Liebe um Liebe.
Novelle von Karl Casslllk.
Nachdruck verboten.
6 .
Im Eppingerschcn Hause war e« inzwischen still geworden; die letzten drei Gäste waren Guido von Gilziugen, Viktor, der auswärts wohnende Sohn des Hauses, und Doktor Lowe gewesen. Dann hatte die Dienerschaft das Portal geschlossen, die Lichter gelöscht und mit Hilfe der bezahlten Lshnwär- ter angefangen aufzuräume».
Herr von Eppinger war in sein Zimmer gegangen, wo er, sobald er sich allein wußte, laut ausseufzend im Canapee zusammenge- drochen war. Von Alexandrine hatte er zärtlich Atstchied genommen, denn die Tochter war sein Augapfel, zu seiner Frau aber hatte er gesagt:
„Ich habe noch mit Dir zu sprechen, Bella I"
Nachdem Eppinger sich jetzt ein wenig gefaßt, murmelte er:
„Der Schlag kam unerwartet! Mögen die Heiligen Schwereres von mir abwendcn I"
Er klingelte dann dem Diener Jean.
Dieser erschien sogleich und fragte nach den Befehlen deS gnädigen Herrn.
„Ich muß noch arbeiten, Jean;" lautete die Orvre, „laß nach dem Ofen sehen; auch möchte ich nur IM wichtigsten Falle vor neun Uhr Morgens gestört sein I"
„I» wohl, gnädiger Herr!"
„Gute Nacht, Jean."
„Gute Nackt, gnädiger Herr!"
Der Dinier schrill hinaus, Eppinger aber trat durch die Sellenthür in das Boudoir seiner Gemahlin. Währenddes überwachte J-an den Diener, der den Oien in Oidnung brachte, er leibst zündete dag Gas üb r dem Pulte an, stellte eine Flalche Portwein nebst einem K>ystallbecher auf den Sophatisck, übeiflog »oevmals alle Ano>d»n»gen und schloß die Thür.
„Nun, liebe Frau," fraate Herr von Eppinger, „bist Du von dem A'ende befriedig, ?"
„Ach Leopold," enigegnele die Frau Bank- dlrekior, „um meinetwillen brauch>l Du kein grogeS Haus zu machen; da es aber Deine Stellung lo ivrvert, so ist es mir auch recht. Am liebsten lebte ich ganz i» der Stille."
„Du vergißt unsere Tochter, sie muß in die große Welt eingefühlt werden."
„Du hast recht, Leopold !" crwiednte seine Gemablm.
„Beate wäre nun auch versorgt," bemerkte der Bankdircktsr.
„Welch ein Glück für sie!" gab die Frau Bankdireklor beifällig zurück.
»Ich glaube auch, Doktor Löwe ist ein wackerer Mann. Wir werden in der nächsten Zeit Beatens Aussteuer Herrichten müssen I"
Sie nickt beifällig und bald darauf sagte Eppinger seiner Frau gute Nacht und ging in sein Zimmer zurück.
Hier öffnete er das Pult, nahm auS einem G>h> imfache ei» Buch und trug die Zahl 50 000 ein. Leise und zitternd flüsterte er dabn:
„Ein halb. Million ist verloren! Mein Go t, m i„ Gsir, wenn eoch nur bald günstigere Conjuncturen eintreteten wolllen I"
Er hoile dann ein großes Rcchnungbuch
hervor und rechnete, dann trank er hastig zwei große Gläser Portwein und rechnete weiter.
Die Uhr auf dem Kaminsims schlug gerade sechs Uhr, als Herr von Eppinger das Pult schloß und im Begriffe war, sich in sein Schlafkabinet zurückzuziehen, da wurde die Portalkiingel heftig gezogen.
Herr von Eppinger hatte sich schon halb ausgekleidet, als Jean mit seinem silbernen Armleuchter erschien, leise an die Thür deS CabinetS pochte und halblaut rief:
„Gnädiger Herr"
„Was giebl's, Jean?" ertönte sogleich die Stimme des Herrn von innen.
„Der Bankdiener Klöppel ist draußen und wünscht Ew. Gnaden in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen."
„Klöppel ist da, Jean?" frug der Bankdirektor und seine Stimme schien leise zu vibrieren. „Führen Sic ihn ein I"
Jean ging und geleitete ein kleines rundes Männchen mit einem vor Aufregung glühet,den Gesicht in das Arbeitszimmer des Direktors.
„So," meinte Jean, „der Herr Direktor kommen gleich!"
Er entzündete abermals daS Gas, wobei er den Cylinder noch heiß fand, schüttelte leise den Kopf, nahm den Leuchterund ging hinaus.
Gleich darauf trat Herr von Eppinger im seidenen Schlafrock ein und fragte:
„N»n, was g'cbt's, Klöppel ? Es ist doch kein Einbruch verübt?"
Eppingers Gesicht war dabei sehr bewegt.
„Gott fei dank, »ein, Herr Bankdirektor/ erwiderte lächelnd der Bankdiener. „Das ist eS nicht, weshalb ich komme. Ich wollte den Herrn Direktor nur benachrichtigen, daß heute morgen eine Cassenrevision stallfinden wird I"
„Cas—sen—reviston?" fragte Herr von Eppinger leichenblaß.
„Allerdings," gab der Diener in seiner freundlichen Weise Auskunft. „Gestern abend 6 Ubr — der Herr Dir kior waren schon fort — kamen drei Herren vom Anssichls rat nnd forderte» H rrn Jübrden, dem ersten Kassierer, die Casstnschlüsffl ob. Man revidierte und fand alles in Ordnung. Die Herren «erlangten darauf den Hauptfchlüssel zum Depositengewölde."
„Zum De—po—st—ten—ge—wöl—bc?"
Klöppel nickte und fuhr eifrig fort:
„Herr Jührde» bemerkte daraus, daß der Herr Direktor selbst diesen Schlüssel in Verwahrung habe. Ich erbot mich sogleich, selbigen zu holen, aber die Herren meinten, es sei unnötig, man könne die Revision morgen früh — also heute vornehmen I"
„Und um welche Zeit?"
„Um zehn Uhr, Ew. Gnaden I"
„Es ist gut, Klöppel, ich danke Ihnen. Hier!"
Er drückte ihm einen Doppelgulden in die Hand und entließ ihn.
Kaum hatte sich die Thür hinter dem Boten geschloffen, so brach Eppinger, weicher nur mühsam seine Fassung bewahrt hatte, zusammen nnd murmelte:
„Cassenrevision I Ich bin verlöre» !"
Mühsam schleppte er sich bis zum Pult, dessen Geheimfach er abermals das Büchlein entnahm in welches er vorhin geschrieben. Er stierte die Ziffern darin an und große
Schweißtropfen rannen dabei'von seiner hohen, weißen Stirn herab. Dan» fing er eilig an zu schreiben. Jetzt war er fertig und ad- dresicrte das Schreiben:
„An Frau Bella von Eppinger!"
Den Brief legte Eppinger aus den Sopha- tisch. Nun stürzte er ein Glas Portwein hinunter, dann wandelte er ruhelos auf und ab. Dabei murmelte er:
„O, die Schande, die Schande; Bella, wie dauerst Du mich I Alexandrine, Deine Zukunft! Und Du, Victor, armer Junge! Sie werden Dich sorischicken und Du wirst dem Vater fluchen I"
Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
< Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Auch ein Barterzeugungsmiltel. Eine Strafe für Leichtgläubigkeit erlitt, wie das „Kön. Tagebl." erzählt, der Knecht H. in C. Dieser wünschte gern einen Bart zu besitzen, doch trotz seiner 25 Jahre wollte diese Zierde des Mannes noch immer nicht zum Vorschein kommen. Er klagte sein Leid einem Freunde und der gab ihm den Rat, zu einer „klugen Frau" zu gehen, was H. auch schleunigst that. Die „berühmte Frau" gab ihm die Weisung, einen jungen, noch nicht flügge gewordenen Storch zu fangen, diesen zu töten, das Fett ausznbratcn und damit täglich wiederholt die Stellen für den gewünschten Bart einzureiben. Die Folgen würden nichl lange auf sich warten lassen und nach vierzehn Tagen würde er t>n Besitze eines prächtigen Bartes sein. Neue Hoffnung beseelte de» jungen Mann, und »ach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm, in Abwesenheit eines alt>» Siorchen- paares einen der kauin flügge gewordenen Sprößljnge zu ergreifen und vom Dalle herabzuwerfen. In diefem Augenblick erschienen die allen Störche wieder. Sir fiele» über den Knecht her und bearbeitete» ihn mit ihren Schnäbeln derart, daß der junge, kräftige Mann de» Hall verlor und dlut- üderstiöml vom Dache siüizte. Doch a»ch unten griffen sie de» Kn-cht an, und wäre ihm nicht der Besitzer des Gehöfts mit einem Knüttel zu Hilfe gekommen, dann hätten vielleicht die Störche den vor Erschöpfung und Blutverlust wie leblos daliegenden jungen Mann gelötet. Der aus vielen Wunden blutende Knecht wurde sofort in die Wohnung geschafft.
- (In vier Tagen von Europa nach Ami rika,) Nach und nach scheinen die Ent- fern> ngen vollständig aufgehoben zu werden. Auf einer englischen Werft wird gegenwärtig im Aufträge der White Star Linie ein „Gi- ganttc" getauftes Schiff gebaut, dessen Größen- vcrhä.lnisse noch weit erstaunlicher sind «IS die des berühmten „Great Eastern". ES soll angeblich 700 Fuß lang und 68 Fuß breit sein und 45 000 Pferdekraft haben. ES würde mithin 8 Fuß länger sein als der „Great Eastern", aber ein wenig schmaler, die Kraft würde aber die deS „Great Eastern" weil übertrefsen, da das letztgenannte Schiff nur 8000 Pferdekraft hatte. Der „Gigsn- tic" soll eine Schnelligkeit von 27 Knoten haben, er würde alio die Fahr! über bcn Ozean von Amerika i ach Europa (England) in 100 Stunden, also in 4 Tagen auösühren.
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernha rd Hojmann.