Hiesiges.

r. Wildbad, 26. Juni. Gestern stattete der katholische Kirchenchor den Ludwigsburg der hiesigen Stadt und katholischen Gemeinde einen Betuch ab. Der Chor sang in unserer dicht gefüllten Kirche morgens während des Gottesdienstes, wobei wir von ihm gediegene Leistungen vernehmen durften. Wir bewun­derten die Schönheit und Fülle der Stimmen sowie die treffliche Schulung des Chores, die auf einen tüchtigen, schneidigen Dirigen­ten (Herrn Lehrer Huber) schließen ließ. Ganz besonders hat uns gefallen das Lmitto spiritum tuurn, du- bekannte Meisterwerk des erst kürzlich verstorbenen Kammersänger« Schütty. Auch die Messe (von Witt) wurde exakt und sein vorgetragen. Gegen abend versammelte man sich im Garten des kühlen Brunnens noch zu einem kleinen, hübschen Konzert, das nur zu rasch endete, da schon der Zug um 6 Uhr uns die teuren Gäste entführte. _

Rundschau.

Unter dem Vorsitz des Direktor-der Zentralstelle für die Landwirtschaft Frhr. H. v. Ow fand Samstag vorm, von 10 Uhr an in Stuttgart eine Sitzung der Notstands- Kommission statt. s wurden zunächst die Adressen der Bezugsquellen für Heu und Stroh festgestellt und an die Bedürftigen im Lande mitgeteilt. Ferner ist die Kom­mission in der Lage, für die Landbevölker­ung folgende Materialien adzugehen: 400 Wagen Mais, 10 Wagen Baumwollsaatmehl, 10 Wagen getrocknete Bierträber, 3 Wagen Erdnußkuchcn, 30 Wagen Palmkuchcn, 100 Wagen Mohnkuchen, 3 Wagen Scsamkuchen, 2 Wagen Rcpskuchen, 100 Wagen Torsstreu, 80 Wagen Chilisalpeter, 100 Wagen Tho­masmehl. Kainit und Superphosphat in jeder Menge. Die Abnehmer haben sich an ihre Orts- ober OberamtSbchördcn zu wenden.

Stuttgart, 24. Juni. (Schwurgericht.) In der heutigen Verhandlung wegen Fälsch­ung einer öffentlichen Urkunde und damit versuchten Betrugs war der frühere Ankupp­ler auf dem Bahnhof zu Cannstatt Jakob Friede. Majer, ledig, von Klein-Sachsenheim OA. Vaihingen augeklagt und geständig eine am Sonntag den 5. März auf dem hiesigen Bahnhöfe um 15 gelösteFahrkarte 3. Klasse zur einmaligen Fahrt nach Cannstatt, die ihm unterwegs nicht durchlöchert worden war, am Svuniag den 19. März nochmals zur Fahrt nach CannstatI benützt zu habe», nach­dem er das Datum auSgekcstzt hatte. Ein Schaffner euld ckte die Fälschung sofort und führte denselben in Cannstatt dem Bahnhof­vorstand vor. Der Angeklagte, welcher stark betrunken gewesen sein will und noch nie be­straft wurde, erhielt von den Geschworenen mildernde Umstände zugebilligt und wurde zu der gesetzlichen Mindcststrafe Von 3 Mo». Gefängnis verurteilt. Die Anklage vertrat der erste Staatsanwalt Nestle, Verteidiger war Rechtsanwalt Jordan, Obmann der Ge­schworenen Fabrikant Oskar Merkel von Eßlingen.

Eßlingen , 23. Juni. Zur Zeit des Kriegerfestc«, Pfingsten ds. I»., wurden in hiesigen Wirtschaften mehrere bedeutende Dieb­stähle verübt; cs wurden goldene Uhren mit Kelten, ferner an Bargeld 720 und 600 gestohlen. Die Nachforschungen der Polizei blieben aber damals ohne Erfolg. Nun hat sn dieser Woche der hiesige Pott«

zeikommissar von dem in Hamburg verhaf­teten und nach Cannstatt abgelieferten Ein­brecher Fritz, gebürtig von Riedlingcn, das Geständni« erhalten, daß er die Diebstähle begangen habe. Wieviel von den geraubten Gütern noch zu retten ist, wird die einge- leitete Untersuchung ergeben.

Ans dem Oderamt Hall, 22. Juni. In der Nähe von Obcrspeltach hat der Dienst­knecht Friedrich Kaufmann von da bei Ar­beiten auf dem Feld eine» Krug mit 1400 Haller Hellern (Wappen Hand und Kreuz) gefunden. Er bat den größten Teil Verkauft und 45 ^ erlöst. Am Sonntag findet in Eckartshause» eine größere Versammlung zur Bergung über Mittel zur Abhilfe der Futter- und Streunst statt.

Nagold, 23. Juni. Die Einrichtung der elektrischen Beleuchtung in unserer Stadt ist nun so weit vorgeschritten, daß gestern abend zum erstenmal Wirtschaften, Kaufladen n. s. w. mit elektrischem Licht versehen waren^ Die Probe fiel sehr gut aus.

Laubheim, 23. Juni. Heute früh vier Uhr fanden Männer, welche zum Mähen gingen, zwischen hier und Rißtissen am Rande einer Wiese den Leichnam eines Mädchens. Bei näherer Besichtigung erkannten sie, daß eS die von hier gebürtige 23jährige Näherin M. sei, welche, seit einiger Zeit im gräflichen Schlosse in Rißtissen beschäftigt, auf dem Heimwege zu ihrer Mutter, einer armen Witwe, begriffen war, um ihr den verdien­ten Lohn von 40 ^ zu bringen. Schon seit längerer Zeit kränklich, wurde sie unver­sehens vom Tod ereilt.

Ulm, 25. Juni. Vorgestern nacht wurde hier ein mit LandeSverbot belegter 23jähriger Barbiergehilfe Anton Rutkowsky au- Jnow- razlow in Posen festgenommen, der von einem Landsman denunziert worden war, daß er unter falschem Namen und mit ge­fälschten LegitimatisnSgebühren reise. Bei seiner Durchsuchung zog er auf der Polizei­wache ein Gläschen mit Karbolsäure hervor und trank dasselbe aus, ehe er daran ver­hindert werden konnte' Der Leben-über­drüssige mußte, nachdem ihm noch auf der Polizei die erste ärztliche Hilfe geleistet wor­den, in das Hospital verbracht werden. An seinem Nufkemmen wird gezwcifelt.

Uebcr die am 4. Juli beginnende ReichsiagSsession stehl bis jetzt nur fest, daß der Kaiser sie mit einer Thronrede eröffnen wird, auf deren Inhalt man unter den gegen­wärtigen Verhältnissen mehr als sonst ge­spannt ist, und daß dem Reichstage sofort die Militärvorlage, wenn auch nicht ganz in der Form, so doch inhaltlich mit dem An» trag Huene übereinstimmend zugeht. Weitere Beschlüsse über die Reichstagssesion sind noch nicht gefaßt. Die Regierung würde gern auch die Erledigung des Reichsseuchengesetze« sehen; ob aber dieses »der gar noch andere Vorlagen dem Reichstage in dieser Sommer­saison zugehen, hängt von der Zeit ab, die er zur Erledigung der Militärvorlage braucht. Ergeben die Wahlen schließlich eine sichere Mehrheit für die Vorlage, so wird die Ses­sion nur wenige Tage danrrn; ist aber der Mehrheit fraglich, oder muß man gar erst versuchen, sie durch Verhandlungen zu stände zu bringen, so dauert die Session länger und die Militärvorlage geht wahrscheinlich an eine Kommission. Dann wäre auch Zeit vor­handen, um nebenher das Reichsseuchengesetz und noch einiges andere zu erledigen.

Kehl, 24. Juni. Da«Kehler Wochen­blatt" berichtet von einem Heudiebstahl, der in einer Gemeinde des Amtsbezirks vorge­kommen. Em sozialdemokratisch gesinnter Bauer hatte danach seinen Wiescnerlrag 9 Hausen Heu zur Abfuhr aus dem Felde bereit liegen. Als er sie morgens anfladen wollte, lagen nur neck 3 Haufen da, wobei an einer Stange ein Zettel angchefiet war mit der Bemerkung: .Als Sozialdemokraten hätten die Genossen nach dem Grundsätze der Teilung nur ihren Anteil geholt und den seinigen ihm übrig gelassen.

London, 23. Juni. Das zum Mittel- mecrgeschwader gehörige englische Panzerschiff Viktoria ist infolge eines Zusammenstoßes mit dem Panzerschiffe Camperdown bei Tripolis untergcgangen. Der kommandierende Admiral Tryon und vierhundert Mann sind ertrunken.

Lsndvn, 23. Juni. Nach einer Depesche an die Admiralität Von heute fand der Zu­sammenstoß der Viktoria mit dem Camper­down nachmittags während des Manöveriercns statt. Die Viktoria sank nach 15 Minuten bei 15 w Wassertikfe mit dem Kiel nach oben. Außer dem Admiral Tryon ertranken der Echiffsgeisttiche, der Chefingenieur, 1 Lieutenant und 8 Marine-Aspiranten. Die Viktoria wurde von dem Camperdown an der rechten Seite angerannt. Der Camperdown, schwer beschädigt, muß zur Reparatur in da« Dock gehen. Von den 650 an Bord der Viktoria befindlichen Leu­ten wurden 255 gerettet. Es ertranken so­mit 395 Mann.

London, 23. Juni. Im Unterhaus ver­las Gladstone ein amtliches Telegramm, wo­nach 611 Offiziere, Matrosen und Schiffs­jungen, sowie 107 Marinesoldaten sich an Bord Viktoria befanden. Er befürchtet, daß mindestens 430 Mann umgekommen seien; jedoch sei es möglich, daß noch während der Katastrophe einige Leute von den anderen Geschwaderschiffen gerettet worden seien.

London, 24. Juni. Kaiser Wilhelm sprach in einer Depesche an den Admiral Comerell sein tiefe« Bedauern über den Un­tergang der Viktoria und sein Beileid mit Lady Tryon und ihrer Familie aus. Der Lordmayor wird eine Subskription für die Familien der Ertrunkenen eröffnen.

Vermischtes.

Um Kunstwein von Schtem zu unter­scheiden, giebt Beysc folgendes Mittel an: Man tröpfle in ein Trinkglas abends 610 Tropfen Wein, fülle das Glas mit Trink- wasser und lasse eS über Nacht offen stehen. Morgens koste man nüchtern das Wasser; haben die wenigen Tropfen bei dem Wasser den eigentümlich unangenehmen Geschmack schalen Weine-gegeben, dann war der Wein Naturwein, bei künstlich fabriziertem Wein erlangt das Wasser diesen charakteristischen Geschmack nicht.

Ein Inserat von 1640. Damals sah es doch ganz ander« in Handel und Ge­werbe ausl Man höre: Isaak Mackerl in Nürnberg zeigte im Jahre 1640 sein Ge­schäft folgenbermsßen an:Isaak Mackerl, Barbier, Pcrückcnmacher, Schulmeister, Huf­schmied undGeburtShelfer, rasiert und schneidet die Haare vor zwei Krützer und Puttet und Pomade obendrein. Macht und flickt Schuh und Stiefel, läßt Ader und setzt Schrsbkob ganz gern; lernt in die Häuser Kondition und andern Tanz, verkauft Parstrmiry aller