- (Ein Volk ohne Geld.) Daß es in Europa einen Voiksstamm von ungefähr 7000 Seelen giebt, bei dem Geld bis heute noch unbekannt ist, wir» aus den Veröffentlichungen der „Kaukasischen Abteilung der kaiserlich russischen GeographffchenGesell schaft" bekannt. Es handelt sich um die im ttonet- schen Kreise des Gouvernements Tiflis wohnenden Chewsuren. Als Einheit bei der Werlberechnung gilt in Chewsurien die Kuh (10 Rubel). Vier Kühe haben den Wert einer Stute, sechs Kühe den eines Wallachs Beispielsweise wirb die Geldbuße für Verwundungen (gegenüber Mord- und Totschlag kommt ric Blurrache in Anwendung) folgendermaßen berechnet: eine Schädelverwundung kostet bei Entblößung des Gehirns sechzehn Kübe, bei Knochenbruch mit Splitterabsonderung fünf Kühe, bei einfachem Bruck drei Kühe. Eine Stirnwunde kostet drei Schafbecke (7 Rubel 28 Kop.). Eine höchst sonderbare Berechnungswetse der Buße greift bei GesichtSwundcn Platz. Sind bärtige Teile des Gesichts verletzt, so werden abwechselnd Weizen- und Gerstenkörner, die ersteren der Länge nach, die letzteren quer aus die Wunde g-reihi und darauf zwei
Drittel von der Anzahl Körner, die sich dabei ergiebt, beiseite geworfen. So viel Körner übrig bleiben, so viel Kühe müssen als Buße hergegeben werden. Dasselbe Verfahren findet bei V rwundung der unbehaarten Gesichtsteile statt, viel Wert wird auf die Nase gelegt, nur wird dann biss ein Drittel der bezeichneten Körnerzahl beseitigt und nicht Winter-, sondern Sommerweizen angewandt. Eine schwere Verletzung der ganzen Hand kostet 16 Kühe, während für eine Verstümmelung des Daumens 5 Kühe, des Zeigefingers 4 Kühe u. s. w. zu zahlen sind. Das Teuerste ist der Verlust eines AugeS (30 Kühe.)
New Jork, 30. Mai. Am Samstag und Sonntag sind in Tennessee, Mississippi, Arkansas und Louisiana andauernde Regengüsse nikdergegangen. Der Nordorsten von Louisiana steht unter Wasser, etwa 10 000 Personen sind obdachlos und ohne Nahrung; der Gouverneur sandte Zelte und Lebensmittel.
Verschiedenes.
.'. (Ein politischer Schweinstrog.) In Czechisch-Böhmen haben sich die polnischen
Empfindungen in ganz origineller Weise gesteigert. Beweis hierfür nächstesnde That- sache, welche das „N. W. Tbl." berichtet: Dieser Tage sandten die guten Wähler der Stadt Swella ihrem allczechischen Abgeordnete» Plewa zur Strafe dafür, weil er sich an der vor dem letzten LandtagSexzcß beabsichtigt gewesenen Abstinenz nicht beteiligt halte - - einen steinernen Schwcinstrog I Unter solhanen Umständen stehen für czcchische Abgeordnete, die sich nicht nach den Wünschen ihrer Mandatgeder verhalte» , noch weitere zarte Ueberraschungen bevor, als da sind Futtertrege, Maulkörbe, Hufeisen u. s. w. Was aber die gute Stadt Swella anbelangt, scheint man daselbst Schweinezucht und Politik für sehr verwandte Disziplinen zu halten.
(Kindermund.) Der in Göppingen erscheinende Hohcnstaufr erzählt folgendes hübsche Geschichichen von dort: Ein siebenjähriges Mädchen wurde gefragt, ob eS beim Maienfcst such mit den Buden tanze. „Nein", sprach die Kleine, „das laß ich hübsch bleiben. ES könnte Geschwätzer geben I"
(Aus einem Schutaussatz.) Endlich ist da- Wasser auch nützlich, weil man sonst nicht zu den Inseln kommen kann."
Im Kanne des Blutes.
Roman von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
18.
Die Gräfin war äußerlich nicht sehr verändert. odfchvn idr altes H rzteice» sich on rechi bedenklich bnni'ikbar machte. Jh, Gang erregie allerdings den Eindruck des Unsicheren und Sckw-niteneen, und auch jetzt meinte Ruth, eje G'äfin müsse ihr enlgegen fallen Fast zwei Jahre haue Gräfin Aellsch Rulh Berger nickt gesehen und all die geheime Zärtlichkeit erwachte von neuem in ihr, als nun da» schöne Mädch n vor ihr stanv und ehrfurchtsvoll ihre Hand an die Lippen zog.
„Meine liebe, liebe Rulh I" flüsterte die Gräfin tiefbewegt, „seit langer Zeit habe ick — Sie nicht mehr gesehen und bekam schon Sehnsucht nach Ihnen I"
Ja, eS war eine reizende Mädchencr- scheinung geworden, weiche jetzt im Zimmer neben der alten Dame in einen niederen Fauteuil glitt und so unbefangen zu plaudern begann.
Ein unsägliches Verlangen zog in die Seele der Gräfin, Ruth an sich zu ziehen und als Enkelin zu liebkosen; aber dann kam über die Gräfin doch wieder die lähmende, bleierne Furcht, was wohl tie vornehme Welt dazu sagen würde und sie seufzte dumpf auf.
Nachdem man Kaffee getrunken, erschien auch Olga, eine hochaufgeschossene, ziemlich magere Gestalt mit farblos blondem Haar. Sic schritt etwas stets ans Rulh zu, schüttelte ihr die Hand und sagte möglichst verbindlich: „Ich freue mich sehr, liebe Ruth, Sie wiedcrznsehen! Hoffentlich bleiben Sic nach der Hochzeit noch einige Zeit bei Großmama und mir."
Das schöne Mädchen zuckle nicht mit der Wimper bei dieser cermoniellen Anrede, weiche das bisherige vertrauliche „Du" umging und entgegncte ebenso förmlich: „Sie sind sehr freundlich, liebe Olga, doch hat Großpapa mir nur einige Tage Urlaub gegeben, und wenn Belly's Hochzeit vorüber is>, dann muß ich wieder fort."
Verantwortlicher Redakteur B
„Hoffentlich besuchen Sie aber auch mich in Zukunft, liebes Kind," fiel die Gräfin so hastig ei», daß Olga sich' erstaunt um- wandie, War d«s ihre stolze Großmutter, die sonst gegen jeden niedriger geborenen Menschen von herablassendstem Hochmut beseelt war 2
„Nun, vor Allem kommt Ruth zu Eugen und mir," bat die junge Braut zärtlich; „Versprich mir Eins, mein Herz, daß Du alte Jahre einmal uns besuchst I"
„Ja, gnädiges Fräulein," siet der Landrat ein, „darauf müssen Sie mir die Hand geben. Ich bin eigentlich s-hr eifersüchtig aus Sie, denn Beity scheint Sie fast lieber zu haben als mich, aber gerade deshalb muß ich Sie auch recht genau kennen lernen."
Otg« schäumte innerlich vor Unwillen auf, aber sie biß sich aus die Lippe» n. sagte adteukend:
„Ich habe Vetter Egon getroffen, er will zum Thee kommen, wenn Du, liebe Tant«, eS erlaubst."
„Kleine Diplomatindrohte Gräfin Aeltsch heiter. „Was das junge Volk verabredet, müssen wir Allen gut finden. Sie müssen wissen, liebe Ruth, Vetter Egon Hai hat eine kleine Schwärmerei für unsre Olga."
„Aber, Tante, wo denkst Du hin," lachte diese gezwungen, „Vetter Egon macht jeder Dame den Hof, die er sieht. Er war jo auch in Ihrer Gegend zum Manöver, Ruth."
„Ja", sagte diese, bemüht ein herabge- falleneS Wollknäuel aufzuheben und dadurch ihre Verlegenheit zu verbergen suchend, „Herr von Hohenstein lag einige Tage auf dem Norderhsf in Quartier."
„Aber nun muß ich noch allein mit Ruth sprechen," entgegncte lächelnd die Gräfin und nahm den Arm des jungen Mädchens, „heute vor dem Polterabend sind alle Heimlichkeiten erlaubt."
Ein glänzender Polterabend ging der Hochzeit voran. Herr von Hohenstein hatte zu dem Polterabende sämtliche Bekannte geladen und einen Ball arrangiert, um der Jugend Gelegenheit zum Tanzen zu bieten.
ernhard Hofmann. Druck und Verlag von
Gräfin Jeltsch in schwcrseidener, sitber- grauer Rode machte die HonncurS, wobei das Brautpaar ihr half und alle drei atmeten erleichtert auf, als die Gäste sämtlich eingetroffen waren.
„Und Sie haben mich nicht vergessen, Fräulein Ruth?" frug Lieutenant von Hohenstein leidenschaftlich, als er vor der schlanken Mäbchengestalt in fliederfarbnem Kleide stand und sich i» ihre Tanzkarte einzeichnete. „Seit jenem Manöverdalle trage ich Lag und Nacht nur ein Bild im Herzen — Sie allem wissen, wer es istl" flüsterte er dann leise.
„Herr Von Hohenstein, weiche Sprache," zürnt? Rulh, welche sehr vleich wurde. „Vergessen Sie nicht, datz ich Mich hier unter dem Schutze Ihrer Verwandten befinde und Durchaus keine solche Scherze dulde."
„Sollte cs Ihnen denn als eineBeleidig- unz erscheinen, zu wissen, daß ich sie verehre, ja."
Hastig griff die junge Dame nach dem Eifenbeintäfelchen und wandte sich von dem jungen Offizier ad; ihr Herz bebte und doch konnte sie nicht anders handeln, beim Olgas scharf spähendes Auge ruhte forschend aus ihr. Hohenstein unterdrückte eine leise Verwünschung und wandt? sich dann zu Gräfin Icltsch, welche mit den Worten herantrat:
„Nun, Egon, haben Sie sich schon Tänzerinnen gesichert? Es sind nicht viele da und die Herren müssen sich dazu halten. Mit wem tanzen Sie Cotillsn?"
„Mil Olga natürlich, liebe Tante. Sie wissen doch am besten, Wem mein Herz gehört!"
„Schmetterling I Wer weiß ob die schöne Ruth nicht such drinnen spukt."
„Hm, sie ist ja recht niedlich," meinte er kühl, „aber das bürgerliche Blut bildet doch eine zu große Scheidewand zwischen uns."
„Nun, lieber Egon, da muß man nicht zu vorschnell urteilen," fiel die Gräfin scharf ein. „Fräulein Rulh sieht nicht aus, als ob sie einer niedrig.» Familie entstammt; unsere Dame» hier kö» nn allesammt froh sein, ihr zu ähneln." (Forts, slgt.)
Bernhard Hoimann.