Die Tllnzmeisterin.
Novelle«? von'Jenny Piorkowska.
Nachdruck verdaten.
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— EinS, zwei, drei, vier , fünf, sechs I — Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs.! Bille, Vicomte, den rechten Fuß schneller heben I Etwas mehr auf den Fußspitzen! — Noch einmal: vier, fünf, sechs I — EinS, zwei, drei, vier, fünf, sechs I
Ein jeder, der Mademoiselle Gervaux kannte, mußte zugeben, daß sie nicht nur die erste Tanzmeisterin von Paris war, sondern daß sie mit ihren lebhaften, lachenden Augen, dem frischen Teint und der geschmeidigen schlanken Gestalt auch sicher mit zu den hübschesten Mädchen der französischen Hauptstadt zählte.
Dieser Meinung war auch MademviselleS neuer Schüler, der Vicomte Alphonse Car- mignol, ein stattlicher junger Mann, der sich in der wenig angenehmen Lage befand, allein im Zimmer herumzuschassteren zu müssen; die verschiedenen Spiegel ringsum zeigten ihm dabei ein Bild, das eingedenk der zwei dunklen Augen, die einen jeden seiner Schritte mit kritischem Blicke beobachteten, keineswegs dazu sngethsn war, seiner Eitelkeit zu schmeicheln.
Der Vicomte war ein junger Marine- vifizi-r, der längere Zeit im Ausland gedient halte und erst vor wenigen Tagen nach Paris zurückgekehrt war, wo er in den hohen und höchsten Kreisen aufs herzlichste willkommen geheißen wurde.
Er hätte wohl noch länger die Freiheit in fernen Landen genossen, wenn ihn nicht besondere Gründe in die Heimat zurückgerufen Härten.
Sein verstorbener Onkel hatte ihn in seinem letzten Willen als Universalerben eingesetzt, unter einer Bedingung, daß derselbe die Tochter feines liebsten Freundes, des MarquiS de la Peuthisre zur Gemahlin wählte. Sollte dagegen der junge Mann sich weigern, die schöne Komteß Marguerite als Gattin heimzusühren oder diese einen anderen dem jungen Vicomte vorziehen, so fiele das ganze enorme Vermögen des Erblassers milden Stiftungen zu
AlS letzter Termin zur Erfüllung dieser Klausel, als letzter Tag, an dem beide Teile einander das Jawort geben mußten, war der zwanzigste März bestimmt. Heute war Sonnabend, der verhängnisvolle Tag war in einer Woche, am nächsten Sonntag. An diesem Tage sollte im Hause des Marquis ein großes Diner staitfintzen, und seine Tochter und der junge Vieomte der Gesellschaft als Brautpaar vorgestellt werden.
Der junge Vicomte hatte feine Ankunft in Paris erst für den achtzehnden März angemeldet; in Wahl heit war er jedoch schon acht Tage früher daselbst cingetroffen, mit der Absicht, die B>kanntschaft der ihm bestimmten Braut zuvörderst inkognito zu machen.
Gleich am ersten Tage seiner Anwesenheit in Paris erhielt er eine Einladung zu einem Maskenball im Hause deS deutschen Gesandten. Das gab ihm die beste Gelegenheit, die Komteß ohne deren Wissen kennen zu lernen.
Um fick aber in der vornehmen Pariser Gesellschaft als liebenswürdiger galanter
Vicomte zu zeigen, fehlte demselben eins: er konnte nicht tanzen! Und schnell entschlossen, begab er sich eines Moigens zu der berühmten Tanzmeisterin Mademoiselle Gervaux. Er trug derselben sein Anliegen vor, und legte ihr in ungenierter Weise seine ganze Lage ohne Rückhalt dar; er erzählte ihr, wie sehr eS ihn darnach verlangte, seine zukünftige Gemahlin kennen zu lernen, wie er hoffte, im Hause der deutschen Gesandtschaft ihre Bekanntschaft inkognito zu machen und wie dringend er wünschte, bis dahin als gewandter Tänzer ouftreten zu können; ob sie das für möglich halte?
„Gewiß," entzegnetc Mademoiselle, ich verspreche Ihnen, mir alle Mühe geben zu wollen, damit Ihre schöne Komteß zufrieden mit Ihnen ist."
Der Unterricht begann an demselben Tage.
Anfangs zeigte der Vicomte großen Eifer, aber es währte nicht lange, so entdeckte er, daß eS außer der Komteß — die wenigstens dem Gerücht nach sehr reizend war - auch noch andere junge Damen gab, die ihr an Liebreiz sicher nicht nachstanden I So meinte wenigstens der junge Vicomte, wie er Mademoiselle Gervaux gegenüberstand, und sein Blick, anstatt auf die hübschen kleinen Füße und die Pas, welche dieselben ausführten, zu achten, wie gebannt auf den dunklen lebhaften Augen und der schönen edlen Gestalt haften blieben- Wenn er noch nicht verliebt war, so war er doch nahe daran, und unwillkürlich that er eine» liefen schweren Seufzer, als er dachte: noch zwei Besuche, und dann ade, Du Schönei
Die letzte Unterrichtsstunde war zu Ende, Mademoiselle hatte ihrem Schüler erklärt, daß es nun nur noch der Uebung bedürfe, ihn zu einem vollendeten Tänzer zu machen.
„So soll ich Ihnen nun Lebewohl sagen?" sprach der Vicomte in weichem Tone, während er Mademoiselles Hand ergriff und sie zärtlich in seine beiden nahm.
„ES wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben; voraussichtlich ist eS ein Lebewohl auf Nimmerwiedersehen, versetzte Mademoiselle mit kokettem Lächeln, während ihre dunklen feurigen Angen ihn mit so beredtem Blick anschauien, daß der junge Vicomte, alle Vorsicht vergessend, ohne Uibertegung, nur seinen Momentanen Gefühlen folgend, den Arm um ihre nur halb widerstrebende Gestalt legte, sie leidenschaftlich an sich zog und einen zärtlichen Kuß auf ihre schönen Lippen preßte. (
„Mademoiselle I Adrienne I" stieß er in höchster Erregung hervor, „ich liebe Sie — reden Sie nicht von Nimmerwiedersehen! Ich will, ick muß Sie Wiedersehen!"
Dunkle Glut ergoß sich über Mademsi- selleS Züge; mehrere Augenblicke lang wogte ihre Brust heftig auf und nieder, allmählich aber legte sich die Erregung, und auf ihre schönen Züge trat ein Ausdruck der Entrüstung.
„Vicomte," erwiderte sie mit Würde, Sie vergessen, was Sic sich, und vergessen, was Sie mir schuldig sind. Bedenken Sie, daß Sic binnen drei Tagen der Verlobte der Ksmleß de la Penthisrc sind!"
„Was kümmert mich die Komteß; Sie, Adrienne, Sie allein liebe ich und keine andere!" rief der Vicomte leidenschaftlich.
„Gemach, mein Freund," erwiderie Mademoiselle mit dem Finger drohend, „die
Komteß soll schön, ja sie soll bestrickend schön sein; ein Blick auf sie und die arme Adrienne ist für immer vergessen."
„Sie irren, Adrienne," versetzte der Vicomte, „Sie werden stets den ersten Platz in meinem Herzen behalten!"
Mademoiselle zog finster die scköiicu Brauen zusammen.
„Das ist Wahl sin» , so zu mir zu reden!" rief sie, „ja, es, ist eine Beleidigung, die ick Ihnen nur unter einer Bedingung vergeben kann."
„Und diese Bedingung? welcher Art sie auch sei — ich will mir Ihre Verzeihung für meine Kühnheit erringen!"
„Gul, denn — ich nehme Sie beim Wort. Sie haben nicht nur mich, nein, Sic haben nicht minder die Komteß beleidigt; und zur Sühne dafür fordere ich, daß Sie ihr bei Ihrem ersten BegegniS gestehen, wie wenig Ihres Namen« würdig Sic sich mir gegenüber gezeigt haben."
Der jVicomte schrak heftig zusammen, aber was sollte er ihun?
„Ich habe es Ihnen versprochen und werde Wort halten, "jve> setzte er fast stöhnend; „aber Sie, Adrienne, was wird aus Ihnen?«
„AuS mir?" entgegncte diese, indem sie stelz den Kopf zurückwar ; „ich verzeihe Ihnen. Adieu, Vicomte."
Und bevor diesem Zeit zu einer Ant- wore blieb, war Mademoiselle verschwunden, die Thür hatte sich Himer ihr geschlossen, und der Vicomte Alphonse Carmignol befand sich allein in dem kahlen Tanzsaal.
Ich Thor! knirschte er zwischen den Zähnen, indem er sich zornig mit der Hand vor die Slirn schlug; besser, ich hätte auf das ganze Erbe verzichtet und die reizende Adrienne geheiratet, alS mii einem solchen Geständnis vor die stolze Marguerilc de la Penthisre hintreien zu müssen; aber ich habe eS versprochen, und der Vicomte Carmignol hält sein Wort.
«Fortsetzung folgt)
Vermischtes.
.'. (Glücklich wiedervereint.) „Wie seid ihr nur dazu gekommen, Deine Frau und Du, daß Ihr Euch nach so vielen Jahren der Trennung wieder vereinigt habt?"
„Na, siehst Du, mittlerweile hat sie mich so schlecht gemocht und ich habe sie so schlecht gemacht, daß uns kein anderer mehr haben wollte."
(Buck ein Genuß,) „Sie, Herr Huber, warum geh» S eigentlich so ofl in den Zirkus ?" — „Jo, sehn Se, da Hab i mei besondere Freud dran. Wenn i so dasitz und die Kunstückeln anseh, dg freu i mi Hali allemal, daß ich sie nicht zu mache» brauch!"
(Gaunerhumor.) Richter: „Sie haben also diesen Diebstahl ganz allein, ohne jeglichen Genossen ausgcfnhrt?" — Ange- llagter: „Ganz allein, Herr Richter, denn man kann heutzutage nicht wissen, ob man einen ehrlichen Kompagnon kriegt."
(Durch die Blume.) Gatte der in die Bierkneipe gehl) : „Ein berühmter Arzt meint, die Frau brauche mehr Schlaf als der Mann . ." —Gattin: „Ja, was willst Du damit sagen?« — Gatte: „Nun, ich meine nur, mein Kind, Du sollst nachts nicht aufbleiben und mich erwarten."
lükranlivortsicher Redakteur: Bernhard Hosmann.) Druck UN- Verlag von Bernhard Hosmann m Wildbab.