dessen Grab und durchstach das Herz der Leiche mit einem Messer, indem er noch die Beine und Füße zerhieb. Ein alter Mann wußte davon und erzählte eS überall, beabsichtigte auch eine Anzeige bei der Behörde zu machen. Die« mußte er aber wohl unterlassen, als er gewahr wurde, daß sein eigener Sohn sich ähnlicher Unthaten schuldig machte. ES war Grad und Leichnam der eigenen Mutier, die dieser auf die verbezeichnele Weile schändete, in der Meinung, dadurch ein Wochenficber seiner Frau bannen zu können; in diesem Falle wurde sogar der ganze Leichnam zerstückelt und die Reste zerstreut. Nach und nach stellt sich heraus, daß dieser Aberglaube dort viel verbreiteter ist, als man angenommen; sodaß man dort gar nicht weiß, wie Viele Leichen sich überhaupt »och an ihrer Ruhestätte befinden.
— Ein fürchterlicher Schneesturm zerstörte in Chicago, wie eine Kabcldepesche des Jll. Wiener Extrakt, von dort meldet, zwei Riefenhotel«, welche zur Aufnahme der Besucher der Weltausstellung errichtet wurden. Auch da« Panoramagebäude wurde von dem Unwetter demoliert.
— Ohne Geld um die Welt. Eine«
der eigentümlichsten Kunststücke im Verreich der Journalistik wird — so sagt der Daily Chronicle — von einem Schweden, welcher Mitarbeiter an dem Kopenhagencr Blatte Daneborg ist, augenblicklich in« Werk gesetzt, kein Name ist Swe» Otto Richard Waldemar Wirs». Er ging mit einigen Bekannten die Wette um 200 Pfund Sterling ein, daß er die Reise um die Welt ohne Geld machen werde. Er führt einen Kreditbrief auf 25 Pfund Sterling bei sich, aber das ist nur aus dem Grunde, damit er nicht als Landstreicher arretiert werde. Im Fall er den Kreditbrief einwechsclt, verliert er die Wette. Aus der Fahrt über das Atlandische Meer verdiente er sich einen Schilling täglich als Arbeiter auf dem Schifft, dann erhielt er eine freie Ueberfahrt von Wilmingtsn nach New 3)ork; hier hungerte er zwei Tage und lief die Straßen auf und ab, um sich warm zu halten, bis sich die Heilsarmee seiner annahm. Von New-Iork bekam er eine freie Ueberfahrt nach Chicago, hatte aber auf der ganzen Reise zu hungern. In Chicago schrieb er für sein Blatt in Dänemark eine Reklame für ein dortiges norwegisches Hotel. Diese Arbeit brachte dem
edlen Manne eine vierzehntägige freie Beköstigung ein. Dann begab er sich mit einem GratiSbillet nach Portland, a» der Küste des Stillen Ozeans. Jetzt befindet jer sich Hongkong. Die Freuden der Reife können am besten aus den Ueberschriften, welche die Zeitungen der Ankündigung seiner Ankunft gaben, beurteilt werden: „Drei Tage ohne Speise und Trank am stillen Ozean! Er rauchte, um die Qualen des Hungers zu stillen I Sein Mund ist wund vom Rauchen !"
— Die Verlagshandlung von Carl Grü- »Niger in Stuttgart versendet gratis und franko an jedermann, der sich für die Tonkunst im allgemeinen, sowie für Richard Wagner insbesondere interessiert, eine 2'/r Bogen starke, reich illustrierte Richard Wag- ner-Nummcr des bekannten musikalischen Familienblatts „Neue Musik-Zeitung". Dieselbe enthält u. a. ein Brief-Faksimilie, ein zweiseitiges Noten-Autogramm des Meisters (die ersten Entwürfe zur Oper Lohengrin), beides bisher noch nicht veröffentlicht, sowie wertvolle» Textmaterial und eine vierseitige Musikbeilage.
Im Kanne des Blutes.
Roman von H. von Ziegler.
(Nachdruck verboten.)
1 .
Trübes Lampenlicht schimmerte durch die niedrigen Fenster eines Mansardenstübchen«, dessen schräge Decke, kahle Wänse und roher Fußboden im Verein mit den wenige», altersschwachen Möbeln auf einen fremden Besucher entschieden abschreckend wirken mußten. Ein ärmliches Bett stand an der einen Lang- seitc des Zimmers fast im Dunkeln, und in demselben ruhte röchelnd ein totenbleicher Mann mit dunklem Haupt- und Barlhaar, die Augen geschlossen und mühsam atmend. Sein schmales, feine« Gesicht, der fest zu- samm-iigepretzlc Mu»o und die edetgetormie Nase verrieten seine Abkunft aus guter Familie, ebenso bewies die schlanke, magere Hand, welche auf dem Deckbett hier und da nervös zuckle.
Zu Füßen seines Bettes, doch so, daß der Kranke sie sehen konnte, kauerte ein reizendes kleines, etwa sechsjähriges Mädchen, mit ihr-r Puppe nach Kmderart beschäftigt und eben dadurch den kranken Vater immer wieder zum Lächeln bringend. Das braune Lockenköplchen des Kindes blich in fortwährender Bcwegung und ihr Mündchen plauderte unbeiorgl weiter, trotzdem der düstere Schallen des Todes auf des Kranken blasse Stirn bereits herabzusinken begann.
„Sei still, Ruth," mahnte ab und zu ein sunger Mensch, von etwa siebzehn Jahren, der ebenfalls noch in dem Zimmer anwesend war und sich eifrig bemühte, eine Tasse voll Kraftbrühe für den Kranken zu wärmen, „Papa verträgt solch lautes Geräusch nicht."
Es war ein blasses, wenig schöne« Gesicht, da« sich jetzt vorsorglich zu dem Kinde hernieder bog; die Züge desselben sprachen von Güte, doch auch von Energie, und ein leichter Bartanflug, der einmal später seinem Besitzer wohl zur Zierde gereicht hätte, trug vorläufig nicht zu seiner Verschönerung bei.
„Laß sie, Arnold," wehrte aber der Kranke ab, „bas Kind ist mein Sonnenstrahl, mein
Prinzeß Schneewittchen, und ich werde leichter sterben können, wenn sie bei mir ist."
„Onkel Albrecht," flüsterte der Jüngling tief ergriffen, „sprich doch nicht so traurig! Du wirst wieder gesund werden und bei uns lebe» in meines Großvaters schönem Besitz tum; er und ich wollen Dich samt Rui pflegen und lieben, daß eS ein glückliche« Zusammenleben werden muß!"
„N-in, Arnold, das ist nicht möglich, ich folge — Deinen Eltern und Anna, meiner armen Frau — in das ewige Leben," hauchte der bleiche Mann; „ihnen ist wohl und ich werde nun bald überwunden haben."
„Oheim," wandte Arnold liebevoll ein, „Du sollst hinfort auch nicht wie bisher als Crrkusreiter leben und Dich und Ruth von diesem kläglichen Brot ernähren, sondern in des Großvaters Fabrik oder auf seinem Landgut wie ich selbst thätig sein."
„Nein," rief der Kranke ungestüm und streckte beide Hände wie abwehrend aus, „nimmermehr I Meiner armen Frau Vater soll nicht denken, daß ich, der einst vornehme Mann, nachdem ihn die Seinen aiiSgcsloßen um der geliebten Gattin willen, nun noch ihm zur Last liegen werde."
„Es ist dem Großvater keine Last, Onkel Albrecht, für Dich zu sorgen. Er schätzt Dich und Deine ehrenhaften Ansichten hoch und gerade der Umstand, daß er mich sandte, Dich zu pflegen und zu uns heimzuholen, sollte Dir beweisen, daß e« ihm heiliger Ernst ist, dem unglücklichen Schwiegersöhne und der Enkelin zu helfen."
„Nein," stöhnte der Kranke heftig, „ich kann es nicht — besonder« jetzt nicht, — seit — heute abend nicht."
„Was isi Dir geschehen ?" frng der Jüngling verwundert, „ich war nicht im CirkuS, sondern blieb mi! Ruth hier, so daß ich nicht weiß, was Dir zustieß."
„O, Du kannst eS nicht fassen - wirst mich tadeln, denn Du stehst zu Deiner, zu Annas Familie gul und ich, o ich! . . . Daß Gott sich erbarme
„Lieber Onkel, rege Dich nicht auf! Aber sollte ich Dir einen Wunsch erfüllen
können, dann sei überzeugt, daß ich es von Herzen gern lhuu will."
„Papa," rief jetzt Ruth fröhlich und legte das braune Lockentöpfchen auf den Beltrand, ich will auch hübsche Kleider haben, wie des Direktors Kinder und auf dem Ponuy reiten —"
„Nein, Ruch," und über des Vaters abgezehrtes Gesicht flackerte eine dunkle Ftcber- röte, „das darfst Du nicht, da- — wird Arnold nicht erlauben und —"
„Nicht böse fein, Papa," bat da- Kind ängstlich, „ich will auch artig bleiben und — nicht auf dem Ponny reiten."
Offenbar wurde dem Kinde dieser Entschluß ziemlich schwer, denn Ruth senkte das Köpfchen, um die Thranen in de» großen, dunklen Augen nicht zu zeigen.
„Wenn wir zum Großpapa reise»," tröstete Arnold, „so wird dort auf dem Lande sich gewiß ein alle,liebstes Ztegengespann für Dich finden, Ruth, in dem Du umherfahren darfst, so viel Du willst. Möchtest Du mit mir zum Großvater?"
„Sie soll nicht zum — ,Großvater," stöhnie der kranke Mann im Bette wiid auf, „er bst mich einst von sich gewiesen, als Anna mir Herz und Hand geschenkt, hat mich und seine Tochter verstoßen!"
„Onkel Albrecht, wenn der Großvater einst hart gewesen, so ist er cs doch heule nicht mehr, sondern will Dich in Liebe auf- nehmen, Dich und Dein Kind."
„Will e:'s nun, haha — jetzt, wo nun der Tod kommt, meint er — solle ich ja dazu sagen? Nein — ich will nicht!" —
„Onkel, denke an Ruth, denke an den Heiland, der auch für seine Feinde dal," mahnte Arnold und fein unschöne« Antlitz glühie förmlich vor Erregung. „Du bist feit Jahren einsam und elend gewesen, hast Mangel gelittcn und nur mühsam da« tägliche Brot errungen; wirf jetzt allen Groll und Hader von Dir, nimm deS Großvaters dargebstcne Hand an und komm zu uns, Ruth soll auch unser Sonnenstrahl werden, denn es ist so einsam und düster in de« Großvaters Haufe." (Forts, folgt.)
«rrantwortiicher Redakteur: Bernhard tzyi m, n ».) Druck und Berlgg von Bernhard Hsfma »>> ->-wbcch.