300 Arbeiter plünderten die Brotläden in der Vorstadt Sant' Alberto und wollten in einen Getreidespeicher eindringcn. Militärpatrouillen durchstreifen die Stadt. Der Bürgermeister versprach, nach Möglichkeit für Arbeit zu sorgen. Die Zahl der beschäftigungslosen Arbeiter in Ravenna und der Umgebung wird auf 2000 geschätzt.
London, 10. April. Dem „Standard" wird aus Konstantinvpcl gemeldet, daß d>e Lage in den armenischen Provinzen sich äußerst ernsthaft gestalte. Täglich fänden Verhaftungen statt und annähernd 2000 Christen besändc» sich gegenwärtig in den Gefängnissen. In der Provinz Erzerum seien jüngst drei Armenier von Muhamedanern ermordet, die Mörder aber trotz klarer Beweise für ihre Schuld freigelasscn worden. Später habe man dieselben ermordert vsrgefunden, worauf die türkischen Behörden 80 Armenier vor ein Kriegsgericht stall vor das ordentliche Gericht gestellt hätten. Von denselben seien 25 enthauptet und 23 zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt worden. Die jüngst gemeldete Begnadigung armenischer Gefangener seitens deS Sultans sei nur zum Schein er-
Die Tanzmeiflerin.
Novellette «SN Jenny Piorkowska.
Nachdruck verbeten.
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In dem eleganten festlich geschmückten PalaG des deutsche» Gesandten bewegte sich eine dichte Menschenmenge in den verschiedensten Kostümen ; va waren alle Raiione», alle Trachten, alle Stände vertreten; hier sah man eme frische, rotwangige Bäuerin mit einem spanischen Granden in traulicher Unterhaltung, von gav die stolze Elisabeth von England ihrem Rachbar, einem neapo- litaniichen Fischer einen leichten Schlag mit ihrem Fächer, während ein paar lebhafte, mu'willige, dunkle Augen hinlcr der schwarzen Ailasmaske hervoriuglen ; hier pries eine reizende, graziöse Italienerin allerhand Südfrüchte an, sie sic in einem zierlichen Körbchen am Arme trug, dort enllsckte ein ge- schmeid>g>r Bajazzo durch seine Sprünge und Kapriolen den Umsteh, »den munieres Lachen, überall herrschte Leven, Froiisinn und Munterkeit, alles lachte, schwatzte und plauderte durcheinander, und Niemand beachtete den in schwarzem Samml kostümierten Ritter, der wenig Teil an dem allgemeinen heiteren Treiben zu nehmen schien.
Mit unruhig suchendem Blick schritt er zwischen der bunten Gesellschaft einher, und wer die finster zusammengezogen Stirn und den festgeschlossenen Mund, die sich hinter der Marke verbargen, gesehen hätte, der hätte wohl gefragt: was will dieses ernste, fast zürnende Gesicht in diesem heiteren Kreise?
Der Unbekannte schritt von Saal zu Saal, von Zimmer zu Zimmer, aber noch immer schienen seine Augen nicht zu finden, was sie suchten. Plötzlich fiel sein Blick aus eine Gestalt, die gegen einen Pfeiler gelehnt, der nach einem kleinen lauschigen Boudoir führte, mit sinnendem Blick dem bunten Treiben der Gesellschaft zuschaule. Die schlanke vornehme Figur, die ein reiches Rokokokostüm umschloß, ließ auf eine noch junge Dame schließen. Der Vicomte Alphonse Carmignol, denn er und kein anderer verbarg sich hinter der Maske des Ritters, ließ
folgt, um Europa zu täuschen, denn nur wenige, durchaus unschuldige Armenier seien freigelassen worden.
— Der Dampfer Thekla, welcher vor Wochen von Kopenhagen nach New-Iork ab- ging ist dorl noch nicht angekommen. An Bord befinden sich 700 Passagiere und die für die Ausstellung in Chicago bestimmten Gegenstände Dänemark«. Ucber daS Schicksal des Dampfers herrscht ernste Besorgnis.
— DaS größte Schiff zur See ist der Dampfer „Campania" von der Cunard-Linie, welcher am 8. April seine erste Reise von Liverpool aus antreten wird. Das Schiff hat eine Länge von 600 Fuß, eine Breite von 65 Fuß und eine Tiefe von 43 Fuß. Es hat ein Deplacement von über 18 000 Tons. Die „Campania" ist ein Doppel- schraubcndampfcr und besitzt 2 komplette dreifache Expansionsmaschinen, jede von 5 Zylinder. Den Dampf für diese liefern 12 Stahl- kessel. Die Maschinen indizieren 15 000 Pferdekräfte. Die Schornsteine des Dampfers haben 21 Fuß im Durchmesser und sind 120 Fuß hoch. Die fliegende Brücke ist 60 Fuß über dem Wass-r. Das Schiff
Blick eine Minute prüfend über die Gestalt hinglciten ; dann that er einen tiefen schweren Atemzug und kam mit festen entschlossenen Schritten auf die alleinstehende zu. Mit liebenswürdiger Herablassung nahm dieselbe seinen Gruß entgegen und lächelte ihm freundlich zu, als er sich ihr, der Komteß de la Penthiöre, die er nach der Beschreibung des Kostüms endlich herausgefundcn halte, als Vicsmie Alphonse Carmignol, den ihr bestimmten Gemahl zu erkennen gab. Nach kurzer Unterhaltung reichte er ihr de» Arm und willig ließ sie sich von ihm in das trauliche Boudoir führen, dessen kleiner BoSkct von üppigen tropischen Pflanzen und der rosa Ampel, die über das ganze ein mattes magische» Licht verbreitete, so recht zu einem tsts-ü-tsts geschaffen war.
Jetzt war der verhängnisvolle Moment für den jungen Vicomte gekommen Noch einmal senszle er lief auf, dann bat er seine Begleiterin , o? sie ihn ruhig anhören wolle, er halte ihr ein Geständnis zu machen, das — so peinlich es ihm sei — er weder ihr, noch sich selbst ersparen könnte.
Darauf erzählte er ihr ohne Rücksicht alles, was zwischen ihm und der reizenden Adrievne vorgefallen war.
„Und Sie lieben dieses Mädchen?" fragte die stolze Aristokratin, nachdem er zu Ende gesprochen und ein paar Worte der Entschuldigung gestammelt hatte.
„Noch liebe ich sie," lautete die Antwort, „wenn ich aber erst Ihre Reize und Ihre edlen Tugenden kennen werde, wird die Erinnerung an sie bald aus meinem Gedächtnis schwinden. Darf ich dann auf Ihre volle Vergebung hoffen?"
Statt aller Antwort nahm Marguerite de la Penihisre die Maske vom Gesicht.
„Mademoiselle I Abrienne l rief der Vicomte halb entzückt, halb entrüstet, wie bös von Ihnen, mir einen solchen Streich zu spielen l Schon glaubte ich d»S Schlimmste überflanden, und nun steht mir das schwere Geständnis noch einmal bevor. Adrienne, wenn Sic wüßten . . .
„Bstl" siel diese ihm ins Wort, indem sie den Finger auf den Mund legte und
besitzt ein elektrisches Lichtsystem wie kein zweites. Die Gesamtlänge des Drahtes, welcher hierbei zur Verwendung kam, beträgt ungefähr 40 Meilen. Die Zahl der Passagiere, die der Dampfer aufnehmen kann, ist ans 2000 sestg'setzt. Davon entfallen 700 auf erste Klasse, 160 auf zweite, ver Rest auf Zwischendeck.
.-. Ein übermütiger junger Ausländer forderte in einem Kaffeehaufe zu München die Anwesenden auf, mit ihm Billard, die Partie um einen Dukaten, zu spielen. Niemand wollte entrieren : „Nun denn, rief der Fremde, „wer spielt (die Partie um eine Ohrfeige?" — „Do bin i do," erwiderte der anw.sende launige Hofmusiker Pranger, trat zum Billard und ergriff ein Queue. Bevor aber noch die Partie begann, sprach Pranger sehr höflich: „Mo lieber Herr I 's is in Boarn Modi, daß man z'erst (zuerst) setzt, vor ma z'spielcn oanfängl" , — und hiermit verabreichte er dem Fremden eine derbe Ohrfeige, bevor aber dieser wieder zur Besinnung kam, war der flinke Pranger längst zur Thür hinaus.
ihn dabei mit kokettem Lächeln anblickte, hier bin ich nicht Aorienne Gervaux, die Tanz- meistcrin, sondern die Komteß Marguerite de la Penthisre
„WaS soll das heißen?" fragte der Vicomte halb erschrocken einen Schritt zurücktretend.
„Das sollen Sie gleich hören," erwiderte sie mutwillig. „Setzen Sie sich noch einmal hier nieder, und leihen jetzt Sie mir ein geduldiges Ohr — auch ich habe Ihnen ein Geständnis zu machen."
„Meine Milchschwcster," fuhr sie fort, nachdem der Vicomte ihr gehorcht und wieder neben ihr Platz genommen hatte, „meine Milchschwester, eine mir liebe Freundin lebt hier in Paris in der Rue St. Etienne und genießt den Ruf einer ersten Tanzmeisterin. Bitte, lassen Sie mich zu Ende reden! — Meine Ettern sind sehr nachsichtig und gestatten mir öfter, sie zu besuchen. So war ich auch kürzlich-tuet Morgens bei ihr; bald nachdem ich gekommen war, wurde sie geschäftlich abgeruien; ich setzte mich ans Klavier und überflog inzwischen ein paar neue Musikstücke, als Adriennes Diener Ihre Karte hineinbrachte, der Sie selbst auf dem Fuße folgten.
„Sie können sich denken, wie ich bei einem Bück auf ihren Namen neugierig war, Ihre nähere Beksnnlschaft zu machen; und in der Laune momentanen UebermuiS begrüßte ich Sie als Mademoiselle Gervaux — daS Uebrige wissen Sic."
Mil immer steigendem Interesse hatte der Vicomte ihren Worten gelauscht, kaum mehr vermochte er sich in seiner Freude, in seinem Entzücken zn beherrschen, und als sie jetzt schwieg, zog er, ganz vergessend, wo er sich befand, die Geliebte innig an sich nnd drückte einen zärtlichen Kuß auf ihre Lippen.
»Jetzt sind wir quitt!" rief er strahlenden Auges, ich gelobe, mich in keine Tanzmeisterin wieder verlieben zu wollen, dafür fordere ich aber auch, daß meine Braut nicht wieder die Rolle von Mademoiselle Gervaux spielt und jungen heißblütigen Schülern da« Herz stiehlt!
— Ende. —
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Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hssmann,