Rundschau.

Wildbad, 3. August. Gestern nacht '/-3 Uhr brannte in Enzklösterle das große Anwesen des Bauern und Sägwerksbesttzers Schrafft, bestehend aus großem Wohngebäude, Scheuer und Holzschuppen vollständig nieder. Weil die Gebäude Schindeldach hatten, ver­breitete sich das Feuer rasch und es wären von den zahlreichen Bewohnern wohl einige verbrannt, wenn nicht gerade ein Sattlerge­selle aus Calmbach übernachtet hätte, der den Brand zuerst entdeckte und rasch die Be­wohner, die Familie Schraft und 8 Kindern, die Familie Frei, den Großvater und einen Besuch aus Amerika geweckt hätte. Die Be­stürzung und der Schreck der Leute warsehr groß. Schlaft vergaß in der Eile den Geld­beutel zu retten; seiner Frau gab er da« im Kasten vorhandene Papiergeld, einige Hundertmarkscheine, diese ließ das Geld, als sie die Kinder rettete, fallen, so daß kein bar Geld gerettet wurde. Nur mit Mühe konnten die verschiedenen Stücke Vieh, dar­unter ein Farren, der ganz wütend wurde, und die Schweine ins Freie gerettet werden.

Für das Denkmal Kaiser Wilhelms I. in Stuttgart ist, wie derSt.-Anz. für Württbg." meldet, dieser Tage ein neues Preisausschreiben an eine beschränkte Anzahl deutscher und deutsch-österreichischer Bildhauer versandt worden. Darnach ist als Platz für die Ausstellung des Denkmal« der Karlsplatz vom König von Württemberg zur Verfügung gestellt worden. Das Denkmal ist als über­lebensgroßes Reiterstandbild in Bronce ge­dacht. Die Gesammlkosten für das Monu­ment (Modell, Guß, Sockel, Aufstellung rc) dürfen die Summe von 150 000 ^ nicht übersteigen. Das Preisgericht für die ein­gehenden Entwürfe besteht unter dem Vor­sitz des Geheimen Kommerzienrats Siegle aus den Herren: Professor S. Eberle in München, Architekt Eisenlohr in Stuttgart, Professor Hundricser in Charlottenburg, Pro­fessor von Kopf in Rom. Die Preise für di« prämiierten Entwürfe hat der König auf feine Privatkasse übernommen. Mit der Prämiierung ist das Recht der Ausführung nicht unbedingt verbunden. Die prämiierten Entwürfe gehen gegen Auszahlung der Preise in das unbeschränkte Eigentum des Comiles über.

Friedrichshofen, 2. Aug. HeuteMttag haben Seine Kgl. Majestät mit Ihrer Kgl. Hoheit Prinzessin Pauline und Gefolge sich mittelst Exlrazuges nach Bebenhause» begeben, um daselbst auf einige Wochen Aufenthalt zu nehmen.

Hcilbronn, 2. Aug. Ein Fall bestiali­scher Roheit und Tierquälerei kam gestern hier vor. Ein IbjShr. Bursche vonJlsfeld, Knecht eines hies. ViehbesitzerS, schlitzte der Kuh seines Dienstherrn mit einer Weinberg- Hape den Bauch auf; einer anderen schnitt er in beide Ohren ein. Die Verwundungen sind glücklicherweise nicht gefährlich.

Altensteig, 1. Aug. Ein heiteret Stück­chen passierte einem Viehhändler aus einem hiesigen Wirtshaus. Der schon bejahrte Mann hatte im Eisenbahnzug ein Fräulein kennen gelernt, wie er sagte, eine Kellnerin aus Hall. In seiner Guthcrzigkeii »ahm er sich de« alleinstehenden Mädchens an und um dem zarten Wesen seine Skruppeln zu beseitigen, stellte er sie als seineTochter" vor. Dieweil er ein sparsamer Mann, be- jvz er mit ihr selbstredend ein Zimmer zu­

sammen. Als er aber morgens erwachte, war dasTöchterlein" verschwunden. Bei ihrer Abreise wählte sie den Umweg durch das Abbortsenster und um den Schmerz des Alleinseins etwas zu mildern, halte sie die Geldbörse des guten Mannes mit 300 -/A bar mitgehcn heißen. 300 ^ in Papier, welche sich in einer Brieftasche befanden, blieben dem betrogenenVater". Möge der Viehhändler stets ein solch gutes Herz habe» auch für die Wesen, mit denen, ihn sein Be­ruf in tägliche Berührung bringt.

Ebingen, 3. August. Gestern nachmit­tag vor 4 Uhr berührte S. M. der König auf der Durchreise unsere Stadt erstmals mit kurzem Aufenthalt. Der Kriegerverein und die städtische Musikkapelle hatten vor dem Bahnhof echtS Aufstellung genommen, und auch die Staats- und städtischen Beamten, sowie die bürgerlichen Kollegien hatten sich dort eingefunden; die Einwohner der Stadt waren außerordeiulich zahlreich als Zuschauer erschienen. Der König beehrte mehrere der anwesenden Herren mit Anreden und erkun­digte sich nanienilich bei Stadlschultheiß Hart­mann über den Stand der Bodenerträgnisse und ob Not vorhanden sei oder nicht.

Recht schlimm ist es einer Dienst­magd in Mutterstadt in der Pfalz ergangen, die ohne Kenntnis ihrerDienstherrschaft abends ausging und wahrscheinlich zu später Stunde zurückkehrte. Um unbemerkt in ihr Zimmer zu gelangen, wollte sie durch ein mit Gitter­stäben versehenes, offenstehendeS Fenster schlüpfen. Der Kops war bereit« hindurch, aber der andere Teil des Körpers vermochte sich nicht hindurch zu arbeiten, wie auch eine RücklvartSbewegung de« Kopfe« nachcr un­möglich war. In dieser Zwangslage wurde die unvorsichtige morgen- in trostloser Stimm­ung aufgefunden. Raschem de ein Schlosser­meister herbcigeholt, welcher die Eisenstäbe durchsägie und dadurch die Gefangener be­freite.

Finanzminister Miqucl hat den Vor­ständen süddeutscher Gastwirtsverbände in Frankfurt eine Audienz zugcsagt, IN der die Frage des Flaschenbierhandcls besprochen wer­den soll. Seit Jahren kämpfen die Wirt­schaftsverbände speziell Süddeutschlands gegen den von Kleinkaufleuten betriebenen Flaschen- dicrhandel.

Von dem eigenen Bruder erschossen wurde infolge unvorsichtige» Spielen- mit einem Gewehr in WvUersdvrs bei Lucken­walde der kleine Sohn de- Feldhüters Wende. Als der Sohn des JrgdpächtcrS Sch. von der Jagd nach Hause kam, hing er sein noch nicht entladenes Gewehr in seiner Wohnung beim Feldhüter Wende auf, um sich sodann in den Gasthof zu begeben. Der älteste Sohn des Mende, ein Zimmerlehrling, er­griff da« Gewehr in dem Glauben, eS sei nicht geladen, legte es mit den Worten: »Jetzt schuß' ich Dich tot l" auf seinen jüng­sten Bruder an und schoß ihn durch den Kopf, so daß das Kind auf der Stelle starb. Ruchlosigkeit eines Fünfzehnjährigen.

Vor einigen Wochen wurde in Währing bei Wien an dem Privatbeamten Samuel Löwy ein Diebstahl verübt, der allgemeine« Inte­resse wachricf. ES hatte nämlich den An­schein, als sei es durch Ausströmenlasstn des Leuchtgases auf das Leben der Familienmit­glieder abgesehen gcwesen. Nachdem die Magd de- Hauses, Marie Schwarz, unter dcmPcrdachtr derThätcrschast gegen 3 Wochen

unschuldig in Untersuchungshaft zugebracht hatte, wurde festgestellk, daß der Sohn des Hauses, der 15jährige Konservatorist Mvriz Löwy, der Thäter gewesen. Das Ausströmen- lasstn des GaseS sollte nur den Verdacht er­regen, daß ein fremder Thäter die Hand im Spi-le gehabt habe. Das aukgcströmtc GaS hat für die Gesundheit der betroffenen Per­sonen keinen ernstlichen Nachteil gehabt und für den Diebstahl innerhalb der Familie hat der Vater den Sohn straflos gemacht durch seinen Verzicht auf Anwendung des Gesetzes. Es konnte daher in der Hauptsache nur die Anklage wegen Verleumdung gegen Moriz Löwy erhoben «erden, insofern seine in der Untersuchung gegen Marie Schwarz gemach­ten Angaben geeignet gewesen sind, den Unter­suchungsrichter irrezuführen. Ueber diese An­klage fand am Mittwoch vor dem Erkenn!- nisgerichle in Wien die Verhandlung statt. Moriz Löwy wurde zu einjährigem Kerker verurteilt.

Der Zweikampf der Blumenmädchen. Zwei junge Blumenmädchen in Paris, die 17jährige Julia Ritcher und die 15jährige Maria Dufour liebten denselben Mann, der im ganzen Viertel unter dem Namen ,,der schöne Braune" bekannt war. Vor einigen Tagen trafen sich die beiden Nebenbuhlerinnen auf einem öffentlichen Tanzboden in der Gravillierstraße. Derschöne Braune" war auch anwesend und machte beiden Mädchen den Hof. Die Damen sahen nun ein, daß Eine von ihnen überflüssig sei und kamen überein, auf der Stelle um den Besitz des begehrensw-rten Jünglings zu kämpfen. Mit Messer bewaffnet, begaben sich Julia Ritcher und Maria Dufour auf die Straße, und unter einer GaSlaternc begann bald vor zahl­reichen Zeugen, die gespannt zusahen, ein merkwürdiger Zweikampf. Als die Polizisten des Viertels herbeieilten, fanden sie die beiden Mädchen über und über mit Blut bedeckt vor. Man brachte sic in das Hospital Lari- boisicre, wo man feststellte, daß die Ritcher verschiedene Kopfwunden hatte und daß ein Stück von der Nase fehlte. Maria Dufour, die fünfzehnjährige hatte 5 Messerstiche im Arme, an der Schulter und an der Brust davongetragen. Die Verwundungen sind je­doch nicht schwer, und die beiden Amazonen haben gelobt, sich noch einmal zu schlagen, sobald sie geheilt sein werden.

* Gegen nervöse» Zahnschmerz ist Chinin­pulver ein rasch wirkendes Mittel von gün- stigstlM Erfolg. Man taucht einen Finger in frische» Wasser, dann sofort in Chinin­pulver und reibt damit das Zahnfleisch in der Nähe des schmerzenden Zahnes zwci- bis dreimal hintereinander ein.

Hiesiges.

Wildbad, 5. August. Im Monat Juli wurden im hiesigen Schlachthaus geschlachtet:

49 Stück Ochsen,

12

V

Kühe,

2

Rinder,

239

Kälber,

57

Schweine,

67

f,

Schaafc

426 Stück zusammen.

Von Auswärts eingebrachteö Fleisch: 9433 Pfund.

Schlachthausverwaltung: Vorstand F. Weber.