Im Banne des Blutes.

Roman von H. von Ziegler.

Nachdruck verbaten.

7.

Nenne mich Großmama, Ruth, habe mich lieb!" flüsterte die Gräfin dem Holden Kinde zärtlich zu.

Ich habe keine Großmama, und wie kann ich Dich lieben, wenn Du den armen Papa so böse machtest wie neulich."

,O, Ruth, ich habe Deinen armen Papa so lieb, so lieb l" hauchte die Gräfin.

Nein, das glaube ich nicht," erwiderte Ruth und schüttelte sehr energisch ihr Locken­köpfchen,Onkel Arnold und ich lieben den Papa, aber sonst liebt ihn kein Mensch. Das hat er selbst gesagt."

O, ich liebe Dich und den Papa und bitte Dich um einen Kuß", fuhr die Gräfin zärtlich fort, und als Ruth das Lockenköpf­chen schüttelte, flehte die Gräfin ganz außer sich:Du willst mir wirklich keinen Kuß geben, Ruth."

Die stolze Frau, welche neulich ihre un­artige Nichte so rücksichtslos gezüchtigt und die Enkelin von sich gestoßen hatte, war gar nicht wiedcrzuerkennen und knieete völlig auf­gelöst in Schmerz und Weh vor der kleinen Ruth.

Nein," lautete aber dennoch die energische Antwort des Kinder, ich küsse überhaupt nicht gern und Fremde schon gar nicht, aber die Hand will ich Dir geben, wenn Du auf­hörst z» weinen."

Da ward plötzlich ziemlich rauh die Thür geöffnet und Arnold's schmächtig aufgeschossene Gestalt stand vor der sich langsam erheben. Gräfin; sein Antlitz war bleich und finster, es schien, als wolle er das Kind von der Gräfin zurückhalten.

WaS geht hier vor?" frug der junge Mann unwillig.Frau Gräfin, Sie kön­nen doch unmöglich daS verachtete Kind de« Circusreiters, den wir eben begruben, suchen."

Und wenn es doch so wäre? Ich ver­lange nach meiner Enkelin," jcntgegnete die Gräfin entschlossen.

Aber Albrecht BergerS Töchterchen kann das niemals sein; sie hatte keine Großmut­ter, wie Sie ja gestern selbst erklärten, und ich muß sehr bitten, Frau Gräfin, das Kind mir zu überlassen."

Die stolze Frau zuckte bei diesen Wor­ten zusammen, als habe ein giftiges Reptil sie gestochen. Dann ließ sie die kleine, weiche Kinderhand loS, die sie erfaßt und sagte tonlos:

Lebewohl, Ruth, Du hast keine Groß­mutter." Dann verließ die Gräfin das Stübchen.-

Der Norderhof, so hieß Friedrich jBer- gers Landgut, auf dem sich auch eine große chemische Fabrik befand, war eine sehr schöne Besitzung. Das Wohnhaus, erst vor wenigen Jahren neu ausgebaut, stand etwas .erhöht gegen die anderen Gebäude und war von einem sehr gut gepflegten Garten umgeben. Auch die Fabrikräume und die dar Wohn­haus umgebenden Ardeiterwshnungen zeugten von eben so »iel humanen Gesinnungen als vom Wohlstände deS Besitzer«. Die Fabrik Friedrich Bergers ward auch in der ganzen Gegend als ein Muster gepriesen.

Der alte Berger selbst war noch so das

Btrantworrlicher Redakteur l Bern

rechte Ueberbleibsel aut alter Zeit. Starrund knorrig wie die Eichen seines Waldes, fest und zäh am alten hängend, dabei aber doch gut und bieder. Wenn er im lange« bi« unter die Kniee reichenden Rocke, hohen Stiefeln, bunter Weste und breitem Schlapp Hut, die Silberbeschlagene Pfeife im Munde aus seinem Hause trat, mit scharfem Blicke und gutmütig nickend die ihm Begegnenden grüßend, dann meinte wohl ein jeder der alte Berger sähe ihm bis in« Innerste des Herzens hinein.

Berger« Arbeiter liebten und fürchteten ihn zugleich, denn er konnte ebenso zornig aufbrausend diejenigen bestrafen, welche un­recht thaten, als auch die belohnen, welche es verdienten.

Heute war Erntefest, und schon morgen sollte es dann still werden auf drin Norder­hof, denn Ruth, die kleine Enkelin de« alten Berger kam in ein Institut der Residenz, und Bergers Enkel, Arnold, seine beste Stütze in der Fabrik, ging für einige Jahre zu seiner weiteren Ausbildung nach England. Berger sprach nicht viel über diese doppelte Trennung, aber dennoch fiel sic ihm sehr schwer; besonders Ruth, fein Liebling mußte ihm in allen Ecken fehlen.

Auch Ruth ging mit rotverweinte» Augen umher ; nun die Zeit des Abschiede« da war, verging ihr aller Stolz, womit sie so «ft über die Pension gesprochen. An Arnold, den ernsten jungen Mann, der nun für lange Jahre aus der Heimat in ein fremdes Land ging, dachten bei dem Abschied nur wenige und doch war auch er von Jung und Alt beliebt.

Fünf Jahre waren seit dem Tode de« Circusreiters vergangen und die beiden Per­sonen unserer Erzählung haben sich seitdem bedeutend verändert; aus Ruth, dem reiz­enden Kinde ist ein ebenso reizende« zwölf­jährige« Mädchen geworden, das sein dunk­les Lockenköpfchen am liebsten an Großpapa« Wange schmiegt und sich von ihm gern lieb­kosen läßt.

Auch Arnold ist verändert, der hochauf­geschossene Jüngling wurde ein ernster tüch­tiger Geschäftsmann, dessen graue Augen, sonst nur auf Zahlen gerichtet, hell aufleuch- teten, wenn Ruths kleine weißen Kinderhände, wie dies oft geschieht, eine Rose ins offene Comptoirfenster warfen, hinter welchem Ar­nold arbeitet. Er ist nicht hübsch, aber männ­lich imponierend und sehr ernst für sein Alter. All die Vergnügen seines Alters ent­behrt Arnold auf dem Nsrderhof, u. abend«, wenn der Feierabend kommt, setzt er sich so bald es geht hin, um allerlei Spielwerk für den Liebling des Hause«, für Ruth, anzu­fertigen.

(Fortsetzung folgt.)

Vermischtes.

Ein Athlet von Wassertropfen be­siegt. Tue Geschichte von den Wassertropfen, welche bekanntlich besagt, daß viele derselben nach nnd nach einen Stein aushöhlen, er­fuhr unlängst erst eine neuerliche Bestätig­ung durch eine originelle Welle, welche kürz­lich In einem Wiener Vergnügungs-Etablisse­ment zwischen einem amerikanische» Artisten und einem Wiener Athleten ausgetragen wurde. Der Amerikaner wettete nämlich um eine ansehnliche Summe, daß der Athlet nicht im Stande sei, einen Liter Wasser

Harb Hssmann./ Druck und Verlag von Be

tropfenweise aus der Höhe von drei Fuß auf seine flache Hand fallen zu lassen. Lachend ging der Kraftmensch, der keine allzu zarte Damenhand besitzt, auf den Spaß, wie er sagte, ein und die ganze Gesellschaft hielt die Welle für den Amerikaner schon für ver­loren. Da« Wafferquanlum wurde abge­messen und in ein entsprechendes, mit einem dünnen Abflußrohr versehenes Blechgefäß hineingegossen. Sodann wurde auch die Tropsdistanz fixiert und das Geduldspiel be­gann. Bis 300 war schon unter allge­meiner Stille gezählt worden und ebenso viele Wassertropfen waren auf die Handfläche des Athleten rüedergefallcn. Derselbe wurde immer röter im Gesicht, verbiß anfangs den Schmerz, den er empfand, konnte es aber, nachdem etwa 420 Tropfen auf seine Hand hcrabgeträufelt waren, nicht mehr aushaUen. Seine innere Handfläche war sehr stark ent­zündet und an einer Stelle sogar die Haut gesprungen und da« blutende Fleisch bleßge- legt. Und doch war erst ein kaum merk­licher Teil des Liters Wassers aus dem Btechgefgß verschwunden . . .1 Die Gest ll- schaft konnte sich vor Erstaunen kaum fassen und am verwundertslen war der Alhlet selbst. Nach physikalischen Gesetzen ist dies «der durchaus nichts Wunderbares.

.'. (Gräßlich.) Wir dürfen darauf ge­faßt sein, nunmehr aus Chicago täglich die amerikanischsten Dmgezu vernehmen. Schwer­lich wird aber folgende Tollheit übertrumpft: Ein Amerikaner stellt eine Pyramide von 400 Klavieren aus. Die Klaviere sind untereinander elektrisch verbunden und werden von einer Dame sämtlich zugleich zum Er­tönen gebracht. Da man es schwerlich da­hin bringt, daß sie alle gleich gestimmt sind, so wird eS einen netten Ohrenschmaus geben.

(Zwecklos.) Richler:Warum gaben Sie das gefundene Portemonnaie nicht so­fort auf der Polizei ab?" Angeklagter: Es war schon spät abends I" Richter: Und am nächsten Morgen?" Angeklag­ter:Herr Jerichishof, da war bereits nischt mehr »'rin!*

Sie kommt!

Ein Schrecken fährt durch alle Glieder, Sie kommt, die man schon tot geglaubt, Die Fürchterliche kehret wieder,

Die uns die Ruhe oft geraubt.

Sie trennt die Gattin von dem Gatten, Den Bräul'gam von der teuren Braut, Es dräuet schon ihr dunkler Schatten, Verwünscht wird heftig sie und laut.

Sie stört das Heim und das Theater,

Eie drängt sich selbst ins Gotteshaus, Verschlingt die Menge wie ein Krater, Sucht überall die Opfer aus.

Schon nimmt man Zuflucht zum Gesetze Dort drüben in Amerika,

Daß nirgend heimlich fest sich setze Die schreckliche, Gefahr ist nah.

Die« Lied zur Mahnung hier auch diene, Bekämpfen heißt'« zur rechten Zeit Die stahibereifte Crinoline,

Sonst macht sie bald sich bei uns breitI

Merk's.

Entsteig', o Mensch, der Sorgengruft I Dich lockt der Lenz, die Freude ruft I

rnhard Hysm » « « in WU-bod.