Rundschau.

Notstand aus dem Laude. Wir wir hören, wurde das Verzeichnis über die bei den Sammelstillen in Stuttgart eingegangenen Gaben vom Rechner des Vereins zur Hilfe in außerordentlich!« Notstandsfällen auf dem Lande zwei hiesigen Blättern zugestellt und soll in denn Sonntagsnummer veröffentlicht werden. Die Sammlung hat bis jetzt das schöne Ergebnis von 37,210 82 ge­

liefert und wird, wie zu hoffen ist, der Größe des Bedürfnisses und der für den Herbst und Winter unausbleiblichen Steigerung des Notstandes entsprechend noch nahmhafte wettere Zuflüsse erkalten. Die zur Linderung der Futternoi erfolgten Unierstützungsver- willigungen für die dringendsten Fälle be­trugen bis jetzt 12,040 ^ Wir erwähnen bei diesem Anlaß, daß d>r Verein zur Hilfe in auß?ro>deutlichen Notstandsfällen auf den, Lande statutengemäß unter der Aufsicht der ZntraUeitung des WohlthätigkeitsvereinS st-cht und dieser Behörde alljährlich von seinem Rechnungsabschluß behufs Revision Vorlage macht. Eine große Aufgabe erwächst dem Verein für die nächste Zeit. Neben der Fntternot-stehen vor viele» unserer minder- begüterlen Landwirte als unerbittliche Mah­ner fällig werdende Zinse und rückständige Schulden vom Vtehhandel her, während ein Teil des Viehbestandes, ja selbst da und dort die einzige Kuh, zu Schleuderpreisen wegge- geben werden mußte. Nicht wenige werden in den kommenden Monaten die rettende Hilfe des Vereins in ihrer Bedrängnis nach- suchen. Vermögen sie auch im Augenblick noch mit dem vorhandenen Grünfutter aus- zuksmme», so wird es im Spätjahr und Winter in Ermanglung des Heues doppelt nötig sein, helfend einzugreifen.

Plochingen, 15. Zuli. Gestern wurde bei Oekonomiepfl. Mayer hier während derselbe mit seiner Frau auf dem Felde war, von unbekannter Hand die Kommode geöffnet und der darin befindliche Geldbeutel seines ganzen Inhalts beraubt. Von dem Thäter hat man bis jetzt keine Spur; allen Anzeichen nach scheint derselbe jedoch mit den Räumlichkeiten bekannt gewesen z» sein.

In Eßlingen feierte letzten Donners­tag abend die gesamte Bürgerschaft, ohne Unterschied der Parteien, die Erhebung ihres Stadtschultheißen Dr. Mülbcrgcr zum Ober­bürgermeister, durch ein Bankett in Kugels Festsaal. Sämtliche Gesangvereine wirkten mit, und es wurden zahlreiche Reden ge­halten und Toaste ausgebracht.

Nagold, 14. Juli. Das hiesige Elektri­zitätswerk funktioniert bis jetzt tadellos. Ver­schiedene Gewerbetreibende (Buchdrucker, Tuch­macher, Schreiner) haben Motoren ausgestellt, die sehr befriedigen. Herr Klingler hat so Viele Aufträge erhalten, daß er wahrschein­lich diesen Herbst noch eine weitere Wasser­kraft erwirbt undelektrisch" verwertet. Werkmeister Benz beabsichtigt ebenfalls seine Sägmühie durch Motoren zu betreiben.

Ebingen, 14. Juli. Gestern nachmittag wurde in der hiesigen katholischen Kirche ein Kirchendieb durch den MeSner, der sich in dieser versteckt hatte, auf der That ertappt. Der Dieb ist ein 11jähriger Bude von Meß- stetten, der bei seiner Vernehmung gestand, schon fünfmal vorher durch wegreißen des Schlößchens am Opferstock diesen erbrochen und seines Inhalts beraubt zu haben. Von dem Reichtum der heurigen Kirschrn-

ernte giebt die Thatsache Zeugnis, daß Herr L. Luippold in Weilheim an der Locher von einem einzigen Baume 6 Zentner Kirschen erntete.

Laupheim, 13. Juli. Eine Erfindung, welche alle Beachtung verdient und die Fach­männer als genial bezeichnen und ihr eine große Zukunft prophezeien, ist die von Kauf­mann Theodor Demmel in Roth, OA.Laup- heim, Vorrichtung zum schnellen Auslösen der Deichsel beim Durchgang oder Sturze der Pferde und zum sofortigen Anhalten der­selben, gekennzeichnet durch das keilförmige Deichselnde, das aus einer Hülse durch eine doppelte Sperrvorrichtung vom Kutscherbock ans lösbar ist. Diese Erfindung, welche den beim Durchgehen der Tiere fast täglich vsrkommenden Unglücksfällen verbeugt, ist unter Nr. 15,418 dem Patent- u. Muster« schutzgesctz unterstellt.

Rottenburg, 15. Juli. Gestern abend kam der Bischof Dr. v. Reiser vom Kgl. Hoflager von Fricdrichshafen zurück. Wäh­rend der Audienz wurde ihm vom König persönlich das Kommentnrkreuz des Ordens der württembergischen Krone überreicht.

Ulm, 17. Juli. Heute vormittag 9 Uhr stürzte sich die Frau eines Bremsers Namens Frei in der Frauenstraße i» einem Anfall von Geistesstörung ans dem Bühncnladen auf die Straße; sie siel mit dem Kopf auf das Trottoir und mar alsbald eine Leiche.

E« gilt feststehend, daß der Kaiser am 9. September in Straßburg eintreffen, am 10. September die Grundsteinlegung der neuen evangelischen Garnisonskirche vorneh­men und entweder am gleichen Tage oder aber am 11. September wieder abreisen wird. Wie es heißt, sind zwei Tage für den Auf­enthalt in Straßburg vorgesehen. Vom 3. bis 9. September wird der Kaiser in Metz und überhaupt in Lothringen weilen.

Der Antrag des Abg. Prinzen Caro- lath, welcher die zweijährige Dienstzeit fest­legen will für die Zeit der Aufrcchterhaltiing des jetzt bewilligten Prascnzstandes und der bewilligten Formationen wurde mit 274 ge­gen 105 Stimmen abgelehnt. Für den­selben stimmte» geschlossen die Nationallibe- ralen, die Polen, die freisinnige Vereinigung und die deutsche Reformpartei, ferner von der Reichspartci die Abg. ». Gültlinge», Höffel und Schultz Lupitz, von der freist VoikSpartei Anker und Pflüger (Baden), Schnaidt von der Volkspartei, von den Kon­servativen Pöhlmann und Zorn v. Bulach, der Elsässer Haas und von den Wilden v. Hornstein. (Abg. Frhr. v. Gültlingen ist für den Antrag, weiß aber von der An­nahme desselben nicht seine Abstimmung für die Vorlage abhängig. Redner hat sich seinen Wählern gegenüber für die verfassungsmäßige Festlegung der zweijährigen Dienstzeit aus­gesprochen und bedauert, daß die Regierung dem gegenüber eine ablehnende Haltung ein­genommen habe; ebensogut wie die dreijähr. könnte auch die zweijährige Dienstzeit in der Verfassung ihren Platz finden, zumal sich dabei um die Erfüllung eines sehnlichen Wunsches weiter VolkSkrcise handelt.)

Berlin, 15. Juli. Die Militärvorlage wird in dritter Lesung nach Annahme des Art. 1 über die FriedenSpräsenzstärke durch Aufstehen und sämtlicher übrigen Artikel ohne weitere Abstimmung angenommen. Sodann wurde die gonze Vorlage in namentl. Abstimm­

ung mit 201 gegen 185 Stimmen ange­nommen.

Aus Mannheim wird vom 18. Juli berichtet: Der Kaufmann Eugen Rnoff au« Stuttgart, der sich, wie gemeldet, in ver­flossener Nacht hier auf der Straße erschoß, ist anscheinend eigens für diesen Zweck hie- hergereist. Seinem in Neckarau wohnenden Bruder schickte er am Abend vor der That einen 50 ^-Schein und bemerkte in dem begleitenden Brief, er werde sich in der Nacht erschießen. Das Geld sei für die Begräb­niskosten bestimmt. Als Beweggrund zu dem verzweifelten Schritt wird ein Lungen­leiden angegeben, an welchem der erst 26 Jahre alte Mann seit Jahren litt. Den Revolver halte er sich am Abend vor der That in einer hiesigen Handlung gekauft. Noch unaufgeklärt ist, daß bei Auffindung der Leiche Portemonnaie mit ca. 12 -/A Inhalt, Uhr und Ring fehlten.

Im September v. I. verschwand auf der Post in Köln ein von Venedig abgesandeS Gelbpaket, enthaltend 8400 Lire in kleinen Geldmünzen. Alle Nachforschungen nach dem Diebe blieben erfolglos, bis es dieser Tage einem Kriminalschutzman» gelang, denselben in der Person des Postillons Breuer zu er­greifen, dessen Frau die Münzen in der Passage umgesetzt hatte. Durch die großen Ausgaben des Breuer war man auf diesen aufmerksam geworden.

Skandalöse Arbeiterbegräbnisse. Ein Aergernis erregender Vorgang knüpft sich an den schweren Unglücksfall, der sich dieser Tage in Dresden bei Abbruch eines Hauses an der Pragerstrsße ereignete. Zwei Arbeiter wurden dabei gelötet. Am Sonntag Nach­mittag wurden dieselben auf dem Tolkewitzer Friedhöfe hinter Blasewitz begraben und hierbei hat sich ein beklagenswerter Vorfall ereignet. Von einem bestimmten Verdacht erfüllt, waren zahlreiche Arbeiter auf dem Kirchhofe erschienen und verlangten an der offenen Gruft die Oeffnung der Särge. Die Leichenfrau setzte dieser Aufforderung Wieder­stand entgegen, wurde aber mit Gewalt bei Seite geführt und man löste nunmehr den Deckel der Särge. Hier zeigte sich, daß die Verunglückten ohne Waschung und ohne wür­dige Toienkleidvng in die Särge gelegt waren, genau in der Verfassung, in der man sie unter den Schuttmassen des Hauses hervor- gczsgen hatte. Dieser Thalbestand ist um so verblüffender, als von dem betreffenden Baumeister rechtzeitig eine für würdige Be­stattung ausreichende Summe zur Verfügung gestellt war. Im gerichtlichen Nachspiel wird sich zeigen, wen die Schuld an dieser Ver­nachlässigung trifft. In noch schlimmer Art wiederholte sich der Vorfall vom Sonntag am 12. d. M. bei der Beerdigung eines dritten Verunglückten auf dem Löbtauer Fried­hofe. Hier warteten die durch die vorgestrige Wahrnehmung mit Recht empörten Arbeiter nicht erst, bis der Zug den Kirchhof erreicht hatte, sondern nötigten denselben noch auf der Straße zum Halten, öffneten den Sarg und wurden de- gleichen Anblickes gewahr wie am Sonntag. Eine Aufklärung über diese Vorgänge ist dringend zu fordern.

In Hustatyn (Stadt in Galizien) ist am 15. d. M. ein Brand ausgebroche», der die ganze Nacht anbauerte; 400 Häuser, die Synagoge und die griechische Kirche sind eingeäschert, 3000 Personen «bdach- und brotlos.