Rundschau.

Neuenbürg, 9. Aug. Die neue Kirche des herrlich gelegnen und gegenwärtig zahl­reich besuchten Luftkurorts Höfen ist NU» im Rohbau vollendet. Nach dem Plane deS Münsterbaumkisters v. Beyer in frühgvtischem Slil ans rotem Sandstein erbaut, gewährt dieselbe mit ihrer günstigen Lage einen präch­tigen Anblick, ringsum die saftigen Wiesen und im Hintergrund der dunkle Nadelwald. Nachdem die Turmhelmspihe mit einem gol­denen Kreuz gekrönt war, wurde eine kleine Feier Veranstaltet.

Karlsruhe, 9 Aug. Wie dieKarlsr. Ztg." meldet, trifft der Kaiser am 8. Sept. hier ein. Die Parade findet am 9. Sept. statt, darauf folgen vom 12.14. Sept. die Manöver des 14. gegen das 15. Corps bei Hagenau. D-r Kaiser wird vom 10.14. in Straßburg verweilen. Die Kaiserparade findet daselbst am Montag den II. Sept. statt.

Frankfurt, 10. Aug. Die Beratungen der deutschrn"Finanzminister haben heute ihr Ende erreicht. In der von 10 bis nach 4 Uhr dauernden Sitzung ist cS gelungen, sämtliche Fragen zu erörtern und soweit zu erledigen, daß eine vorläufige und grundsätz­liche Einigung wie eS heißt in allen Punkten erzielt wurde. Es bleibt, nachdem man zu diesem Abschlüsse gekommen ist, noch übrig, die Verschiedenen Stcuerprojekte, hin­sichtlich deren natürlich noch einzelne Mein­ungsverschiedenheiten bestehen, in eingehenden Verhandlungen durch eine besondere Kom­mission beraten zu lassen. Die Kommission soll in Berlin zusammentreten und aus den Vertreter» der Negierungen und den Kom­missaren der Reichsverwallung bestehen; eine beschleunigte Behandlung der Einzelfragen ist vorgesehen und eS solle» die Entwürfe dem Reichstag bei seinem nächsten Zusam- menlrclen zugehen. Diese kommissarische Be­ratung dürfte da gerade von besonderer Wich­tigkeit sein, wie das bezüglich der Börsen- stcuer und der Quittungssteuer der Fall ist, die ganze Frage sich noch im Flusse befindet; cs steht zu hoffen, daß die aus den Interes­sentenkreisen kommenden Einwände, deren Bedeutung man nicht verkannt zn haben scheint eine einigermaßen einsprecl ende Be­rücksichtigung erfahren. Die für den Süden ganz besonders wichtige Weinstenerangelegen- heit soll ebenfalls einebesricdigende" Er­ledigung finden. Wie hervorgi hoben wurde, ist der Widerstand den die Regierungen der Weinbau treibenden Staaten gegen das ReichS- weinsteuerprojekl abgesehen von den for­malen, aus den Zollvereinsvertrag sich stütz­enden Bedenken geltend machten, darauf gegründet, daß der Uebergang der Weinbe- steuerung an das Reich den Einzelstaaten ein ausbildnngSfähiges Sleucrobjekt entziehen und den Süden unverhältnismäßig hoch zu Gunsten des Nordens belasten würde, und daß ferner die Durchführung des Projekts den Wein auch da, wo er direkt Nahrungs­mittel ist, treffe» müßte. Gutem Vernehmen nach hat nun die heutige Beratung zu dem Ergebnis geführt, daß das Weinsteuerprojekl eine angeblich auch für den Süden acceptabie Form erhalten wird. Von anderer Seit' gehen der Fr.-Ztg. noch folgende Mitteilungen zu: Die heutige Beratung der speziellen Be- steuerungSobjekte beschäftigte sich ferner na­mentlich eingehend auch mit der Wehrsteucr und der Besteuerung der Zeitungsannoncen.

Dem Vernehmen nach wären die Bedenken gegen die Wehrsteuer sehr überwiegend ge­wesen, insbesondere auch, weil sic eine un- verhä tnismäßige Belastung der minoer be­sitzenden Voiktklassen mit sich brächte und als eine Kopfsteuer der schlimmsten Art an­gesehen würde, als welche sie sich auch in Frankreich und der Schweiz darstelle. In ähnlicher Weise wurde diesogenannteJnferaten- steuer behandelt; weitere Erörterungen in dieser Beziehung bleiben Vorbehalten, lieber den allgemeinen Eindruck unter den Beteilig­ten hört man noch, daß er einhöchst be­friedigender" sein soll.

Eine niederträchtige Pferd Mißhand­lung. Eine ungewöhnliche Rohheit beging vor kurzem in Elberfeld der bei einem Fla­schenbierhändler beschäftigte Kutscher Stecket. Stecket hatte eines Tages nach Barmen fahren müssen, war aber so übermäßig schnell ge­fahren, daß sein Arbeitgeber ihm deswegen Vorwürfe machte. Kurze Zeit später Hörle nun der Händler, daß seine Pferde zwei hübsche PonieS, sehr unruhig waren. Er ging in den Stall und sah, daß die Tieren in der scheußlichsten Weiße mißhandelt wor­den waren. St. hatte aus Wut darüber, daß man ihn gescholten halte, den Tieren einen Besenstiel fast metertief in den Leib gebohrt, einem mit solcher Gewalt, daß der Stiel brach und das Ende im Leibe des Pferdchens stecken blieb. Dieses Tier ver­endete infolge der Mißhandlungen am an­dern Tage, das andere ist wiederhergestellt worden. St. ist wegen dieser Rohheit von der Straskammer wegen Sachbeschädigung zu zwei Jahren Gcsängniö verurteilt worden.

Berlin. Einen wertvollen Fund machie dieser Tage ein Prokurist der Firma S. in einer Kreuzbandsendung, aus der ihm ein Check über 1600 in die Hand fiel. Bei näherer Besichtigung ergab sich, daß beim Oeffnen der Kreuzbandsendung ein an eine» hiesigen Rechtsanwalt gerichteter Brief mit zerrissen worden war, und der Prokurist stellte dem Adressaten daß Wellpapier zu. Der Rechtsanwalt führte nun bei der Post­behörde Beschwerde, weil er annahm, daß eine falsche Bciefbestellung vorliege. Die Post hat aber festgestellt, daß der Briefum­schlag, der den Check enthielt, einen Best'll- stempel nicht trug, sich also in die andere Sendung hineingeschoben hatte.

Ein diebischer Hanptmann Ostende, 6 August. Schon seit längerer Zeit gingen der Polizeibehörde Klagen zu von Badegästen, denen während der Badezeit größere Geldbe­träge und Juwelen anS den Badekarren ent­wendet worden waren. Zwei mit Ueberwach- ung der Badekarren beauitragte Geheimpoli­zisten schöpften alsbald Verdacht gegen den Hauptmann F. vom 11. belgischen Infan­terie-Regiment, wagten aber mit Rücksicht auf dessen militärischen Rang nicht, ohne direkten Beweis gegen ihn vorzngehen. Sonntag Vormittag nun bemerkten sie, daß F. in einen Badekarren cindrang, welchen soeben eine Dame zum Zwecke des Badens verlassen halte. Iu gaZrLuti ertappt, wurde Haupt­mann F. sofort verhaftet und auf die Polizei geführt, wo sich alsbald auch die Dame ein- fand und angab, daß ihr 15 Francs aus dem Portemonnaie gestohlen seien, nämlich ein gol­denes Zehnfrankenstück mit dem Bilde Na­poleons ans der einen und einem schwarzen Fleck auf der anderen Seite und ein durch­löcherte-, silberne- Fünffrankenstück. Beide

Geldstücke wurden in der Tasche desHanpt- mannes vorgefunden. Der bedauerliche Fall erregt in Ostende ein um so größeres Auf­sehen, als F. eine der bekanntesten Persön­lichkeiten unter den Badegästen war. Man glaubt, daß die unselige Leidenschaft des Spiels den von seinen Vorgesetzun als sehr tüchtig geschilderten Offizier zum gemeinen Verbrecher werden lreß.

Bei einer Geschäfldübung d-r Mann­schaften des Ulanenregiments in Lyck (Ost­preußen) auf dem dortigen Garnison-Exer­zierplatz stieß ein Ulan seinem Gegner, dem Ulan Thamson in voller Karriere seine Klapp­lanze i» den Oberkörper, so daß der Ge­troffene sofort vom Pferd sank und gleich darauf verschied.

In Süd-Ungarn in Orovicza und Umgebung ist eine gefährliche, bisher unbe­kannte Ti-rkrankheit ausgetreten, die im Vieh­bestand große Verheerungen anrichtet. Es ist eine plötzliche Erblindung des Hornviehs, vorwiegend der Kühe. Die Tierärzte sind ratlos.

-- Ein Eiseubahnzng ist auf der Strecke Treviso-Belluno entgleist. Die Maschine stürzte in den Piave-Fluß. Der Maschinen- führer wurde getötet; der Heizer liegt im Sterben.

Aus Paris wird gemeldet: In Rajan sind sämtliche Baracken des JahrmarktpiatzeS durch Feuer zerstör! worden; die Menagerie Pezon wurde mit allen Tieren vernichtet.

.'. Ein lustiger Milchkrieg ist in dem reichsländischen KreiSstädlchen NappoltSweiler ausgebrochen, da die Viehbesitz r 20 für das Liier Mllch fordern, während die Haus­frauen nur 16 Pf. bezahlen wollen. Schon einmal, vor vier Wochen, hatten die Vieh­besitzer einen Ansturm versucht, waren aber dank der Zähigkeit der Rappoltswcitcr Haus­frauen abgcfchlagui worden. Am Montag vor acht Tagen nun brach der Krieg mit erneuter Heftigkeit aus. Punkt 4 Uhr ver­kündete der Stadlwaibel unter Trommelschlag, daß die Landwirte vom 1. August ab ihre Milch nur noch zu 20 .<s verabfolgen wür­den. Kaum eine halbe Stunde später ertönte neuer Trommelschlag, und unter schallendem Gelächter der Zuhörer ve> kündete der Stadt- waibel, daß die Hausfrauen der Stadt ein­mütig den Beschluß gefaßt, unter keiner Be­dingung mehr als 16 zu zahlen. Es war noch kein» Viertelstunde vergangen, ol­der Stadlwaibel von neuem mitteilte, daß der Beschluß der Landwirte unumstößlich sei. War die Heiterkeit jetzt schon zu einem hohen Grade gestiegen, so kannte sie doch keine Grenzen mehr, als der Waibel zum vierten Male mit seiner Trommel die Be­völkerung zusammenrief und mit ernster Miene verkündete, daß die Hausfrauen den Landwirten mitteilcn ließen, daß auch ihr Entschluß unumstößlich sei. Jung und alt begleitete jauchzend und lachend den ehrwürdig dahinschreitenden Stadlwaibel, und kaum halte er die Nachricht der hcrbeiströmeuden Menge verkündet, da brachen die einen in ein schallendes Gelächter aus, die anderen stimmten ein donnerndes Bravo ein. Man kann sich leicht denken, daß nun jedermann auf« höchste gespannt ist ans dex^Ausgang des ausgebrochenen Krieges, da keme Partei nachgeben will.Eher schütten wir die Milch in den Bach!" sagen die Landwirte,Lieber verzichten wir auf unser Lieblingsgetränk, den Milchkaffee", versichern die Frauen.