Im Banne des Blutes.

Rvman von H. von Ziegler.

Nachdruck verbaten.

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Eine mächtige Bewegung arbeitete jetzt in den mageren Zügen des Sterbenden, sein umflortes Auge hing an dem fröhlichen Kinde, welches seine Puppe im Arme haltend, der­selben von dem kleinen Wagen und den munteren Ziegenböckchen erzählte, welche Groß­papa ihr schenken würde.

Das Kind'" murmelte dir totkranke Cirkusrciier erschüttert,mein armes Prin­zeß Schneewittchen! ES hat seit es lebt fast nur Elend mit mir durchgemacht, hat ge­froren, gehungert und doch stets gelacht, daß es mir sonnig ums Herz wurde mitten im tiefsten Kummer. Gott segne eS und um des Kindes willen . . ."

Mach' Friede, Onkel, mit dem Groß­vater Ruths, gieb sie u»S, wenn Du nicht mehr genesen solltest I" bat der junge Mann aufs Neue.

Nein, nein," rief der Unglückliche von Neuem,nicht bei Euch will ich sie wissen sie muß meinen Namen führen, Rur ist eine geborene Gräfin Peitsch und kein Mensch kann ihr diesen Rang streitig machen."

Damit jene stolze Familie, die Dich ebenfalls auSgestoßen, womöglich dagegen spricht und, um Ruths Mutter willen, auch das arme Kind nicht in ihren Reihen dulden will," unterbrach der junge Mann den Kran­ken.O, Onkel, mein Großvater heißt schlicht und recht Friedrich Berger, und wenn er auch nur eine chemische Fabrik und ein kleines Landgut besitzt, so wird er fick doch nicht 'äämen, die Tochter des C'rcusreiters atS seine Enk. lin anzuerkennen. Ob es aber die Grafen von Peitsch thun und Ruth als ihresgleichen aufnehmen werden, ist doch noch sehr die Frage."

Tie werden es," nickte düster der kranke CircnSreiter.Arnold, Dir will ich es sagen, ich habe heute im CircuS meine Mutter gesehen I"

D>e Gräfin Peitsch? Wie kommt sic hieher in diese kleine Stadt?" frug erstaunt der junge Mann.

Das Gat ihres jüngsten Bruders, des BaronS von Hohenstein, liegt ganz in der Nähe dieser kleinen Stadt, und meine Mut­ter war mit Baron von Hohenstein's Kin­dern im Circus. Das kleinste Mädchen Hohenstein's wird kaum älter als Ruth sein."

Und hat sic Dich erkannt, Onkel Alb- recht?" forscht der junge Mann ernst.

Ich glaube nicht; die Entfernung war zu groß und ich hatte Meinen Bart gefärbt. Die Aufregung über dies Wiedersehen Verursachte meiner kranken Lunge den Blut­sturz, von dem ich mich nicht mehr erholen werde."

Ein silberhelles Lachen der kleinen Ruth unterbrach die erregten Worte des VaterS; das Kind hielt ihrejPuppe jubeln in die Höhe und rief:Sie hat genicht, Papa, als ich ihr sagte, wir würden zum Großpapa fah­ren I Ist das nicht schön von dem Püpp- chcn?"

Mein Sonnenstrahl, mein Schneewitt­chen," murmelte zärtlich der Kranke und Ver­suchte, die welke Hand auf den Scheitel de« kleinen Mädchens zu legen;sie muß eine Heimat bekommen , che ich sterbe I Arnold

ich beschwöre Dich hole sie meine Mutter! Sie wird und muß kommen, ehe ich sterbe I"

Der junge Mann fuhr zurück

Die Gräfin soll ich herbeiholen?" frug er dann finster,und Du meinst, sie werde Dich Wiedersehen wollen, Onkel, Dich, den Gatten der ehemaligen Circusreiterin."

-Ja", stieß der CircnSreiter röchelnd her­vor, sie wird und muß mich Wiedersehen. Mutterliebe kann ja nicht so ganz sterben, auch wenn schlimme Zerwürfnisse den Sohn von der Mutter trennten, sie muß zuletzt doch allen Groll und Haß überwinden. Hole meine Mutter, die Gräfin Peitsch herbei, damit sie mich segnet und mein Kind zu sich nimmt I"

Arme, kleine Ruth," murmelte Arnold, als er, sich zum Gehen anschickend, nochmals des Kindes lockiger Scheitel streichelte,so lange ich lebe, soll sie auf Händen getragen und geliebt werden, wenn jene stolzen Leute sie nicht aufnehmeu wollen."

Das Gastzimmer, in welchem die benach­barten Gutsherrschaften, wann sie zur Stadt kamen, gewöhnlich abstiegen, lag in dem Gast­hofe zu ebener Erde und war nur spärlich beleuchtet. An dem einen rechts in der Ecke vor einem hart gepolsterten Scpha sichenden Tische saß die alte Gräfin Peitsch mit ihren drei Pflegebefohlenen, den beiden Töchterchen ihres Bruders, des Barons von Hohenstein, und dem etwa vierzehnjährigen Egon von Hohenstein, einem Neffen des genannten Barons.

Der Knabe machte trotz seiner jungen Jahre eine» fast stutzerhaften Eindruck und schien schon bei der älteren zehnjährigen C»u> sine mit dem Csurmachen zu beginnen. Die jüngere kleine Barvneß saß mit aufgestemm-l ten Aermchen und finsterem Gesichte da, ^ öffenbar über irgend eine Zurechtweisung grollend. Die Tante, Gräfin Peltsch, eine grauhaarige alte Dame mit strengen Zügen, die noch immer Spuren einstiger Schönheit aufwiesen, sah den Trotz des Kindes und wandte sich ihm tadelnd mit den Worten zu : Olga, sitze gerade und mache kein böse« Gesicht; Du bekommst, che wir fortfahren noch den gewünschten Eierkuchen."

Dann mag ich ihn nicht, Tant," schmollte die kleine sechsjährige Baroneß,aber ick werde dem Papa sagen, daß ich mit Dir nicht mehr in die Stadt fahren mag. Mama hätte mir den Eierkuchen längst geben lassen."

Aber, Olga," mahnte die ältere Schwe­ster ganz verlegen,wie kannst Du so un­artig sein I Der Papa wird sehr böse sein, wenn er erfährt, was Du eben zur Tante gesagt hast."

Olga hat ein Köpfchen für sich, laß sie dock Cousinchen," lachte der altklüge Jüng­ling Egon von Hohenstein belustigt; Tante Pttsch wird unartige Kinder zu übersehen wissen."

O ja," meinte die Gräfin eisig kalt, das werde ich allerdings besonders bei den Confektdüten, die ich für Euch heute Nach­mittag kaufte. Olga erhält natürlich keine."

Das verzog-ne Kind blickte erstaunt und enttäuscht die strenge Tante an, denn sie wußte, daß deren Wille unbeugsam war und ihre Worte durchgesührl wurden; hier half nicht einmal ihr bei Mama stet» zuletzt aus­gespielter Trumpf, die Thräne. Ehe die

kleine Baroneß Olga sich jedoch gefaßt hatte, ward die Thür des Gastzimmers ziemlich un­gestüm geöffnet und Arnold Berger trat ein, bleich, erregt und schritt sogleich auf die Grä­fin zu.

Irre ich nicht, so habe ich die Ehre, Frau Gräfin Peltsch vor mir zu sehen?" sagte der. junge Mann mit einer Verbeugung.

Allerdings I" erwiderte die alte Dame und sah de» Fremde» kühl und hochmütig von oben bis unten an.

Was könnten sie von mir wünschen?"

Mein Name ist Arnold Berger, ich komme im Namen eines Sterbenden, um Ihnen dessen letzte Bitte vorzutragen," er­widerte der junge Mann ruhig.

Hier liegt wohl ein Irrtum vor I Ich kenne hier Niemand und wäre begierig zu erfahren, wer mich in seiner Sterbestunde zu sprechen wünschte."

Es ist ein Künstler, ein Circusreiter, den seine letzte Stunde eher ereilte, als er gedacht," entgegnete Arnold mit gedämpfter Stimmeund welcher Frau Gräfin, Ihnen doch bekannt sein dürste. Sein Name in der vornehmen Welt war einst Atbrecht Graf von Peitsch!"

Mein Sohn," schrie jetzt die alte Dame, allen Stolz vergessend, gellend auf und preßte beide Hände vor das zuckende Antlitz; dann blieb es eine Weile still in dem Zimmer, denn auch die Kinder wagten keinen Laut von sich zu geben.

«Fortsetzung folgt.)

Vermischte-.

(Auch eine Rolle.) Frau Kunze: Ohne meinen Sohn, sage ich Ihnen, könn­ten sich alle Andern gar nicht auf der Bühne sehen taffe» I Frau Lehmann:So, da spielt er wohl die erste Rslle?" Frau KunzeJa er rollt den Vorhang auf!"

(Da hat er's). Städter, eine bairische Kellnerin in die Backe kneifend:Sie, liebstes Fräulein, reden S' doch amsl a bissel bai­risch; da« klingt so reizend und macht mir immer so viel Spaß!" Kellnerin:Du LauSbub, Du sakerler, willst a Walscheu haben?"

(Immer derselbe.) Unweit der pol­nischen Grenze wurde ein russischer Post­wagen von Räubern angehalten, welche die Reisenden ausplünderten. Unter diesen be­fand sich auch ein jüdischer Kaufmann, der, als die Reihe an ihn kam, eine Geldkatze mit 1000 Rubeln hervorzsg, aus weicher er schnell 20 Rudel herausholte und i» seiner Tasche verschwinden ließ."WsS soll das heißen?" donnerte ihm einer der Räuber, mit der Pistole in der Hand, entgegen. Gott der Gerechte, wie haißil" jammerte der Hebräer,krieg' ich doch überall gern zwei Prozent for baare Kasse bewilligt!"

(Moderne Wirtschaft.) Dame vom Haus :O, ich sage Ihnen, beste Freundin, die Zeit vor den Feiertagen ist doch entfetz- lich: Gestern hatten wir den Tapezierer da, den Maler, den Bodenwichser, die Putzer»', die Wa'chfrau . . . !" Der kleine Karl: Den Gerichtsvollzieher hast Du Vergessen, Mama I"

(Bedenkliches Zeichen.)Ist denn Ihre Frau auch wirtschaftlich?" ,O gewiß! Ich jag' Ihnen, die hat sogar noch spät abends den Schrubber in der Hand, wenn ich aus dem Wirt-Hause heimkehre I"

Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann.

Druck und Verlag von Bernhard Hofmann.