 3 ande­re» Wagen sufgetürmt und die Kühen hängen sämtlich zermalmt zwischen den Wagentrüm- mcrn. Weiter sind zwei Wagen zerstört, in welchen sich Gänse befanden. Im ganzen sind 12 Güterwagen zertrümmert, Menschen sind nicht getötet worden.

Am Mittwoch nachmittag brannte, wie aus Halle a. S. gemeldet wird, in dem Orte Scrbiß im Kreise Delitzsch eine Scheuer des Amisvorstehers Horn nieder. Beim Auf­räumen fand man in einem anstoßenden Schuppen die verkohlten Leichname zweier Knaben von je fünf Jahren, die wahrschein­lich an der Scheuer gespielt und hierbei das Feuer verursacht haben. Aus Furcht werden sie dann in den verschlossenen Schuppen ge­krochen sein, der aber ebenfalls -vom Feuer ergriffen wurde, und so sind sie auf furcht­bare Weise umS Leben gekommen.

Der Revolver im Postamte. Im kaiserlichen Postamte in Kotmar im Elsaß ist den dortigen Post-Unterbcamten eine scharf­geladene Schußwaffe eiugehändigt worden, um sic unter gewissen Umständen im Schalter- ranmc des Postgebäudes zu verwenden. Das Elsässische Tageblatt" veröffentlicht eine Be­kanntmachung des Postamtsvsrstehers in Kol- mar, gez. Becher, welche die Hunde an die Pvstschalter mitzubringen verbietet, und mit Rücksicht auf die daraus für den Verkehr und daS Postgebäude entstehenden Unzukömm­lichkeiten da- Folgende verfügt:Für je