Im Banne des Blutes.
Roman von H. vou Ziegler.
Nachdruck verboten.
12 .
„Du sollst aber nicht hochmütig gegenüber den anderen Schülerinnen sein. Ich werde nächsten Sonntag Ruth Berger ein- laden und Du wirst sie freundlich empfangen," entgegnete die Gräfin.
Olga's Antlitz zeigte jetzt einen sehr hochmütigen Ausdruck. „Tante," sagte sie dann schnippisch, „weißt Du, daß Ruth Bergers Großvater ein Bauer ist ? Mit Kindern solcher Herkunft verkehre ick überhaupt nicht."
Aber in demselben Moment fuhr Olga mit unterdrücktem Aufschrei zurück, denn die Gräfin halte ihr, ohne ein Wort zu verlie, ren, eine Ohrfeige gegeben und sprach jetzt kalt und drohend, wie Olga sie noch nie gesehen : „Ich denke diese Strafe wird Dir zeigen, daß es für ein Fräulein von Hohenstein nicht entehrend ist, ein freundliches Benehmen gegen die Enkelin eines allgemein geachteten und reichen bäuerlichen Gutsbesitzers zu zeigen!»
„Richte Dich also danach, Olga ! Willst Du meinen Wünschen entsprechen und Dich wie ein wirklich gebildetes Mädchen im Verkehr mit Deinen Genossen betragen, nun gut! Willst Du es nicht, so hast Du am Sonntag von früh an Stubenarrest und Krankenkost. Wiederspensttge Kinder müssen streng behandelt werden I"
Olga schlich aus dem Zimmer, an allen Gliedern zitternd und voll ohnmächtigen Zorns; eine solche Behandlung wurde ihr um jenes Mädchens mit dem arroganten Spitznamen Schneewittchen willen zu Teil. Es war unerhört I Wenn das Mama wüßte! Aber Mama durfte sich nicht aufregen, um bald wieder gesund zu werden; jetzt galt es «ls» sich zu fügen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen!
„Tante ist sehr erregt," flüsterte Betty, welche mit der Schwester zum Bestimm in die väterliche Villa gekommen war, Mein jugendlichen Verehrer Egon von Hohenstein zu, „ich habe sie noch nie so bös- gesehen wie hcuie, besonders gegen Olga, ' die doch sonst ihr Liebling war.
„Run, die Tonte wird sich schon beruhigen," meinte Egon sorglos. Sage mir aber nur, Cousinchen, wer war denn gestern das allerliebste Mädchen, die mit Dir und Fräulein Lindsw spazieren ging? Heriliche, dunkele Augen, dazu ein Antlitz wie Milch und Blut hatte sie."
„Das ist Ruth Berger, eine P-usionS- genossi». Wir nennen sie anck scherzweise Schneewittchen," lochte Betty. „Es ist ein liebes, gutes Mädchen, dess n silberhelles Lachen Alle b-zanbern kann. Nächsten Sonntag ist übrigens Ruth Berger von der Tante z» uns geladen. Da kommst Du ja auch und kannst das Wunderkind in der Nahe scheu."
„Das ist ja herrlich I" erwiderte der junge Geck.
„Schade, daß Ruth Berger noch zu jung ist, um an unseren Tanzstunden teilnehmeri zu können. Ich glaube, ihr würden alle Fähnriche zu Füßen liegen."
„DaS möchte ich mir doch recht sehr verbitten," siel da die Gräfin 8) lsch ihm plötzlich schneidend ins Wort.
Die Gräfin war, ohne daß die beiden jungen L ute es bemerkten, in das Zimmer getreten und stand nun mit finsterer Miene vor ihnen. „Ihr könnt Euch Eure Ideale wo anders suchen, aber die kleine Ruth laßt aus dem Spiele!" sagte die Dame dann noch streng zu dem Neffen.
Verwundert blickten Egon und Betty ans die zürnende Tante, welche, ohne eine weitere Entgegnung abzuwarten, das Zimmer wieder verließ. Sonderbar, sie hatte noch nie zuvor so offen Partei für Jemand ergriffen, wie jetzt für dieses fremde Mädchen!"
* »
Sieben Jahre sind vergangen. Der Nordcrbof steht völlig unverändert, und auch an seinem Besitzer, dem alten braven Friedrich Berger, ist die Zeit fast spurlos voiüber gegangen, höchstens, daß sein Haar noch ein wenig weißer geworden ist, aber feine Angen blicken noch immer hell und klar in die Well hinaus und die derbe Gestalt hielt sich aufrecht wie zuvor.
Aber dort das schlanke Mädchen an Bergers Seite, die auf dem braunlockigen Köpfchen einen breiten Strohhut trägt, sie hätten wir kaum wiedererkannt als das Kind des EircuSreiierS. R"lh Berger ist sehr schön geworden, sie gleicht an Anmut und Lieblichkeit einer Eise, dabei ist sie aber immer das heilere, lebensfrohe Mädchen wie früher, der Sonnenstrahl des Großvaters und des ganzen Haus-S und ohne jeden Hochmut.
„Großpapa", plauderte sie fröhlich, als sie heute an dem schönen, wolkenlosem Sep- tembertage neben dem ehrwürdigen Greise dahinsckritt, „ich freue mich schr auf Arnolds Wicderkommcn, aber ich fürchte auch, datz er nun sehr vornehm geworden ist und daß es ihm auf dem schlichten Norderhof kaum gefallen wird."
„Er bleibt auch nurvorübergehcnd hier," erwiderte der Greis, „denn er hat eine sehr bevorzugte Stellung als Leiter eincr der größten chemischen Fabriken der Hauptstadt angenommen. Arnold hat etwas gelernt in England und in Amerika, wohin er auch noch ein Jahr ging."
„Aber erst muß er eine Weile hier blei- b«i, denn eigentlich sollte er schon nach sünf Jahren wieder h im kommen und nun sind sieben daraus geworden. Da haben wir nun das größte Anrecht an ihn," erwiderte Ruth mit herzlicher Unbefangenheit.
„Wie werdet Ihr Euch gegenseitig wieder finden," meinte der Großvater sinnend mit einem von Ruth nicht bemerkten Seitenblicke, der übcr das Antlitz des junge» Mädchens flog. „Arnold ist volle zehn Jahre älter als Du."
„Hub, so all," rief R»th mit all dem komische» Abscheu ihrer achtzehn Jahre vor den zwanzigarn, „wenn ich in Arnolds Alter komme, da bin ich bereits eine angehende — Matrone I"
„Unsinn, Kind I Du bleibst noch lange Jahre jung, Dein Herz schützt Dich vor Trübsinn und Alter. Aber nun mache noch Deinen Spazierritt durch die Felder, ich will inzwischen auf der Veranda die Zeitungen lesen. Zum Abendbrot bist Du ja wieder da."
„Ja, vielleicht noch vor der uns drohenden Einquartierung," erwiderte Ruth scherzhaft- „Ich will mir einmal das morgende Mauöverierrain anschen, damit mir uns
morgen an der richtigen Stelle als Zuschauer einfinden. Aus Wiedersehen, Großpapa I Im Hause ist alles für unsere Ett,q»ar!icr- ung, einen Lieutenant und z hn Mann, fertig.»
„Gut, mein Kind! Adieu!"
Eine Viertelstunde darauf bog Ruth anmutig und stolz wie eine Amazone, auf einem stattlichen Ponny reitend, in den schattigen grünen Buchenwald ein, der jetzt nach Sonnenuntergang erst angenehm zu werden begann. Das Pferd wieherte leise und über Rulh'S rosiges Gcsichtchkii flog ein glücklicher Ansdruck, als sie, die Hände mit dem Zügel lässig ans des Ponny Hals gelegt, dahinritt.
„Wie schön ist das Leben," flüsterte Rulh schwärmerisch und wie bin ich trotz der Trübsal, die sich an meine ersten Lebensjahre heftete, bevorzugt gegen so manche andere Menschen I O, wenn ich nur in die Zukunft sehen dürfte, was noch für mich darin Verborgen liegt I"
Lichte Sonnenstrahlen fielen schräg durch die Blätter der Buchen, leise zwitscherten die Vögel vor dem Schlafengehen und vom Dorfe her klang das Geläut der Abendglocken herüber. Es war ein unendlich friedliches Bild, welches die Landschaft ringsum zeigte, die Ruhe nach heißer Tagcsarbeit.
Plötzlich fuhr das junge Mädchen hoch im Sattel empor und lauschte; von links her erschollen Husfchläge und das Lachen von Männerstimmen.
„Die Einquartierung kommt schon," flüsterte Ruth teste und ihre Augen leuchteten, aber regungslos hielt sie hinter der Hecke, an der die Fahrstraße vorüber führte.
Jetzt kamen zwei Reiter heran, deren einer besonders hübsch und stattlich susfah, das blonde Bärtchen sorgfältig gewichst, die schlanke Figur kerzengerade im Sattel haltend.
(Fortsetzung felgt.)
Vermischtes.
Drei Gründe. Pfarrer: „Aber mein lieber Beckbauer, ich meinte, Ihr solltet jetzt endlich einmal Euer unruhiges, ich möchte sagen, wildes Leben aufgeben! Ihr macht Euch immer mehr Feinde, bringt Euch um heillos viel Geld und schadet zuletz! Eurem Anwesen und Eurer Familie! Wie kvnm' Ihr denn eine Freude haben an den fortwährenden Spektakeln, Ruhestörungen, Ehren- kränkungen, Raufereien, EigentumSbeschädig- ungen, Polizeistunde,lübcrtretungcn, Prozessen altt r Art?" — Bockbaner: „Das hat AllcS seinen Grund, He,r Plärrer! Ich Hab' drei Ursachen, die will ich Ihne» sagen. Erstens kann ich bei all' den G'sckichtcn mein' Zorn anslasse» und das ist recht g'snnd; G'snnd- heit darf aber schon a Geld kost'n. Zweitens: wenn von mir rech! viel Geldstrafen und Gerichtstaxen aus Rentamt kommen, so braucht d'Reginuug nil so viel Stenern einznheb'n; da hab'n wir Bauern n' Prosit davon. Drillens ihn' ich's weg'n mein' Landrichter, damit derselbe reckt viel Arbeit von mir kriegt und sich reckt ärgern muß, weil er mich amal an „boshaften Bauernkopf" ge- heiß'n Hai. So oft i angezeigt werd', leug'n i Alles; nach« muß er recht viel Zeugen vernehmen! — WaS liegt mir am Geld, mei Hof tragl's ja, und der Mensch muß a Freud hab'n!"
vcrantwiMUÄer Redakteur i Bern bald Hsfmann.) Druck und Brriag vsnPrr nhsrd Ha srnsun in Wilichaü.