Im Banne des Blutes.
Rsman von H. von Ziegler.
Nachdruck verbaten.
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„Sie Vergeben mir, gnädige Frau," fuhr er dann bitter fort, „daß mein thörichter Wunsch Sie an das Sterbebett eines Mannes führte, der einst ihren Namen trug und noch in der Todesstunde erkennen muß, daß er keine Mutter mehr besitzt I"
„Albrecht," schrie da die Gräfin von Neuem auf und wollte sich über ihn stürzen, doch er wehrte sie ab und blickte flehend zu Arnold hin.
„Ich bitte, meine letzten Augenblickemir und meinem Kinde nicht zu trüben," sagte er dann matt, aber doch herb. „Arnold, zeige der Dame den Weg!"
Ja, dieser jetzt so elend gewordene Cir- cuSreiter Graf Albrecht von Dcktsch war der Sohn der stolzen Gräfin, ihr eigen Fleisch und Blut, stolz und starr wie sic selbst.
Der Gräfin erschreckter Blick fiel noch einmal auf die hochaufgerichtele Gestalt des kranken Lohnes im Bette, welcher jetzt mit dem linken Arm das herbeigetrlppelte Kind umschlang, dann senkte sie den Kopf und schritt binauS jzu der Thür, die Arnold, nachdem die Dame gegangen, von innen abschloß.
Noch einmal blieb die Gräfin in stummem Kampfe draußen auf der Schwelle stehen, dann aber raffle sie sich mit einem tiefen Seufzer auf und schritt die Treppe hinab. Bei dem Hrruntersteigen hörte sie einen scharfen Schrei und leises Weinen des kleinen Mädchens. War es vorüber mit dem Kranken ? Starb er vielleicht in diesem Moment, ihr Söhn, ihr einst so schöner, stolzer Albrecht, auf den sie so viel gehallten. O, et hatte sich zum zweiten Mate ein Bruch zwischen Mutier und Sohn vollzogen, erst um der CircuSreiterin und nun um des Kinde« willen, w-lcheS aus der Ehe Graf Alb- recht- mit der Künstlerin hervorgegangeu war.
Die Gräfin fühlte, daß sie ihren Sohn nun für immer verloren habe, nachdem sie ihn kaum wiederg'funden hatte.
Die Gräfin Deltlch war nicht allein stolz, ihr Sohn war es auch, und nach der schneidenden Abschiedsworten von heule gab es kein Wiedersehen zwischen Mutter u»d Sohn mehr, ein A lsch blickte nur so flammend und herb, wenn er für immer ein Band zerriß, welches sein Herz bisher gesesselt. O, wie die Gräfin die Circusreiteri» und das lockige Kind haßte, denn durch beide hatte sic ja den Sohn verloren. Prinzeß Schneewittchen nannte der Pater das Kind! ES war allerdings daß süßeste, schönste Ge- sichtchen, das die Gräfin je gesehen, wie Milch und Blut I
Aber eS stammt aus nnebenbürtiger Ehe ab, und deshalb stieß eS die stolze Gräfin von sich.
Vor dem Gssthofe knallte der ungeduldig harrende Kutscher der Hohensteinschen Herrschaften mit der Peitsche und aus der Wirls- stube klang mißtönendes Kindergeschrei, als die Gräfin Deltsch wie geistesabwesend die Thür öffnete. Der junge Baron Egon von Hohenstein saß rittlings auf einem Stuhl neben der älteren Cousine, während Olga,
die jüngere, sehr ungeduldig auf und ab schritt.
„Was hat es denn hier gegeben?" srug die Gräfin streng, denn der Anblick der unartigen Nichte regte die Danie auf.
Die beiden älteren Kinder stürmten mit allerlei Anklagen auf sie ein; Olga hatte sich mit ihnen gezankt und schließlich in voller Wut die Schwester geschlagen.
Da wandte sich die gestrenge Tante in jähem Zorn, völlig ohne die ihr sonst eigene Selbstbeherrschung, zu der kleinen Misse- thäteri» und gab ihr eine so starke Ohrfeige, daß sie taumelte. „Hier hast Du Deine Strafe für dies bodenlos ungezogene Betragen I" rief die Gräfin dabei. „Zuhause aber wird der Papa Dich noch weiter strafen."
Erschrocken blickten die drei Kinder auf die zornige Tante, denn sie hatten dieselbe noch nie so maßlos erregt gesehen. Ihr Gesicht war völlig farblos und die Hände flogen nervös in der Luft umher.
Olga die Infolge der Ohrfeige laut aufweinen mochte, blieb erschrecken und stumm bei dem Anblick der zornigen Tante, und duckte sich scheu in die Wagenecke, als sie bei der Rückfahrt neben die Gräfin zu sitzen kam.
Was war wohl mit der Gräfin geschehen, um bei ihr diese fassungslose Erregung her- vorzurufen? fragte sich vergeblich der junge Egon von Hohenstein.
Ehe der Wagen abfuhr, bog sich Grast,, Aeltsch nochmals aus demselben und redete den Kellner mit leiser Stimme sn:
„Wissen Sie nicht, ob cs dem kranken Eircusreiter, der oben im Mansardenstübchen liegt, besser geht?"
„Ew. Gnaden meinen wohl Herr Berger ?" erwiderte der Kellner.
„I—a. ganz recht, den meine ich !" stotterte in seltsamer Erregung die G'ästn.
„Ach, Frau Gräfin, mit dem unglücklichen Manne geht es zu Ende. Soeben ist der Herr Doktor wieder hinauf zu ihm gegangen, aber er meinte schon gestern, ehe der iliirke Blutsturz kam, daß der Kranke nicht mehr lange leben könne. Und er hat solch' ein reizendes, kleines Töchterchen. Was mag aus dem armen Kinde werden, wenn der Vaier stirbt?"
„Komödiantenbrut!" stieß die Dame da zornig hervor, daß der Kellner ganz betreten zurückwich, dann winkte sie d-m Kutscher, die Pterve zogen an, der Wagen rollte davon und koptschüttetnd brummte der Kellner vor sich hin : „Merkwürdig I Wie diese vornehme Dame doch so gar kein Mitleid mit dem armen Künstlervolke haben kann? Und ich will gleich meinen Kopf verwetten, wenn nicht dieser Eircusreiter Berger etwas mehr ist, als er scheint! Der Mann hat so etwas Vornehmes an sich und gleicht so ganz und gar nicht einem fahrenden Künstler der gewöhnlichen Sorte.
Währenddem ging es oben in dem niedrigen Mansardenstübchen mit dem kranken Eircusreiter wirklich zu Ende. Der furchtbare Schmerz dieser letzte» Stunden hatten dem armen Kranken den Rest gegeben ; nach ciuem abermaligen Blutstnrze lag er regungslos da, beinahe ohne Bewußisein und nur noch schwach atmend.
Arnold empfand mit schrecklicher Deut lichkeit die schwere Verantwortung welche aui ihm nun lastete. Der Sterbende dort, der
ehemalige Lieutenant Graf Albrecht von Aeltsch hatte vor nunmehr 8 Jahren, die schöne Reiterin Anna Berger leidenschaftlich lieben gelernt und geheiratet. Anna Berger war von gutem Herkommen, hatte sich aber durch den von ihr mit leidenschaftlicher Harluägig- keit ergriffenen Beruf als Circusreiteri» mit ihren Eltern verfeindet. Auch die Verbindung des schönen Offiziers Grafen Albrecht von N lisch mit Anna Berger hatte deren Eltern nicht müder gegen sie gestimmt, und, als dann der junge Graf mit kaum achi- undzwanzig Jahren seinen Absch-ed als Offizier erhielt, eben seiner Heirat weg-n, und auch dieserhalb vollständig mit seiner Mutter und den übrigen Verwandten brschj, da ließ man es ruhig geschehen, daß Graf Aeltsch und die CircuSreiterin nach Amerika auswanderten, um dort ihr Glück zu suchen.
Das Glück hatte sich aber in Amerika für das wagehalsige junge Ehepaar nicht gefunden. Die schöne CircuSreiterin starb bald nach der Geburt ihre« einzigen Kindes, der kleinen Ruth, und Graf Albrecht, welcher Annas Valernamen Berger angenommen hatte und der Not gehorchend, auch Eircusreiter geworden war, kehrte wieder in seine Heimat zurück. Er fand hier Stellung in einem Cncus und durchstreifte mit diesem halb Europa.
Seinen Schwiegervater Friedrich Berger, einen wohlhabende» Fabrikanten, halte Albrecht nach seiner Rückkehr in die Heimat nicht ausgesucht, doch erfuhr jener durch ein n Freund die Anwesenheit des Schwiegersohnes und der kleine» Rut in Deutschland. Nun sandte der alte Beiger seinen Enkel Arnold ab, um Albrecht zu überreden, den alten Groll zu begrabe» und samt Ruth in das Haus des Schwiegervater- zu ziehen, damit er mit seinem »müde hier ein ordentliches Unterkommen flnren könne.
Arnold hatte bei dem Onkci Albrecht aber kein Gehör gefunden und war im klebrigen nur noch rechtzeitig gekommen, um den lolkranken Cncusreiler in seinen letzten Lebenslagen beizustehen. (Forts, fr gt.)
Vermischtes.
.-. (DaS beste Wasser.) Einst kam zwischen mehrere» Bauern das Gespräch darauf, wo etwa im Torf das beste Wasser sein könne. E>n Witzbvtd erwideile: „Ich meine, das beste Wasser hält der Fuchswut, dum er schüttet seinen Gäste» etwas Wein hinein."
(Scherzfrage.) Weiches ist unbedingt der tt> niste Wate tu Deut>chla»d? Antwort: Der Odenwald; denn im Lüde heißts ausdrücklich: „Es stehl ein Baum im Odenwald."
.-. (Abgetrumpst.) Ein Kaufmann, der
schon mehrmals Baukeivtl gemacht, aber doch gegen seine Untergebenen sehr arrogant ist, sährt wegen eines kleinem Versehens seinen Bucvhatler derb an und ruft: „Wenn Sie so torlmachn', werden Sie nicht gut mit mir fahren I" „O, ich weiß," sagte der Buchhalter, „Sie haben schon öfters umgeworfenl"
(Nichtig verstanden.) „Bitte Herrn Ob>rst gehorsamst für heute Nachmittag um Displi,sation vom Dienst!" „Warum?" „Meine Schwiegermutter reist nach längerem Anfliithsli heule wieder nach Haus, ich möchte sie gern aus den Bahnhof bringen!" „Ah so! Ein Familienfest! Urlaub genehmigt!"
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hosman»,