Irrwege.
Novelle von F. v- Pückler.
Nachdruck verboten.
16 .
»Wohl jkaum eine Erneuerung unserer einstigen Jnstitulsbekannlschaft, Gräfin Rhon- au?"
„Nein, gewiß nicht, ich Verkehre niemals mit — Kunstreitern I"
Bella zuckte zusammen, der Verächtliche Ton traf sie tief.
„Nun, so ditte ich um den Zweck Ihre« Besuche«." Sie bot der Gräfin keinen Sitz, Aug in Aug vor einander stehend, ließ sich die schwere Stunde am besten durchkämpfen.
Gert« riß mit einer heftigen Bewegung den anonymen Brief aus der Tasche und reichte ihn ihrer Feindin.
„Lesen Sie nur, meine Beste, und Sie werden nicht die Stirne haben, zu leugnen."
Donna Bella warf einen zornigen Blick auf die Handschrift des Pamphlets. „Von Mr. Prince geschrieben," murmelte sie dann, „ich ahnte eö, daß der El.nde sich rächen werde."
Als sie gelesen, gab sie schweigend der Gräfin den Brief zurück; diese fuhr wütend in die Höhe: „Sie sage» nichis? Sie wolle» die Unschuldige spielen und nicht zugeden, daß Eie meinen Perlobten beihörl uno mir abwendig g macht haben?"
„Das leugne ich in der That I"
„Und was geben Sie zu, edle Donna Bella?"
„Daß ich den Prinzen oft gesehen und gesprochen habe. Ein Wort, das unser beider unwürdig wäre, ist nicht zwischen unS gefallen —"
„Aber wollen Sie leugnen, daß sie den Prinzen — lieben, und daß Sie ein Liebesverhältnis mit ihm unterhalten?"
Donna Bella war noch bleicher als zuvor, sie griff stützend mit der Hand nach einer Stuhllehne, aber doch hob sie stolz das Haupt: „Nein, Gräfin, das leugne ich nichtI"
„Haha, die Komödianten I Und was, mein Fräulein, soll nun Ihrer Meinung nach geschehen? Meinen Sie, ich würde als eine Heilige still zurücklreten und meine Hände segnend aus Eure Häupter legen? Nein, so stehen die Sachen nicht."
„Ich wußte vom ersten Moment, da ich mein Herz erkannt — daß ich entsagen müsse."
„Und dennoch kamen sie ruhig mit dem Prinzen zusammen, ließen seine Neigung stärker werden, denn der Ehrenpunkt kam nicht in Betracht I Der Ruf einer — Kunstreiterin —"
„Halten Eie ein, Gräfin Nhonau," unterbrach Bella mit blitzenden Augen die Dame, „beschimpfen-Sie mich nicht, eS könnte auch Ihnen nachteilig werden. Mein Ruf slehi stellenlos vor jedermann, obfchon ich, wie Sie verächtlich betonen, nur eine Reiterin bin. Es war ein Unrecht, eine Schwäche von mir, den Prinzen noch zu seh-n und zu sprechen, nachdem — ich mein Herz erkannt, doch nun ifl's aus. Mein Wort darauf, noch heute will ich —"
„Es ist durchaus kine hocdb-izig Tvcu, mein Fräulein, sondern rinlach ihr, Pfbchi. Sie Hab-n Nck wohi Niemals klar ge» ach» welche Folgen .eine eventuelle H iral IN» Ihnen sür den Prinzen habrn würde?"
„Nein, denn ich hielt eine solche niemals für möglich."
„Ein Verhältnis ist bequemer, haha!"
„Gräfin, kein Wort weiter, ich schwöre Ihnen, daß ich noch in dieser Stunde dem Prinzen Lebewohl sagen werde."
„Gewiß und dann wird Prinz Arloff vor Ihnen auf die Kniee liegen und um Ihre Hand bitten; er wird Ihnen sagen, daß ihm Name, Reichtum, Stand u. Familie nichts gilt Ihren Augen gegenüber, daß er alles über Bord werfen will, um Sie zu besitzen. An meine früheren Anrechte denkt keines von Ihnen beiden. Und Sie werden dem Flehen nicht wiederstehen, werden ihm Ihr Jawort geben, damit ihre Liebe ihm alles ersetzt. DieS stolze Bewußtsein mag Sie trösten, wenn er den Abschied nehmen muß, seinen Rang als Prinz aufgeben muß und von der Familie verstoßen wird — denn eine Kunstreiterin zur Gattin wählen kann er nur, wenn er das alles abstreift."
Tsdesbleich, keines Wortes fähig stand Donna Bella vor der erbarmungslosen Richterin ; das Haupt geneigt, die eiskalten Hände ineinander geschlungen, ließ sie deren Redestrom über sich ergehen — sie hatte ja recht, »ur zu recht I O wie schwer wars doch, zu entsagen, wieder einsam durchs öde L>ben z» gehen und jene geliebten Augen zu meiden, in denen ein zauberisch Glück geleuchtet. Ader es mußte fein I Sie wußte, daß Gerta recht hatte, daß er dem allen entsagen würde, um sie fein Weib zu nennen, doch sie durfte dies Opfer nicht annehmen, dazu war er ihr zu teuer.
Mühsam richtete sie sich endlich empor. „Ich danke Ihnen, Gräfin. Sie haben mit scharfem Dolchstich mein Herz zerrissen, aber es mußte sein. Wenn auch die Wunde nimmer heilt, so Hst eS dennoch sein müssen. Ich bin erwacht und weiß, wo meine Pflicht liegt."
Bei den müden, tonlosen Worten blickte Gräfin Rhonau empor in das schönd, farblose Antlitz der Reiterin; zum erstenmale zog etwas, wie Mitleid und weicheres Empfinden, in ihr herbes Gemüt und sie sagte, hastig die Hand ausstreckend: „Es thut mir leid, Fräulein Volkert. Ihnen wehe zu lhun, aber Sie sehen ein —"
Nur eine Sekunde zögerte Donna Bella, die dargebotene Hand zu nehmen, dann aber that sie es und stammelte halb versagend: „Machen — Sie ihn glücklich — und ich will — Sie noch — übers Grab — hinaus — vieliausendmal — segnen —"
Dann wandte sie sich schwankend um und verließ das Gemach, während Gräfin Gerta unschlüssig ihr nachbtickte. Sonderbar! Jene zornige Befriedigung, die sie nach der Unterredung mit „diesem Geschöpf" zu empfinden geglaubt, war gänzlich ausgebiie den und mit einem Gefühl der Demütigung eilte sie fort, ihrem Ellernhause zu.
Nach und nach jedoch erwachten abermals nie Rachsucht und Empörung über das geschehene IN ihr; Mit fl-g-nder Eile warf sie einige Z >len an Pri z Arloff zu Papier nnd sandle den Diener zu letziexm hin. Sie batte ihn gebeten, zu >t>r zu kommen, doch da der Prinz m>l s »er Saw d>o» eine U^ung vorgenommen batte, so in Pie N lns uni -n Uür »ns i ln Konniien wai >e».
Endlich stand er voi >he, kühl irndc>,e- moniell ihre Hand ergreiNlld, trug er:
„Du wünschest etwas von mir, liebe Gerta?"
„Allerdings. Ich habe Dich seit einer Woche nicht gesehin."
„Wir hatten angestrengten Dienst; doch bitte, was befiehlst Du heute von mir?"
So kalt und unnahbar Halle sie ihn noch nie gesehen; ihre Erbitterung wuchs von neuem: „Lies diese Zeilen, welche ich heute früh erhielt und dann — verteidige Dich."
Er nahm den anonymen Brief, nur sekundenlang zuckte er auf, dann aber las er bis zu Ende weiter und ließ ihn dann sinken : „Es ist mir lieb, daß diese anonyme Gemeinheit mich zum Reden bringt; ick habe bislang — auS Feigheit gezögert, Dir Gerta, zu gestehen, daß ich — eine andere liebe."
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
— Hirschjagd in der StM. AusjDres- den wird berichtet: Der „wilde Fritz", der bekannte weiße Hirsch des Dresdener Zoologischen Gartens, der im Januar einen Fluchtversuch unternommen und sich bei dieser Gelegenheit verletzt hatte, war seitdem zur Wiederherstellung seiner Glieder bei sorgsamster Pflege eingesperrt worden. Am Samstag war das schmucke Tier zum ersten Male im Damhirschgehege mit einer Hirschkuh und zwei Kälbern in Freiheit gesetzt worden. Um ein neues Ausbrcchcn zu verhindern, war das Gehege, daß ein 2 Meter hohes Eisengiltcr umschließt, noch mit 1Meter hohen horizontal und senkrecht gezogenen starken Drähten versehen. Alle diese Hindernisse störten aber den „wilden Fritz" nicht, Vormittags gegen '/ü lO Uhr brach das Tier von Neuem aus. Mit einem 6 Meier langen Sprung erreichte eS die Freiheit, durchmaß eilenden Laufes den Garten, übersprang den oberen Garteneingang und rannte zunächst nach Reick zu; plötzlich aber wandte sich der Hirsch direkt nach der Stadt. '/ilO Uhr hatte er den inneren Zwingerwall erreicht und auf diesem BlitzeSzug den Altmarkt, die König-Johann- siraße, die Wilsdrusserstraßc und die Astra- allee berührt. Vom Germaniadenkmal war der Hirsch rasch mit zwei (? ns, na I) gewaltigen Sätzen an der Löwenapotheke. Die enge Passage wußte er trotz allen Verk hrs mit großem Geschick zn nehme». Vom Zwingerwall stürzie sich das Tier direkt i» ven Teich und hierbei brach es leider beide Vorderläufe. Trotz dieser schweren Verletzung bedurfte es dreisiertel Stunden, ehe drei starke Männer in drei Kähne» des Tieres Herr wurden. Das noch am Kopf und an ber Brust stark blutende Tier ergab sich seinem Geschick noch immer nicht; eö zerschlug eine Wandsette der Kiste, in w lcher eS dem Zoologische» Garlen zugesühr! wurde. Nunmehr iil es i» einem Käsig untei gebracht morden. A» seinem Aufkommen wird gczwetfell, da es zu stürmisch ist, um sich Heilung dielen zu lassen.
(Im Konzert) Enlhusnst: „Hören
Sic nur diese herrliche Stelle; diese treffende Instrumentation! Man hört förmlich, wie die Soldaten abziebenl" Kritiker: „Ja, nur schade, daß sie den Pianisten nicht mitnehmen!"
>Der Liebe Ende.) Sie: „Aber Karl, wenn Du eS ernst meinst, weshalb sprichst Du nickt mit Mama?" — Er: „Wir lieben uns so sehr; weshalb sollen wir unsere Glückseligkeit mutwillig zerstören?"
VeranlwortUcher Stedalteur Bernhard Hojmann. Druck und Verlag von Bernhard Hvsmann.