Liebe um Liebe.

Novelle von Karl Cassan.

Nachdruck verbeten.

12 .

Seine Stimme klang umflort, als er wieder das Wort »ahm:

Alexandrine, ich will Dich nicht halb, ich will Dich ganz besitzen. Dort sind Deine Zimmer, hier die meinigen! Eines Tages, wenn sein Bild in Deiner Seele erloschen, poche an diese Thür und rufe:Lothar, ich bin da; hier hast Du mich ganz!" dann werde ich Dir öffnen und Dich in meine Arme schließen. Gute Nacht!"

Er ergriff den Leuchter und verschwand im Gemache nebenan.

Lange stand sie starr und regungslos wie das Steinbild der Niobe da, dan» griff sic nach dem Herzen und schritt finster in ihr Gemach. Ruhelos wanderte sie auf und ab; dumpf schlugen die Glocken auf San Mare» zwölf Uhr und fiebernde Gedanken quälten ihr Haupt. Sic wollte ihm alles gestehen, sich vor ihm beugen, ihm sagen, daß sie den Elenden vergessen wolle, der ihre Jugend benutzt, sich geschickt in ihr Herz zu schleichen, daß sie ihn vielleicht gar nicht ge­liebt. Im weißen Nachtgleide schritt Ale- xandrine durch das Vorzimmer, zagend nahte sie sich der Thür. Sie klopfte leise, Nie­mand antwortete; sie öffnete leise Lothars Zimmer eS war leer, fei» Bett stand un­angerührt.

Da stieß sie einen entsetzlichen Schrei aus und si'l Ichwersällig zu Boden.

A>s Alexandrine erwachte, fand sie sich im Belte wieder und daneben eine junge Dame, welche sich ihr in gebrochenem Deutsch als Camilla, ihre neu geworbene Zofe und Pflegerin, zu erkennen gab. Und da stand auch Lothar neben einem fremden Herrn. Es war der Arzt.

Al« sie sprechen wollte, winkte ihr Lothar freundlich wie immer zu:

Nicht jetzt, nicht jetzt, teure Alexandrine Du bist schwer krank. Ruhe, Schlaf und Arznei werden Dir hoffentlich bald Deine Gesundheit wiedergeben I Ich wache über Dich, schlafe!"

Sie schloß wie ein gehorsames Kind die Augen und schlief wieder ein.

Als sie nach heftigen Fieberträumen, in denen sie oft Lothars Bild zu erblicken ver­meinte, wieder zu sich kam, saß neben ihrem Bette die Mama, und Camilla, ihre Zofe, ging geschäftig hin und her. Bald er­schien auch Lothar.

Er schien ihr schöner, vornehmer, edler als sonst.

Herzlich beglückwünschte er die Genesende zu einem neuen Leben, dann überließ er den Platz am Belte wieder der Mutter. Noch brach die EiSrinde um AlexandrineuS Herz nicht; sie schwieg beharrlich, aber die kluge Frau sah sogleich, wie hier die Sachen stan­den. In einer vertraulichen Stunde gestand Alexandrine dem Mutterherzen alles.

ES war eine Stunde von mir," be­kannte sie nun,ein schweres Unrecht, daß ich ihm die Hand zum ewigen Bunde mit halbem-Arzen reichte, während in der an­deren Ansie noch der Verräter Guido saß I"

Du wirst ihn verg.ssen und Lothar ge­wiß lieben lernen; er ist ein edler, ein sehr edler Mann. O, wenn ich reden dürfte,

Alexandrine! Wenn ich Dir sagen könnte, wie hochherzig, wie edel Lothar ist!"

Was willst Du mir verheimlichen? Mama?"

Ach nichts!"

Frau von Eppingcr seufzte schwer auf und ein anderes Thema ward angeschlagen.

Langsam genaß Alexandrine. Lothar widmete ihr jede Stunde, die er nicht am Arbeitstische zubrachte. Dann mietete er ein Boot und bald saßen alle drei in der Gon­del und atmeten die köstliche Seeluft ein. Bald blühten die Rosen wieder auf Aftxan- drinens Wangen und die Reise konnte fort­gesetzt werden. Man zog durch Italien und kam endlich auch nach der Sicbcnhügelstadt Rom.

Lothar mietete eine Privatwohnung an einem freien Platze, die sehr bequem und comfortabel eingerichtet war. Die Wunder der einstigen Weltmetropole fesselten Geist und Sinne der Reisenden, ihre Augen schwelg­ten in der Schönheit der Antike, ihre Brust atmete höhere Lebenslust.

Lothar machte des Morgens Studien zu einem Roman ans der Kaiserzeit, während Frau von Eppinger und Alexandrine dann das Zimmer hüteten.

Eines Tages kehrte Hilter früher als ge­wöhnlich aus den Museen und Ruinen der ewigen Noma zurück. Dicht vor dem ge­öffnete» Fenster, an dem Alexandrine und ihre Mutter saßen, hatte sich auf der offenen Straße eine junge Dame placiert, eine echte Italienerin, die für den Typus weiblicher, landesüblicher Schönheit gelten durfte. Sie war ärmlich, aber rein und sauber gekleidet und neben ihr stand ein Knabe von etwa vier Jahren von fast idealer Schönheit.

Die Frau bot Alumensträußchen aus Die Straße führte nach dem Corsv und ein ununterbrochener Menschensftom zog hier gegen Mittag vorbei. Jene Frau war un­ermüdlich, den Vorübergehenden ihre Blumen anzukieten:

NuLotti, siANori, non ouro! "*)

Camilla, Alexandrinens Zofe, hatte diesen oft wiederholten Ausruf derBlumenverkäuferin längst übersetzen müssen.

Jetzt kam Lochar daher. Er war augen­scheinlich in tiefe Gedanken versunken; aus diesen rissen ihn aber die melodischen Aus­rufe der jungen Frau.

Er verstand den Ausruf sofort, denn er sprach das Italienische fast vollständig.

Mutter, ich habe Hunger und Durst!" rief das Kind der Blumcnverkäuserin da­zwischen.

Lothar seufzte mitleidig und zog die Börse. Alexandrine sah Geld in seiner Hand blitzen und bei der Frau verschwinden. Ein Stich ging ihr durch's Herz. War es Eifersucht? Lange und schnell sprachen Lothar und die Jtalienun mit einander und Alexandrine ver­stand nur die Namen Fioretta und Carls. Sie konnte sich nicht mehr beherrschen.

Camilla," rief sie,komme schnell, über­setze mir 'mal, was mein Gatte mit der schönen Blumenhändlerin spricht!"

Wohl, Excelenz!" antwortete die Zofe und sie horchte am Fenster.

Sie erzählt ihre Geschichte, Excellenza, nennt ihre Wohnung!" berichtete dann die Zofe.

Sie wollen über das Weitere ein an­deres Mal sprechen I" übersetzte Camilla ge­treu.

Die Blumenverkäuferin nahm dann ihren Knaben bei der Hand, ergriff ihren Korb urd verschwand schnell im Gewühl der Pas­santen.

Frau von Eppinger fand heute ihren Schwiegersohn bei Lisch aufgeräumter denn je, er scherzte und lachte und schloß endlich das Tischgespräch mit den Worten:

WaS meinst Du, Alexandrine, wenn wir übermorgen an die Abreise nach unserem lieben Wien dächten? Ich glaube Du bist jetzt gekräfligt genug, und meine Arbeit ist hier di« auf die Entzifferung der Inschrift eines Triumphbogens gethan?"

Alexandrine nickte nur flüchtig.

Was ging in Alexandrine« vor ? Immer mußte sie wieder an die schöne Blumenver­käuferin denken und dabei war ihr zu Sinn gerade wie in dem Augenblicke, als ihr Gil« zingen abschrieb. Sie blieb den ganzen Tag verstimmt und nachdenklich.

In der Nacht erhob sie sich zitternd von ihrem Lager, Ihre Mutter schlief fest an ihrer Seite. Leise durchschritt sie das Ge­mach und war schon der Thür nahe, die sie von ihrem Gatten trennte, als sie gegen ein Fußbänkchen stieß. Die Mutter erwachte und fragte;

Alexandrine, geliebtes Kind, hat Dich die döse Krankheit so verstört, daß Du gar nachtwandelst?"

Schweigend und seufzeng kehrte sie um» koch netzie sie diese N-'chl die Kesten ihres Beltes mit ihren Thräne».

Fast heimlich, noch ganz frühe des an­dern Tages trat Lothar bei der Blumenver- käufcrin in eine ärmliche Wohnung in un­mittelbarer Nachbarschaft einer elastischen Ruine.

8io trunsit Zloria wunäi!"* murmelte er und trat ein. Vor der Thür der Wohn­ung hörte er schweigend die ganze Geschichte der Anmslen.Dn Doässoo ein Deut­scher hatte Fioretta bethörl und dann sitzen lassen. Die junge Frau beschrieb den Ver­führer so genau, daß Lothar ausrief:

Guido von Gilzinge» !"

Signori" juhr da die Italienerin auf. Das ist der Name. Ich konnte die harten Laute nicht behalten, Signor ! Tausend Dank und möge die Mutter Gottes Euch segnen. Ja, er ist der Vater meines Carlo I"

Und Ihr wißt nichi, wo er wohnt?"

Nein, Excellenza!"

Ich will eS Euch sagen: Er lebt in Wie». Könnt Ihr lesen, Fioretta?"

Ja, Signori"

Er riß ein Blatt aus seinem Nottzbuch:

Hier ist seine Adresse!"

Lothar zog einen Beutel voll Geld her­vor und sagte:

Hier sind tausend Lire in Gold, Gold gilt überall. Zeehl nach Wien, sucht ihn auf, zwingt ihn, Euch Won zu halten. Seid ihr in Wien, so schreibt mir, aber sucht mich nicht persönlich auf!"

Ich werde eS so machen!" entgegnete die Italienerin.

*) Sv vergeht der Ruhm der Welt! < Fortsetzung folgt.)

'^) Sträußchen, ihr Herren, nicht teuer.

Verantwortlicher Red altem Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hosmann.