Wern?
Es wehen Lenzetlüfte weithin dnrch's ganze Land,
Vor ihnen ist verschwunden de« Winter- weiß Gewand — Wie regt sich neue« Leben auf Höhen und im Thal, Ernstesten und entsprungen im Frühling«sonnenstrahl I Befreit von Eise-fesseln zieh'n Strom und Bach dahin,
Es grüßt auf weiten Fluren der jungen Saaten Grün,
I» Wrcsengründen nicken Schneeglöckchen hold und fein,
Und Vöglein'r Lieder klingen erneut durch Wald und Hain,
Wie ist am Ostcrmorgen die Erde neu erwacht —
Des Winters letzte Schrecken bannt er mit seiner Macht;
Wie spricht uns tief zu Herzen der hehre Ostertag,
Da FrühUngslichtkS Weben erfüllt den ganzen Hag!
D'rum soll auch frische« Hoffen heut uns're Brust durchglüh'n, Da nun zum Ostermorgen uns winkt das erste Grün —
Und all' die Wintersvrgcn, all unser Herzeleid —
O, Alle« fei begraben zur frohen Osterzeit!
D'rum thu' Dich auf, o Seele, gleich Blüten der Natur,
Und wandle selber wieder, wie sie, auf Lenzesspur —
E< ist kein L.id auf Erden, kein Schmerz so wild und groß, Daß Du sie nicht vergäßest in Deine« Gotte« Schooß.
Wa« willst Du fürder zagen, weil allzuschwer Dein Leid? Der Herr hat mehr gelitten, eh' er vom Kreuz befreit!
E« thut Dein Gott ja Wunder am kleinsten Halme hier — Er wird sie auch vollziehen, » Menschenherz, an Dir!
Irrwege.
Novelle von F. V. Piickltt.
(Nachdruck verboten.)
21 .
Ein Selbstmörder! In Gedanken sah er den schmucklosen Sarg vor sich, den man hinauitrug, ohne Gottes Segen, ohne Musik und Trauergcläul; weder Helm noch Schärpe hatte man ihm darauf gelegt, scheu weichen feine Kameraden belferte, denn: Prinz Ärtost war ein Selbstmörder! Er war zu feige gewesen, das Leben mit seinem schweren Leid zu tragen und halte es selbst beendet.
Nein! Fest cnlschlosteu legre »er bleiche Offizier die Waffe beifeiie, nachdem er d-n Hahn abgespannt; da« wollte er nicht. Wenn schon glücklos, ehrlos durfte er nie »erden um seines Namens, seiner selbst willen!
Und was würde Jfa sagen? Da« schwache Weid nahm klaglos ihr schweres Schicksal hin und er wollte e« von sich schleudern?
Langsam nahm er die Brieftasche hervor, um die welke Rose, welche darinnen lag glühend an die Lippen zu pressen: Donna Bella halte ihm in dieser furchtbar ernsten Stunde Leben und Ehre gerettet!
Kaum daß Waidstein seine Sachen abgelegt und sich erfrischt hatte, machte er sich auf den Weg, Jfa aufzusuchen. Tausende von Gedanken kreuzten sein Hirn, bleischwer lag« ihm in den Gliedern, denn wenn er auch wußte, seinen Liebling nicht glücklich anzulr-ffe», so ahnte er doch nicht, daß das schwerste Leid für ein Menschenherz Jsa betroffen — daß sie hatte entsagen müssen der ersten jungen Liede, dem Traum ihre« Lebens und abermal« um des unwürdigen Vater« willen.
Er langte vor dem Hause an, worin Konstantin Volkert wohnte; dieser selbst stand mit einem schmutzigen jüdischen Händler an der Thür und verhandelte eifrig mit diesem.
„Der Goldfuch« ist unter Brüdern seine 2000 Mark wert; ich laste Ihnen denselben für 1800. Wollen Sie da« Geschäft machen?"
„Ich wach nicht, Herr Direktor I Mir saien de Hinterbeine nicht sicher."
„Uber ich bitte Sie, da« Tier ist aus dem besten königlichen Gestüt und ich würde eS nie veräußern, wenn — wenn ich nicht — einen anderen Kauf im Auge hätte."
„Se mainen ? Wie wärS mit 1600 ^.?"
„Wenn ich sie baar bekomme, nun gut. Ich verliere natürlich bedeutend dabei. Aber
heute Abend wird meine Tochter das Tier noch reiten."
„Ah, die scheenc Donna Bella I WaS for 'ne Dame I Se springt so forsch über die höchsten Barrieren und steht nicht recht« noch links, Müssen gute Geschäfte mit ihr machen, Herr Direktor."
„Hm ja, aber sie will jetzt wie alle Mädchen heiraten und zwar einen meiner Künstler ; unter uns, sie hätte nach einer Fürsten- kcone langen können, freilich war sie klug genug, bei ihrem Beruf zu bleiben. Wenn mir nur das junge Paar nicht untreu wird und etwa nach England geht. Also Herr Hirsch, wollen Sie mir die 1600 Ma k gleich bar zahle» ? Hier haben Sie ein Billel für die Abend-Vorstellung und nach derselben nehmen Sie daS edle Tier gleich mit."
„Schön, Herr Direktor, ich will Sir das Geld aufzäylen; Kommen Se man in's Haus —"
Voll Abscheu und Verachtung wandte sich Waldslem ab. Welch' eine niedrige Natur war »och dieser Volkert, der au« Reklame seine« einzige« Kindes schmerzlichste« Geheimnis vor einem Pferdehändler enthüllte.
„Melden Sie mich bei Fräulein Volkert," befahl er kurz dem ihm die Thür öffnenden Dienstmädchen und reichte ihr seine Karte; gleich darauf vernahm er von drinnen einen halberstickenden Fceudenruf, eilige Schritte flogen herbei und dann lag Jsa in seinen Armen, schluchzend vor Freude und Weh.
„Onkel Alfred l Du kommst zur rechten Zeit. Hilf Deiner armen Jsa; o, wie ich mich freue, Dich zu haben."
„Mein geliebte« Kind, mein teurer Liebling," flüsterte der starke Mann erschüttert, „ich sehne mich ja gleichfalls nach meinem goldenen Sonnenstrahl; denn es ist so einsam und öde ohne Dich und Dein frisches Lachen."
„Ich lache nicht mehr Onkel," murmelte sie in herzzerreißendem Tone, ich habe e« verlernt! Aber die Thräncn sind mir geblieben — sonst müßte ich erschrecken. Ach, Onkel Alfred, wie schwer und wie lang ist doch ein Menschenleben."
„Mein armes Kind, wa» haben sie mit Dir gemacht, daß Du schon so jung zu diesem trübe» Lebensresultat kommst.
„O nicht viel, Onkel Alfred I Ich bin eben eine Kunstreiterin, die man — einem B-ruf«genosteu zur Frau giebt. Und dies
Herz ist so thöricht, einen Mann zu lieben, ! den er nimmer besitzen darf." !
,O, meine Jsa. Wärst Du nie au« meinem väterlichen Hause geflohen."
„Onkel Waldstein, Du kennst ja auch daS bittere Leid, enlsagen zu müsse» , aber doch war es bei Dir ander«, denn meine Mutter liebte eben jenen andern und Dich ^ nicht. Und ich - Onkel Alfred, fühle, wie e« in meinen Schläfen klopft; ich meine, man bat mir den Lcbcn»ner» durchschnitten, al« ich von ihm scheiden mußte.
„Armes Kind, e« stirbt sich eben nicht ! am gebrochenen Herzen, sonst würde manch f armes Erdenkin» ins Grab sinken."
„Und hast Du keinen Trost für mich?"
„Doch! Droben lebt ein ewiger Gott, welcher das Leid abwägt, welche« er seinen Menschen bestimmt. Und wenn es genug ist, dann winkt er, damit sie nicht unter ihrer Last zu Grunde gehen."
„Du hast recht, Onkel, und doch meine ich, daS Elend nicht tragen zu können, da« auf mich herabsinkt."
„Jsa, reitest Du heute abend?"
„Ja," nickte sie müde, „und zwar auf Vater« Befehl als Amazone im Golbküraß.
O, teurer Onkel, vielleicht giebt e« im großen, weiten Zirku« Menschen, welche mich beneiden um all »en Glanz und den Beifall, der mich umgiebt. Wohl ihnen, wenn sie nicht wissen wie traurig das Herz unter der schimmernden Hülle pocht und wie manche Thränc die starren, trockenen Augen geweint haben."
„Ich werde hingehcn — um Dich zu sehen, Kind."
„Thue e«, Onkel Alfred, dann weiß ich doch für wen ich meine Kunst ausübe."
„Aber — Prinz Arloff begleitet mich."
Eie zuckte unmerklich zusammen, die feinen Lippen bebten qualvoll: „Weshalb eine neue Tortur? Aber sei es drum — s« sehe ich ihn doch noch ein letzteSmal."
„Wethalb, Jsa, verkauft Dein Vater den Goldfuchs, welchen Du heute abend reitest?"
Das junge Mädchen blickte erstaunt in die Höhe.
„O, davon ist keine Rede. Da« Tier ist ein Prachtexemplar und für uns unersetzlich."
„Ich hörte vorhin beim Eintreten, daß er cs einem jüdischen Mann »erkaufte; heute nach der Vorstellung wird da« Tier abge- holt I"
«Fortsetzung folgt)
-UerankwsrlliLer NeL.akteur : B e l » t> a r d H 0 1 »> a » n. > «-ruck uno Verlag von B e r n k a > v Ho , mann in