Rundschau.
Stuttgart, 15. März. Gestern nahm die Kammer der Abgeordneten nach zwei- monalticher Vertagung ihre Beratungen wieder auf. Präsident v. Hohl begrüßte die Mitglieder und gab eine Uebersicht über die Geschäfte, die der Erledigung harren. Dann trat die Kammer in die Tagesordnung ein: Beratung des Berichts über die Prüfung der StaatSfinanztzerwaltnng von 1890191. Auf eine Anregung von Sachs gab hier der Finanzmintster Dr. v. Riecke Mitteilungen über die Vorarbeiten zur gesetzlichen Regelung der Kontrolle des Staatshaushaltes. Auch über die Einnahmen an Strafen wegen Kapiialsteuergefährdung, die feit zehn Jahren erhebtich zurückgegangen sind, und über Nach» Holungen zu wenig bezahlter Steuern machte der Finanzminister Mitteilung. Schließlich wurde der Antrag, wonach der Nachweis der richtigen Verwendung der Steuern pro 1889/91 für erbracht erklärt wird, angenommen.
— Peinliches Aufsehen in Württemberg erregt cS, daß im Reichstag keine Beratung des Militäretats vorüvergehen kann, ohne daß es den einzelnen Abgeordneten möglich ist, schwer Fälle von Soldatenmißhandlungen unter den würltembergtschcn Truppen, vor aller Welt zu rügen. Bei der letzten Etatsberatung war es der bekannte Fall Lauenstein und diesmal ist es der Fall Herbert, des Vorstands des Feltungsgefängnisscs in Ulm. Wenn, wie kaum anders anzunehmen ist, die vom Abgeordneten Haußmann im Reichstag vorgebrachten Dinge wahr sind, dann ist eS höchste Zeit, daß die oberste Militärbehörde einmalgründliche Energie entwickelt, um allen Svldatenmißhandlungen ein Ende zu bereiten. Mit dem württembergischen Armeekorps ist schließlich auch die ganze deutsche Armee bloßgestellt, wenn solche Dinge Vorkommen können. Ein sehr wirk' sames AdhitfSmittel wäre ohne Zweifel gegeben, wenn man einen Offizier, der sich schwere Mißhandlungen zu schulden kommen läßt, ohne Pension mit schUchtem Abschied entließe oder noch besser, ihn von dieser Ausstoßung aus der Armee zum Gemeinen degradieren würde. Ein einziges derartiges Exempel würbe lOOmal mehr erreichen als alle Verfügungen der oberen Kommandos. Es giebt Urnen gefährlicheren Feind des deutschen Reiches und der festesten Stütze de« Reiches, nämlich der Armee, als ein Offizier, der seine Soldaten roh behandelt. Denn nicht nur die mißhandelten Soldaten selbst, senden all ihre Freunde und Bekannte sind in begreiflicher Entrüstung über derartige Rohheiten nur allzuleicht geneigt, lieber gleich die ganze Arme adzuschaffen, um solche Vorkommnisse für die Zukunft unmöglich zu machen. Schon auS diesen patriotischen Erwägungen heraus muß auch der rcichsireuestc und konservativste Man» eine harte Bestrafung jcves Offiziers verlangen, der sich Dinge zu schulden kommen läßt, welche die öffentliche Entrüstung heransfordern müssen. Mißhandlungen von Soldaten sind seitens einet Offiziers stets auch ein Akt der Feigheit, denn der Soldat darf sich ja gegen den Offizier nicht einmal wehren, und wenn sonst irgendwo ein Offizier eine Feigheit begeht, so wird er doch immer als ehrlos betrachtet, und behandelt.
Nürtingen, 16. März. Ein schrecklicher Unglück ereignete sich gestern abend auf der Straße zwischen Frickenhausen und Linsen-
hvfen. Der Fuhrmann Wohlhaupter von hier kam mit einer Ladung Holz von der Albgund halte zwei Wagen zusammengespannt. Durch irgend welchen Zufall kam derselbe so unglücklich unter den Hinteren Wagon, daß ihm ein Rad über die Brust, ein anderes über den Kopf ging, s» daß der Tod sofort cintrat. Der Verstorbene hinterläßt eine Witwe mit sechs unversorgten Kindern.
Berlin, 17. März. Der Heeresausschuß hat heute Mittag die Heervorlage abgelehnt gegen die Stimmen der Konservativen. Alle Anträge wurde gegen die Antragsteller ebenfalls abgelehnt. Groeber (Centrum) wurde zum Berichterstatter des Ausschusses ernannt.
— Ein Rittmeister wurde von Friedrich II. einst mit zur Tafel geladen. „Von was für einem Hause stammt er ab?" fragte ihn der König, nm seine Gesinnung zuprü- fcn. „Von gar keinem, Euer Majestät", erwiderte der Rittmeister, „meine Eltern sind schlichte Landleutc, und ich möchte sie um keine andern Eltern in der W lt vertauschen." — „Das heißt edel gedacht", sprach der König, „wehe dem, der klein genug denkt, sich seiner Eltern u. Verwandten zu schämen!"
— Eine seltsame Geschichte, wie ein Sohn seinen Vater verriet, um zu einer Belohnung zu kommen, erzählt der „Fränk. Kur.": Ein Jagdpächter hatte wegen häufigeren Jagdfrevels eine Belohnung von 25 ^ Dem zugesichert, der den Thäter so zur Anzeige bringe, daß er gerichtlich abgestraft werden könne. Um diesen Judaslohn zu erlangen, brachte der Sohn den eigenen. Vater zur Anzeige und auf zwei Monate hinter Schloß und Riegel. Da die Belohnung ausblieb, stellte er Klage, wurde aber mit dieser vom Gerichte abgewiescn.
Mainz, 15. März. An der Schlsß- kaserne fand heute Vormittag in Gegenwart zahlreicher Offiziere, darunter auch der Gouverneur, eine Uebung der Militärfeuerwehr statt. Ein Soldat hatte die Aufgabe, auf einer hohen Steigleiter zum zweiten Stock zu gelangen. Die Leiter war an der Fensterbrüstung eingehakt. Als der Mann auf der Höhe angelangt war, hängte sich die Leiter aus und fiel in weitem Bogen mit dem Soldaten zur Erde. Letzterer wurde bei dem Sturz auf das Pflaster sehr schwer verletzt.
— In Metz ertranken zwei junge Leute von 16 und 18 Jahren am Wadrinauwehr. Das letzte hohe Wasser hatte die Rettungstafel weggerissen; so kamen die beiden dem Wehr zu nahe und stürzten hinab. Der eine der Verunglückten war Primaner der hiesigen Realschule. Er gewann durch Schwimmen testen Grund. Als er aber seinen Freund mit den Wellen kämpfen sah, eilte er ihm zu Hilfe und fand mit ihm den Tod.
— Aus Graz, 14. März, wird berichtet: Zwischen den Stationen Eteinach-Jrdning und Oedlarn gerieten gestern während der Fahrt die Kleider des Maschinenführers Eor- ger in Brand. Obgleich Sorgcr sofort anhielt, absprang und sich im Schnee wälzte, ist er fürchterlich verbrannt und dürste kaum mit dem Leben davonkommen.
— In Günsberg (Solothurn) fuhren am letzten Sonntag vier Knaben mit der Drahtseilbahn, welche zum Gipsführen d>ent, nach Niedertvil, Oberhalb GünSberg folgte ein zweiter ungeknppelter Kübel nach und stieß auf denjenigen, in welchem die vier Knaben hinabfuhren. Die beiden Kübel über- schluze» unb stürzten fast haushoch samt den
Knaben hinunter. Der eine der Knaben, Altred Wiß von GünSberg, 15 Jahre al:, wurde vsn einem der beiden Kübel ganz zerquetscht, was den sofortigen Tob zur Folge hatte. Ein anderer, Joh. Beck von Nieder- wil, 14 Jahre alt, ist schwer verwundet. Die beiden anderen, Joseph Kaufmann von Niedertvil, NI. all, und Theodor Stampfli, ebenfalls von Niedertvil, 10 Jahre alt, sind schwer, doch nicht tödlich verwundet.
Libau, 17. März. A» der Kurländischen Küste stecken im Ganzen 40 Dampser im Eist. Von diesen verließen 11 Libau am »origen Donnerstag. 29 Dampfer liegen im Eise vor dem Libaucr Hafen und die Lage der steckengebliebene» Dampfer ist noch immer eine kritische. Die Passagiere deS Dampfers „Moskau" retteten sich ans Land.
— Zwei Herren in London begegneten sich in ihren Wagen, selbstkutschierend in einer engen Gaffe. Keiner wollte dem anderen «»-weichen. Endlich steckte der eine da- Leitseii an den Wagen, nahm eine Zeitung aus der Tasche und las darin. Der andere dadurch nicht aus seinem Phlegma gebracht, rief ihm zu: „Wenn Sie die Zeitung auSgelesen haben, bitte ich darum."
Chicago, 16. März. Das hiesige deutsche Konfultat wurde teilweise durch Feuer zerstört; die Archive sind gerettet.
(Vorsichtig.) Er: „Ich habe mich entschlossen, geliebte Irma, bei Deinem Vater schriftlich um Deine Hand anzuhaiten ! Wie denkst Du, daß ick ihm am besten schreibe?" — Sie (ängstlich): „Ich glaube, lieber Gustav, es wäre am besten, Du schriebet ihm — anonym I"
— Ein in jeder Familie unentbehrliches Blatt ist die im 41. Jahrgang erscheinende „Berliner Gerichtszeitung" ; denn wer sein Recht nicht kennt, hat den Schaden zu tragen, und vor solchem Schaden an Ehre und Vermögen bewahrt die „Berliner Gerichtszcitung" ihre Leser durch Beiehrung in Rechts- und Gesetzkenntnis, sowie durch genaue Auskunft im Briefkasten über schwierige Rechtfälle. Mit ihrem Hauptzwecke, Rechts- und Gesetzkenntnis zu verbreiten, verbindet die beliebte Zeitung die Aufgabe, ein hervorragendes Unterhaltungsblatt zu sein, indem sie im Feuilleton die besten Rsmane, Novellen u. s. w von den bedeutenden Schriftstellern veröffentlicht. Der lokale Berliner Teil, Kunsi- nachrichten Politik, Land- und Reichstagsbericht, vermischte interessante Nachrichten von nah und fern u. v. a. m. haben in ihrer eigenartigen, übersichtlichen Bearbeitung viel zur Beliebtheit der „Berliner Gerichts-Zeitung" beigetragen. Durch ein Probe-Abonnement auf die „Berliner GerichtS-Zeitung", in der Post-Zeitnngs-Prcisliste unter Nr. 911 aufgeführl, welches jede deutsche Post« Anstalt für 2 50 für dos Viertel
jahr entgegennimmt, sollten alle, welche da» gediegene Blatt noch nicht kennen, von dessen Nützlichkeit in Bezug auf Jedermann unentbehrliche Rechtsbelehrung sowie von seinem sonstigen höchst interessanten Inhalt Kenntnis nehmen. — Als Beweis für die Gediegenheit deS Feuilleton- dieser Zeitung erhält jeder Abonnent nach Einsendung seiner Abonnements-Quittung zwei sehr gute Romane in Buchform, die bereits früher i» der Zeitung veröffentlicht wurden, franko und gratis zugescndet.