Kreml ein großartiger Diebstahl verübt. Die geheime Unterjuchungskommifston entdeckte nun die Diebe in den Personen zweier Laienbrüder, die im Kloster Tscheudorff zu Glockenlenten verwendet worden waren. Die erbeuteten Wertgegenstände hatten sie in ihrem Kloster unter einem Altar geborgen; von dem geschienen Geidc fand sich kein Heller nnhr vor. Die diebischen Mönche wandern nach Sibirien.
— Lebendig begraben. I» Moskau wurde soeben eines der furchtbarsten Verbrechen entdeckt, die je von einer menschlichen Bestie begangen worden sind. Die Wittwe Wieniawiew, eine sehr reiche Krämerin, wollte sich von ihrer 18jährigen epileptischen Stieftochter befreien, die sie ltztlich haßte, weil das Mädchen, wenn es sich verheiratete, Rechte auf eine große Erbschaft gehabt und der Stiefmutter den größten Teil ihres Vermögens entzogen hätte. Die Wieniawiew handelte in Uedereinstiminung mit ihrem Hausfreunde, dem Dr. Pawlowsky, der seit einiger Zeit das Mädch. behandelte, indem er eS hypnotisierte, um das unglückliche Geschöpf auf diese Weise bei Seite zu schaffe». Der Arzt versetzte das Mädchen mittels einer hypnoli-
Ischen Kraft in einen totähnlichen Zustand und erklärte dann, daß die Kranke gestorben sei. Die Unglückliche wurde lebendig begraben. 14 ^age später erhielt die Polizei ein anonymes Schreiben, in welchem die Wittwe Wieniawiew und der Arzt PawlowSky als Mörder des armen Mädchen bezeichnet wurden. Die Polizei ließ den Leichnam ausgraben. Die Leiche wurde in einer solchen Lage gefunden, daß kein Zweifel mehr darüber herrschte, daß die Unglückliche lebendig begraben worden war. Man fand auch Spuren, die darauf hinwiefen, daß die lebend Begrabene mit der letzten ihr zu Gebote stehenden Kraft versucht haben mußte, den Sargdeckel zu sprengen. Die Mörder sind verhaftet worden. (Die Sache schmeckt stark nach Sensation; doch hat der Hergang nicht- gerade Unwahrscheinliches an sich.)
Vermischtes.
(Das kommt von der Sonntagsruhe.) Folgendes hübsche Geschichtchen erzählt der „A. St.-A." : „Die Frau Fabrikant L bekam am Sonntag Besuch von zwei bekannten Damen. Um die Gäste mit irgend etwas zu traktieren, schickte sie ihre beiden Jüngsten
nach der A.'schen Konditorei, um von dem so beliebten KirschkuLcn holen zu lassen. Nach einer Zeit langen Wartens kehren die kleinen Sendboten zurück. Als jedoch die Frau Mama dem Korbe die leckere Speise entnehme» will, sinket sie diesen vollständig leer. Auf ihre erstaunte Frage, ob denn die Kleinen keinen Kirschcnkuchen gekauft hätten, erfolgte die naive Antwort: „Ja, wir haben für das Geld Kuchen gekauft, aber der Herr Konditor hat gesagt, wegen der Sonntagsruhe dürften wir ihn nicht mit über di- Strsße nehmen, wir müßten ihn gleich bei ihm aufessen, und dar haben wir auch ge- than." . . .
(Aus der Schule.) Lehrer: „Lehmann, was stehst Du über Deinem Kopse, wenn Du in die Luft blickst § Lehmann : „Den Himmel I" Lehrer: „Und waS siehst Du, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt ist?" Lehmann meinen Regenschirm."
(Au!) Kind: „Du Onkel, warum bist Du denn nicht mehr schwarz hinten?" Onkel: „Weshalb soll ich schwarz sein, Du kleines Närrchen?" Kind: „O ich weiß doch vom Papa, daß Du über ein Jahr lang in der Tinte gesessen hast?"
Liebe um Liebe.
Novelle von Karl Cassau-
(Nachdruck verboten.)
10 .
Lothar Hiller war ein rechter, echter, trener Freund des Hauses von Eppinger geworden. Eden Halle er seinen „Kleomenes" beendigt und erntete für denselben außer neuen Lorbeeren such ein Honorar, welches den für Eppinger beglichenen Betrag wohl ziemlich decken mochte.
Frau von Eppinger wagte eS eines Tages gegen den täglich im Hause verkehrenden Freund wieder einmal die Geldfrage zu berühren, indem sie ihm ihre Pension anbot, wodurch in einer Reihe von Jahren doch ein Teil der große» Summe getilgt werden könne.
Lothar errötete bei dieser Verhandlung und eiilgcgnete:
„Gnädige Frau, ich schätzte mich damals glücklich, Ihnen den Dienst leisten zu können; an eine Abtragung dachte ich nicht I"
„Aber ich kann doch nicht lebenslang Ihre Schuldnerin bleiben I"
Er errötete stärker und sagte sanft:
„Do« sollen Sie auch nicht, gnädige Frau. Ich erbitte mir dafür von Ihnen ein — Kleinod I"
Es zog wie ein Sonnenstrahl über das vom Kummer entstellte G-sicht der Frau Eppinger ; sie ahnte das jetzt Kommende und fragte:
„Und das wäre?"
„Die Hand — Ihrer — Tochter — Alexandrine!"
Thränen standen der geprüften Frau in Len Augen, als sie entgegnete:
„Das Glück, welches ich mir so oft gewünscht, es sollte wirklich über uns kommen? — Was sagt Aiexandrine dazu?"
„Gnädige Frau," flüstkite er, „ich liebe sie fett Jahren, halte ober nicht den Mut, mit ihr zu reden. Ich dachte das Müller« Herz sollte ihr den Weg zeigen."
Eie reichte ihm die Hand und erwiderte:
„Ich will eS, ich will es, mein lieber Sohn. Vielleicht naht bald die Stunde!"
„Ader noch eins, gnädige Frau. Ale- xandrine muß sich frei entscheiden; nie darf sie von dem Getde erfahren; denken Sie an Ihr Versprechen I"
Sie nickte zustimmend.
Von jener Stunde an sah Al-xandrine Lothar oft prüfend an, dann wieder stand sie vor dem lebensgroßen Oelbilde des treuen Vaters und flüsterte:
„Ein Fels >m Meer I Ja, das mag er sein I Papa liebte ihn. O, geliebter Vater, wenn D« wüßtest! Der, den ich liebe, verachtet mich, und der mich liebt, den achteich nur l O deS Zwiespaltes im Herzen I"
Eines Morgens stand dann Loihar festlich gekleidet vor ihr, ruhmgckrönl, von der halben Residenz vergöttert, bot er ihr seine Hand. Wie ein Märchen aus der Jugendzeit klangen ihr seine Worte. War sie ein Dornröschen, das wohl hundert Jahre geschlafen, bis der Prinz kam und sie weckte? Und da stand er mit treuem Aufblick der Sphinxaugen und klar tönte die Frage in ihr Ohr:
„Aiexandrine, geliebtes, hohes Frauenbild, willst Du mein treues Weib-werde» ?"
Nun lag er zu ihren Füßen und da war eS ihr, als trete der Papa aus den Rahmen des Oelgemäldes und flüsterte:
„Sage ja, er ist ein Charakter, eine Stütze im Sturme deS Leben- I — ?"
Da beugte sie sich zu ihm nieder und sagte zärtlich:
„Wenn Sie mich Ihrer würdig halten, Lothar, ich will mich gewiß bemühen, Ihnen eine treue Gattin zu sein!"
„Bitte sprechen Sie nicht so, Aiexandrine; Ihr Ja hebt mich auf den Gipfel de« irdischen Glückes I"
Nun legie sie mit einem Aufblick zum Bilde des Vaters ihre Hand in die seinige, er fleckte ihr einen kostbaren Diamantenring an den Finger und küßte sie mit den Worten auf die Stirn:
„So bist Du mein, stolze Brünhild, Zauberin Circe I Und bei Gott, ich will Dich hegen als mein höchstes Kleinod I"
Frau Bella, die eben hinzutrat, durfte
nun segnend ihre zitternden Hände auf beider Haupt legen.
Andern Tags sprach man in der Kaiser- stadt nur von der Verlobung der stolzen Aiexandrine von Eppinger mit dem bürger« lichen Dichter Loihar Hiller.
„Aber der Dichter adele den Menschen in ihm I" fetzte man fast überall hinzu.
III.
Der gepackte Reifekoffer des glücklichen Bräutigams war von Hillershausen bereits nach dem Haufe der Braut geschafft. Nach der Trauung sollte ein Diner von fünfzig Gedecken in Jeans Hotel „zum weißen Schwan " statistiiden und mit dem Abendzuge wollte das junge Paar eine längere Reise nach Italien antreten.
Die Traung war vorüber. Die Braut saß stille an der Seite des fröhlichsten, glücklichsten Bräutigams, den man je gesehen. Doktor Löwe brachte den Trinkspruch auf., die Neuvermählten aus, der mit den Worten schloß:
„Möge, was Armor, der kecke, verwundet, Hymen nun heilen; hoch lebe, dreimal hoch und glücklich das junge Paar I"
Und nun folgte Tvastzauf Toast, darunter der sehr launige des SanliätSratö Slephsni, dann war die Fröhlichkeit allgemein. Milten im höchsten Wogengange der Freude, gerade, während der Schriftsteller-Verein Lothar eine Odation mit Fackel, Musik und Ansprache darbrachle, verschwand das junge Paar. Doktor Löwe antwortete für den Freund und gab den Gefühlen des Dankes Ausdruck, das Fest aber »ahm ungeslörl feinen Fortgang. Von der Mutter und dem Bruder hatte Alexandrine schon heimlich Abschied genommen, jetzt half ihr Beate in die Reitckleid- ung und küßte sie zum Abschied auf die Slir» mit den Worten:
„DaS Glücksei mit Dir!"
(Fortsetzung folgt.)
Gedankensplitter.
§ Man kann eine Sache a»f hundert Arten schlecht, aber nur auf eine gut machen.
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hosmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hyfmann in W'dbad.