Dietlingen und Neustadt-Brötzingen, in der 3. Abteilung Turnverein Eutingen u. Huchenfeld. Die Aufführung der Pyramide seitens de« Turnverein« in der Festhalte hatte einen so gewaltigen Applaus hcrvorgerufcn, wie solcher hier kaum noch erlebt wurde. - Leider sollte da« Fest nicht ohne Unfall ablaufen. Heute Nachmittag machte ein Brötz- inger Turner am Reck Uebungen und fiel dabei so unglücklich, datz er in die benachbarte Klinik verbracht «erden mußte, woselbst er nach einigen Stunden den Geist aufgab.
— In dem Dorfe MölSheitN bei Kaiserslautern erschoß der jugendliche Sohn Göhring seinen Vater. Ursache der schrecklichen That war Streit wegen einer verbotenen Liebschaft.
Aus Oesterreich, 6. Aug. Ein furchtbarer Wolkeubruch zerstörte die Ernte von Mittel-Steiermark. DaS Dorf Gösting bei Graz ist überschwemmt, zahlreiche Häuser sind dort eingestürzt, Einwohner unter den Trümmern begrabend. Der au Gösting vor- beifließendc Bach trat so schnell au«, daß sämtliches Vieh in den Ställen ertrunken ist.
— Zu Fuß rings um die Erde. Aus Pirma in Sachsen wird unterm 3. August
geschrieben: Vorgestern traf hier ein Herr Heury Stoll ein. Genannter unternimmt zu Fuß eine Reise um die Erde. Die Reise ward am 15. Juni d. I. von London aus angetreten, am 27. v. M- passierte Stoll Berlin, am 28. Baruth und Dahme, am 29. Kirchhain und Elsterwerda, am 30. Großenhain und am 31. Meißen und Dresden. Von Pirna wird über Prag nach Wien, von dort durch die Schweiz, Frankreich, Spanien und Gibraltar, die Westküste Afrikas bis zum Südlsp, Australien, Süd-, Mittel- und Nordamerika, Asten und Europa gewandert. Diese Fußtour soll bi« 1. Januar 1896 beendet sein, doch gedenkt der Genannte noch eher zum Ziele zu gelangen. Bei seinem Aufenthalt in Pirma befand sich Stoll noch in ganz rüstigem Zustande, denn sonst wäre er vielleicht gleich dort geblieben.
— In Willebadessen, Reg.-Bez. Minder, sind am Montag 30 Häuser abgebrannt.
Wichtig für die Berufswahl, sowie für Stellesuchende!
Fast alle Berufszweige leiden an Urberfüllung, so auch neuerdings die niedere Post- Earnere, infolgedessen da- Angebot an Ar
beitskräften die Nachfrage bedeutend übersteigt.
Unter die wenigen Stellungen, wo gerade das Umgekehrte der Fall und seit längerer Zeit ein erheblicher Mangel an geeignetem Personal vorbanden ist, türsle die des landwirischasil. Rechnungoführer und Amts-Sccretär« zu zählen sein. Derartige Personen sind stets gesucht und finden schnell Placement, da der Oekonom sich nur ungern mit Bureau-Arbeiten befaßt, infolge des De- klarationSzwangeS des neuen Einkommensteuergesetzes jedoch verpflichtet ist, genau Buch zu führen.
Wir können deshalb soliden, strebsamen jungen Leuten, die etwas sedergewandt sind nur raten, diese Karriere einzuschlagen.
Nach einer Vorbereitunglzeit von ca. 3 Monaten erhalten die jungen Leute gleich Anstellung und bedürfen bei bescheidenen Ansprüchen eines Zuschusses von den Eltern nicht mehr. Besondere Vorkenntnisse, außer denen einer guten Elementarschule sind nicht erforderlich.
Der landwirischasil. Beanuen-Verein, Stettin, Deutschstraße Nr. 12, ist gern be- reil dem sich hierfür iuteressierndcn Teile de« Publikum« Auskunft zu erteile«.
Liebe um Liebe.
Novelle von Karl Cassau.
(Nachdruck verboten.)
11 .
Alexandrine stieg in den schon bereiten Wagen und Lothar wollte eben neben ihr Platz nehmen, als die junge Frau zusammen- schreckend flüsterte:
„Lothar, mein Teurer, ich habe meinen Fächer, Dein erstes Geschenk, auf dem Schreibtisch vergessen!"
„Lothar eilte schon die Treppe hinauf. Aus dem Schreibtisch in Alexandrinens Zimmer brannte noch der sechsarmige silberne Arm- leichter. Lothar suchte nach dem Fächer auf dem Tische, dem Divan, aber er war nicht zu finden. Da gewahrte sein scharfes Auge, daß der Schreibtisch gar nicht verschlossen war. Zwar war das Schloß eingedceht, aber in berEile vorstehend gelassen, hat -S nicht fassen können. Sollte sie den Fächer in den Schreibtisch hineingelegt habe»? Lothar riß die Schublade aus; richtig, da blitzten die Diamanten, womit der Fächer besetzt war, und daneben lag ein Pack-tcde» Briefe mit rotem SeioendändLen umwickelt. Die Dienerin könnte so indiScret sein, die Briefe zu lese», dachte Lothar. Er steckte sie daher ein, eilt die Tr-ppe hinab, reicbte Alrxan- drjnen tun Fächer und stieg in den Wagen.
Das Gespann flog davon und Lothar gab der jungen Gattin jetzt das Packet mit den Worten:
„Du hattest Deinen Schreibtisch nicht verschlossen, Alexandrine, der Fächer lag darin dies Packetchen Briefe. Die Diensiteute sind so neugierig. Hier nimmt"
Sie war flammend rot und brachte kaum die Worte: „Ich danke Dir, Lothar I" — hervor.
Sie barg dann die Briefe in der Tasche ihres Reisemantels. Sollte sie die Briefe auS dem Coupöfenster werfen? dachte dann Alexandrine. Man könnte sie finden, auch stand ja ihr Name darauf. Nein, aber auf der nächsten Station sollen sie vernichtet werden.
Aber die Reise direkt mit dem Schnellzuge bis Triest, die Coupäs waren voll besetzt. Müde lehnte Alexandrine sich zurück, sie hatte die letzten beiden Nächte fast schlaflos verbracht, auch Lothar war zuletzt einge- nickt Erst mit dem Morgen traf das junge Paar in Triest ein und mußte sich beeilen, einen Platz auf dem Dampfschiffe nach Venedig zu erhallen.
Eine zahlreiche Reisegesellschaft verhinderte auch hier eine intimere Annäherung zwischen den Neuvermählten, obwohl Lothar für seine Gattin in der Kajüie einen bequemen Platz suchte, da auf den: Verdeck eine heiße Luft wehte. Die Bewegung des Schiffes wiegle Alexandrine wieder schnell in Schlummer und Lothar nahm zu ihren Füßen Platz. Der Reisemanlel Alexandrinens war der Hitze wegen längst beiseite gelegt und jetzt von der Bewegung des Dampfers allmählich herabgeglitten. Wieder lag das Packetchen Briefe vor Lothar. Schleuderte es ihm ein günstiges Schicksal znm zweiten Mal in den Weg oder war eS eine Versuchung bei dem Beginne seines Eheglückes? ! Rasch wie der Gedanke hatte Lothar die Schnur gelöst, welche die Briefe verband und den ersten Brief aufge- rissen. Worte der Liebe standen darin. Ha I Und die Unterschrift? Fast konnten die zitternden Händen Lothar» das Blatt nicht halten. Da stand es: Guido von Gilzingen.
Lothar hatte ein Gefühl, als ob man ihm e>ne Degenspitze in das Herz stoße.
Scheu sah er Alexandrine an. Sie schlief sist.
Es war ein entsetzlicher Zustand. Aber der Willensstärke Mann hatte die Zügel der Herrschaft über sich selbst schon wiederge- siindcir. Laut aufschreien hätte er mögen, aber er bitz sich die Lippen blutig. Leise erhob er sich und schwankte die Kajütentreppe hinauf, dann lehnte er sich auf die Brüstung des Schiffe« und schon hatte das gefräßige Meer das Packtchen mit den Briefen verschlungen.
„Fahre dahin, schöner Traum meiner Liebe I" murmelte Lothar dabei. „Sie hat mir nicht an» innerster Seele die Hand ge
reicht. — Aber habe tch's nicht selbst verschuldet? Ich konnte die Zeit nicht erwarten und noch gehörte aus der Carnevalszeit der Thvrheit ihr Herz ihm, meinem bösen Dämon. Zoll für Zoll muß ich mir erst diese» Herz erobern. Hofsenttich kommt einst diese Zeit!"
Um Mittag erreichten die Reisenden Venedig und nahmen im Hvtel San Marco Quartier.
Alexandrine hatte Venedig noch nie gesehen. Wie staunte sie über die Lagunenstadt I Lothar war in krankhafter Aufregung, er ließ Alexandrine gar nicht zur Ruhe kommen ; von einem Ausflüge ging es zu dem andern, von einer Sehenswürdigkeit zur anderen, bi» sie endlich erklärte, sie könne nicht weiter.
Nach dem Souper, welches einsilbig verlief, schlug Loihar einen anderen Ton an.
„Alexandrine," sagte er weich, aber fest, „so geht es nicht fort, ich reibe mich auf und bin des Todes. Höre mich I — Ich bin kein tragischer Charakter, sondern ein einfacher, gerader Ma»n, der nicht zu heuchctn versteht. Alexandrine, ich habe bereits seit mehreren Jahren zu Dir wie zu einem Engel aufgeblickt, ich liebe Dich noch heute in derselben Weise, aber Du — Du hast mirDein ganzes Herz nicht geschenkt! In Deiner Seele lebt noch das Bild eines andern Mannes, jenes Guido von Gilzingen —"
„Lothar," schrie sie nun, „Du hast die Briefe gelesen? ES war Unrecht von Dir!"
„Ein böser Zufall warf sic mir zum zweiten Male in den Weg. Als Dein Gatte hatte ich da- Recht und sogar die Pflicht. Ich sah nur einige Tropfen von dem Gift, welches jene Briefe enthielten. Doch genug, ich warf sie in's Meer I"
„Wo sie auch am besten ruhen!" ent- gegnete Alexandrine bitter.
„Und Du denkst nicht mehr an ihn? Anwortc mir wie vor Gottes Angesicht, Alexandrine, vor Gott, der den Meineid straft!"
Sie schlug die Augen nieder.
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hofwann.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wttdbad.