bald im Trabe durch die Bahn. Später unterhielt er sich nach längere Zeit mit seinen Bewunderern.
Verschiedene«.
Zur Kirchenstuhlfrage. Das Rcichs- gerichthat folgende Entscheidung ausgesprochen: Nimmt jemand dei Beginn des Gottesdienstes einen Kirchenstuhl ein, der einem rechtmäßigen Eigentümer gehört, und kommt dann dieser und will den Daraufsitzendcn wegweisen, so ist in diesem Falle auf Störung des öffentlichen Gottesdienstes zu erkennen. Will der rechtmäßige Eigentümer seinen Sitz nicht an andere vergeben, so ist eS seine Pflicht, vor Beginn des GslleSdienstes zur Stelle zu sein.
— Warnung vor dem Genuß frischen, warmen Kuchens. Wie gefährlich es ist, frischen, warmen Kuchen zu essen, zeigt wiederum folgender Vorfall: Die Frau eines Assistenten in Gülcrgiück (Prov. Sachsen) genoß frischen Kuchen und wurde so krank, daß sic trotz ärztlicher Hilfe nach 24 Stunden verstarb.
-- Um Packleinwand wasserdicht zu machen, ohne daß dieselbe brüchig wird, wie es beim Ueberziehen mit Teer geschieht, wird die
Im Kanne des Blutes.
Roman von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
23.
„Sie haben — ein gutes Gedächtnis I ES sind dreizehn Jahre seit jenem Tag verflossen I" sagte die Gräfin dann tonlos.
Und sie eilte voll ungestümer Zärtlichkeit auf Ruth zu, umarmte und küßte sie und flüsterte ihr liebevolle AbschicdSworte zu; dann wandte sie sich zum letzten Male zu Arnold, welcher dabeistand mit einem Ge- sichtSauSdruck, al« wolle er Ruth aus den Armen der Gräfin reißen, und frug bebend, beinah demütig flehend:
„Wollen Sie mir eins versprechen, Herr Btrgcr I Wenn ich einst in der Stunde meines Todes Ruth zu mir rufe, daß sie Alle«, Alle« erfahren und mir die Augen zudrücken soll, dann bitte ich Sie, daß Sie nicht dazwischen treten? Schwören Sie mir das zu I"
Sie dickte angstvoll zu ihm auf, die Hände flehend über der Brust gekreuzt, und Arnold empsand ein leise« Mitleid mlt dieser stolzen Frau, welche sich so tief demütigte wie eine Hilflose, ihn zu bitten.
„Es mag so sein, Frau Gräfin. Im Tode löscht alle Schuld und aller Groll aus I" sagte Arnold dann ruhig und verließ mit Ruth das Haus.
Wortlos saß Ruth an Arnolds Seite in dem dhinbrausenden Schnellzug, der sic noch heute abend an das Ziel ihrer Fahrt bringen sollte. Erst vierundzwanzig Stunden waren verflossen, daß sic zum Gipfel schwindelndsten Glückes heraligeschleuderl worden in die Tiefen des Elendes. Und er der schöne, glänzende Egon, den sie zu lieben gemeint, er war fort, um sich der wohlverdienten Strafe zu entziehen; wie erbärmlich erschien er ihr, nun der Nimdu« von ihm gewichen!
Noch ehe sie aus der Hohensteinffchen Billa geschieden, hatte sie eine Scene mit angehört, wie Olga der gnädigen Tante bestimmt erklärt, Egon sei, nun auch mit des
Tränkung derselben mit einer Eisenseife empfohlen. Man löst 1 ic^ Schmierseife in heißem Wasser, setzt dann Eisenvitriollösung hinzu, wäscht die hierbei sich absetzende Eisen« seife auS, trocknet sie und vermischt sie mit einer Lösung von 100 § Kautschuk in 1*/s KZ Leinöl.
— Ein Mittel gegen Untreue. Vom Zuchlpolizeigerichte in RvUtN wurde letzten Freitag der Eiscnbahnarbeiler Lehuby zu 50 Franc« Geldstrafe verurteilt, weil er, so «ft er in Dienst ging, seine Frau in eine» 75 Centimeter langen, 48 Centimeter breiten und 65 Centimeter hohen Koster einschloß. Frau Lehuby hatte ihrem Gatten zu wiederholten Malen Anlaß zu Klagen gegeben, da sie seine Abwesenheit benützte, um ihre zahlreichen „Verehrer" zu empfangen. Um da« nun zu verhindern, schloß sie ihr Mann vor dem Fortgehen immer in den Koffer ein. Wie Frau Lehuby bei der Verhandlung selbst erklärte, leistete sie in der letzten Zeit dieser Maßregel ihre« Manne« gar keinen Wiederstand mehr.
— Der Versicherungshut. Allerlei Arten von „Policen", um das höchst wertvolle Menschenleben aus Eisenbahnen, Landpartien
Vater« Bewilligung, ihr Verlobter und sie hätte, um ihretwillen die atberne Geschichte mit der „fremden Person" zum Schweigen zu bringen. Gräfin Aeltsch war dabei voll Zorn emporgcfahren und, wenn nicht Ruth eilig dazwischen getreten wäre, so hätte Olga von der Gräfin eine Züchtigung wie in den Kinderjahren empfangen. So aber hatte die Gräfin nach einer Pause, in der sie furchtbar nach Selbstbeherrschung gerungen, die Nichte kalt angeblickt und schneidend gesagt: „Wir sind mit einander fertig, Fräulein Olga von Hohenstein; ich werde in einigen Tagen »Kreisen, da es mir fortan unmöglich ist, mit Dir in einem Hause zu leben. Natürlich erlischt auch jede Aussicht Eurerseits, mich einstmals zu beerben. Ich weiß, wo ich meinen Besitz geborgen sehen will; Egon und Du werdet nicht einen roten Heller davon zu genießen haben."
Ruth schloß die Augen, sie mochte nicht weiter an die widerliche Scene denken, als Olga sich jammernd der Tante zu Füßen geworfen und um Erbarmen gefleht hatte, allerdinds vergebens. Die Gräfin hatte nur worfloS die Hand nach der Thür ausgestreckt, u. gesenkten Hauptes, bitterlich weinend, war Olga von Hohenstein hinausgewankt.
Jetzt pfiff die Lokomotive gellend, und der Bahnzug rollte langsamer. Rote Laternen tauchten auf, man fuhr in die Bahnhofshalle ein und Ruth wandte sich müde und mit erzwungenem Lächeln zu dem schweigenden Vetter.
„Nun sind wir bald daheim , Arnold I Mein Kopf brennt wie Feuer I"
„Arme« Kind I Habe nur noch eine Stunde Geduld, dann kannst Du ausruhen im stillen Norderhos von allem Leid und Weh."
„Arnold," sagte sie leise, „ich bin schon ruhiger geworden und fühle nur tiefe Beschämung, daß — ich jenem Manne mein Herz schenken konnte."
„Es war so natürlich, Ruth, da vor Hohenstein noch nie ein Kreier Dir gegenüber trat; zudem hat er ein besonderes einnehmendes Wesen I"
u. f. w. zu versichern, hat der kundige Kauf- mannsgcist nun schon erfunden. DaS Allerneueste auf diesem Gebiete ist der Versicher- uiigshut. Eine Hulfabrik in Bristol hatte diesen Einfall un» dürste durch ihn jedenfalls ein glänzendes G-schäft zu machen. Auf dem Schweißbande des Hutes steht: „Dieser Hut versichert den Träger laut Police im Falle seiner Tötung durch Eisenbahnunfall für 100 Pfund Sterling (2000 Mark)". Hinter dem Echweißbande steckt die Police in Form einer Karte, laut welcher eine englische Versicherungsgesellschaft eS unternimmt, jenen Betrag im gedachten Falle zuzusagen, wenn derselbe innerhalb sechs Monaten vom Tage des Hutkaufes aus eintrilt. Es ist aber nicht nötig, daß der Besitzer den Hut zur Zeit de« Unglücks trägt.
.'. Schreiende Ungerechtigkeit. „Jetzt sehen Sie nur einmal, Frau Nachbarn! Mein Kleiner hoi beim Lehrer drei Privatstunden in der Woche extra, und doch hat ihn derselbe eine schlechtere Note gegeben, als dem Fritz von Grubers, der gar keine Privatstunden nimmt; na, da soll mir jemand noch sagen, es gäbe eine Gerechtigkeit auf dieser Welt!"
Arnolds Stimme klang gepreßt, aber er sagte nichts von sich selbst, nichts ven seinem schmerzzuckcndcn Herzen und der zertrümer- ten Hoffnung einstigen Glücke« an der Seite Ruths; er dachte an den Ausspruch des Dichter«, den er bisher nicht verstanden und der ihm plötzlich klar vor der Seele stand: „Die schlimmsten Schmerzen sind auf Erden, die außgeweint und ausgeschwiegen werden!"
Endlich war auch die Magenfahrt beendet. Der Wagen hielt vor der Freitreppe de« NorderhofeS, und Ruth sprang leichtfüßig herab : die HeimcttSluft wehte ihr müd tröstend entgegen, die lieben goldnen Sterne über dem Hause winkten und flimmerten ihr ein Willkommen entgegen und der erste Balsam zog ein in dies zerrissene Mädchengemüt.
„Großpapa," rief sie, schluchzend dem alten Manne in die Arme sinkend, „da bin ich wieder, um nie mehr von Dir zu gehen; o, zürne mir nicht, sei nachsichtig gegen mich, ich bin sehr unglücklich geworden!"
„Nun, nun, Ruth, nimm das Unglück nur nicht so tragisch, eS wird alles Schlimme noch besser als man denkt!"
So tröstete Berger seine Enkelin und die Augen wurden ihm feucht bei dem Anblicke seines Lieblings. Komm hinein, Kind, trinke eine Tasse Thee, den« Du mußt ganz erschöpft sein."
Noch an diesem Abend beichtete Ruth unter vier Augen dem gelievten Großvater all ihr Weh und der Name Egon von Hohenstein« ward zwischen beiden für immer begraben.
„Er ist ein charakterloser Mensch, Kind," meinte der Greis sehr crnst, „Deine Liebe für ihn muß verblassen, nachdem Du ihn verachten gelernt, aber verzage darum nicht, sondern blicke, wenn Du Dich wieder gesammelt hast, um Dich, es giebt andere Männer, die schlicht und treu lieben können und ein Mädchen wie Dich zu würdigen wisst n."
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hosmann.