Rundschau.
— Pfingsten. Am Pfingstfest den 21. d. M. stnv nach der K. Verordnung vom 27. Dezember 1871 alle öffentlichen,Lustbarkeiten, sowie daS Tanzen verboten und nur Konzerte (also keine gewöhnlichen Reunionen in Wirtschaftend und Vorstellungen stehenden Theatern gestattet. Auch das Gesetz vom 1. Juni 1891, belr. die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, verbietet an diesem Festtage die Beschäftigung von Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern, und sind nur für die B<- dürfnisgewerbe (Bäcker, Metzger rc.) Ausnahmen zugelassen.
Stuttgart. 16. Mai. Wie dcrSchwäb. Merk, mittkilt, ist der seitherige Reichstags- obgcordnete sür den 8. Wahlkreis (Freudcn- stadt, Horb, Oberndorf, Sulz), Frhr. v. Müncb, hier eingetroffen und hat sich dem Gericht zur Abbüßung seiner ihm in dem BeleidigungSproz-ß mit Dir. Colin f. Z. zuerkaunten Strafe von 2 Monaten Gefängnis gestellt.
Heilbronn, 9. Mai. Die Gemeinde Thalhcim setzt für jedes Simri getöteter Maikäfer 64 au«. Bi« jetzt wurden 300 Simri abzelicfcrt.
— Aus der Silberwarenfabrik von Hugo Böhm u. Cie. in Gmünd ist in den letzten Tagen eine Kunstarbeit hervorgegangen, bestehend in einer großer silbernen Platte mit Gestell für Brot und Salz. Da« Prachtstück, dos in künstlerischer Ausstattung reich vergoldet und ziseliert ist, wird bei den Festlichkeiten in Bulgarien, die dem Neuvermählten Fürstenpaar bei seinem Einzug bereitet werden, Verwendung finden. Die genannte Firma hat den ihr gewordenen Auftrag in 10 Tagen zur vollen Zufriedenheit -des gesandten bulgarischen Fachmann« auSgeführt, der am letzten SamStag nach Fertigstellung der Platte unveiweilt mit dem Kunstwerk nach seiner Heimat abgercist ist. Sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen, die an der mühevollen Arbeit beteiligt waren, sind am Samstag abend festlich bewirtet worden.
— Auf dem Bahnhof in Eislingen bei Göppingen ereignete sich am Dienttag ein schwerer Unglücksfall. Em Reisender, der den Zug bei dessen Ankunft verlassen hatte, um auszutretcn, wollte wieder einsteigen, als sich der Zug eben in Bewegung setzte. In der Eile scheint er den Draht nicht in acht genommen zu haben, durch weichen die Bahnlinie von der Straße getrennt wird; er stürzte über denselben und fiel so unglücklich, daß sein Kopf auf die nächste Schiene zu liegen kam, durch die Wagenräder fast ganz vom Rumpfe getrennt wurde, und der Tod sofort erfolgte. Der Verunglückte soll ein Zimmermeister aus Schwieberdingen sein.
Von der bayrischen Grenze, 16. Mai. Ein seltenes Jubiläum, nämlich da- 50jährige als Feldgeschworner, beging vor einigen Tagen Oekonom I. Weidenbusch von Königshofen. Obwohl der Jubilar jedwede öffentliche Kundgebung dankend abgelehnt Halle, ließ es sich die Stadtgemeinde nicht nehmen, ihm für seine langjährigen und gewissenhaft geleisteten Dienste ein hübsch ausgestatteteS Ehren- diplom in prächtigem Rahmen zu überreichen.
Ehingen, 16. Mai. Der weithin de« kannte Bierbrauereibesitzer Ep. zum Blaufeld dahier ein rüstiger, braver und allgemein geachteter Mann, hat durch Nichtbeachtung einer kleinen Fußwunde sich Blutvergiftung zugejvge», und es mußte ihm durch Odrr-
medizinalrat Burk au» Ulm ein Fuß abge- nommen werden. Ein Glück ist'«, wenn der Vater seiner Familie und seinem ausgedehn, ten Geschäfte erhalten bleibt. — In Mun- derkingen hat sich ein Mahlknecht in dem Augenblicke mit einem Rassiermesfer den Hals abgeschnitten, als er wegen Diebstahl« verhaftet werden sollte.
München, 16. Mai. DaS Dorf Lcngen- seld ist bis auf 3 Häuser abgebrannt.
— Fürst Bismarck erklärte definitiv, kein Reichskagsmandot mehr annchmen zu wollen. Graf Herbert Bismarck candidiert im Wahlkreise Jerichow.
— Auf der Fahrt zum Standesamt verstarb am Samstog vormittag gegen 11 Uhr in Berlin die 22jährigc Putzmacherin Helene Gürtling. Das junge Mädchen, welches mil einem Kaufmann verlobt war, war anfangs dieses Monats an der Influenza erkrankt, und wiewohl der behandelnde Arzt den Verwandten der Patientin, welche bei denselben lebte, anriet, die Hochzeit vorläufig noch zu verschieben, hatte die Braut doch nicht darein willigen wollen und darauf bestanden, daß der auf Samstag festgesetzte Termin der standesamtlichen Trauung ungehalten werde. Gegen '/«II Uhr holte der Bräutigam die Braut au« der Wohnung in der Brunnenstraße mittel« einer Drotfchke ab. In der Nähe der Anklammerstraße fiel die G. ihm plötzlich ohnmächtig in die Arme. Sofort fuhr der Bräutigam nun nach der Behausung de« Mädchen« zurück, um ärztliche Hilfe zu holen; al« er jedoch die nur noch leise Röchelnde aus dem Wagen heben wollte, fiel die G. in die Wogenkissen zurück und starb in den Armen des Bräutigam«. Ein Lungen- fchlag halte, wie ein sofort herbeigcrufener Arzt erklärte, dem Leben der Braut ein jähe« Ende bereitet.
Arolsen, 15. Mai. Die Leiche de« Fürsten Georg von Waldeck unb Pyrmont ist au« Maricnbad hier cingetroffen. Der Tag der Beisetzung ist noch unbestimmt. Man erwartet, nebst dem König von Württemberg, die Beiwohnung de« Kaiser«.
— Wer der glückliche Besitzer einer Thalerfammlung ist, sorge dafür, daß nach dem 1. Juni keine solchen österreichischen Gepräges mehr sind; denn mit diesem Tag werden dieselben außer Kur« gesetzt.
Verschiedenes.
(Ein Riesenspielzeug sür die kaiserlichen Prinzen.) Auf Anregung de« Kaiser« wird gegenwärtig, der „Potsdamer Corrc- fponbcnz" zufolge; in der Nähe de» Neuen Palais in dem abgrsperrten Teil de« Parks von Sanssouci gegenüber dem Drachenberge für die kaiserlichen Prinzen eine Festung«- front erbaut. Ein Ingenieur der Krupp'- schen Fabrik in Essen hat die Pläne und Voranschläge zu dieser kleinen Festung aulgeführt. Diese wird indessen nicht allzu klein ausfallen, denn die Baufläche ist so groß, daß auf ihr ganz gut eine mittlere Kirche erbaut werden könnte. Die kleine Festung soll mit allen möglichen Rüstwerken de« modernen Festungsbaue« ausgerüstet werden ; e« sollen u. «. drehbare Thürme, Wassergräben mit Zugbrücken u. s. w. geplant sein, auch soll die Festung mit Kruppschen Kanonen au«gerüstet werden. Die Arbeiten sollen derart beschleunigt werden, daß die kaiserlichen Prinzen die Festung noch in dlrsem Svmmrr brnntzkst können. Das
Mauerwerk ist schon bis über den Erdboden sertiggrstellt.
(Ein „indisponierter" Zeuge.) Eine Verhandlung vor dem Schwurgericht i» Rati- bor mußte, wie der „Oberschles. Anzeiger" berichtet, noch vor Eintritt in die Beweisaufnahme vertagt werden, da »iner der Zeugen, der Ziegelstreiche Adam Kraulwurst, sich sinnlos betrunken halte und in den Sitzungssaal hineingcschleppt werden mußte, wo er sofort der Länge nach hinfiel und saust ein- schlummcrte. Der Erste Staatsanwalt beantragte gegen Krautwurst wegen Ungebühr vor Gericht eine sofort vollstreckbare Haftstrafe von drei Tagen. Der Gerichtshof nahm indessen an, daß der Zeuge Krautwurst trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht erschienen sei, da er wider seinen Willen in den Sitzungssaal geführt worden fei. Der Zeuge wurde daher in die Kosten des Termins verurteilt und außerdem in eine Geldstrafe von 50 ^ genommen, an deren Stelle, falls sie nicht beigetrieben werden kann, eine Haftstrafe von zehn Tagen tritt.
(Sixt und Hartl im Musentempel.) Gingen da jüngst zwei Tiroler Burschen, so weiß das „Budapester Tagblstt" zu erzählen, in die Stadt zur „Kumedi". Es wurden Schillers .Räuber" gegeben. Der Sixt und der Hartl (SixluS und Leonhard) folgten der Aufführung mit sgespanntcster Aufmerksamkeit. Dem Sixt hatte es besonders die Amalie angethan, die er förmlich mil seinen Blicken verschlang. Die Amalie ist a teuflisch saubere- Weibt", sagt er einmal zu sewem Nachbar, „und i mci' völli, der buggelte Franz lasset sie g'scheitcr in Ruh', wenn i ihm halt gut zu Rat diu." — Je mehr die Handlung fortschrilt, desto erregter wurde Sixt. Seine Augen funkelte» und seine Fäuste ballten sich. Er vergaß, daß er im Theater war. Nun kam der dritte Akt. Franz und Amatia, standen sich auf der Szene gegenüber und oben auf der Galerie hing Sixt mit dem halben Leibe über die Brüstung. „Verzeihe mir, Franz" , sprach Amalie, ihn scheinbar umarmend und dann seinen Degen aus der Scheide reißend: „Siehst Du, Bösewicht, was ich aus Dir machen kann I" — „Stich nit, Dicndt, brüllte Sixt auf der Galerie in höchster Wut, „stich nit, Dicndl I" Laß mi' abe zu dem Himmet- Hergott« buggelten Grashupfer, zu dem fuch- seten! Macht'- Platz drängte er die Nebenstehenden zur Seile, „der Stoffenbrugger Sixt kumml I I werd' dem Saggra schon lernen, Diendlen sektcren und Leut' schinden!" — Ein unbeschreiblicher Tumult entstand. Der Vorhang mußte fallen, der Regisseur war ratlos auf eine Rasenbank gesunken, die Leute pfiffen, schrien, johlten und die beiden Burschen wurden verhaftet. Ein Teil de« Publikums entfernte sich au« dem Theater, andercschricn: „WeiterspielenI Weiterspielcn!" Aber daran war gar nicht zu denken. Für den Abend hatten Schiller- „Räuber" einen unerwarteten Abschluß gefunden.
Ein Prahler erwähnte in einer Gesellschaft eine« Streites mit seinem Nachbar und erzählte: „Ich warf den unverschämten Kerl die Treppe hinunter, daß er den Hals brach, nun geht der Schuft hin und verklagt mich!"
Inserat.) Zu einer großartigen Erfindung wird ein reicher Kompagnon baldigst zur gründlichen Ausbeulung gesucht.