Irrwege.
Novelle von F. V- PÜckler.
Nachdruck verbaten.
13.
Die lange Peitsche de« Direktor« sanste erbarmungslos hernieder, bald recht« , bald link«, sie traf nicht da« Pferd allein, sondern zu «iederholtenmalen der Reiterin Hal« und Schultern.
„Halt ein, Vater," schrie da plötzlich Bella, „Du quälst da« arme Tier; hier liegt ein Bubenstreich »or l"
Und sie beugte sich tief über den Hal« de« Pferdes, das in dumpfem Schmerze auf- wieherte, ihr blondes Haar löst: stch bei der heftigen Bewegung und flutete wie ein goldener Schleier um sie her.
„Wo ist ein Stallmeister," herrschte sie und als ein solcher zusprang: „Nehmen sie dem Tier dort au« der rechten Nüster das qualmende Stück. Ein elender Schurke hat ihm heißen Schwamm hinein gesteckt — um mir zu schaden!"
Alle« drängte entsetzt, verwundert zudem nun plötzlich lammfrommen Tiere; man sprach, man rief und nur zwei Menschen waren vor Erregung stumm, dort der stattliche Kürassier, der an der Säule lehnte, und daS blonde, bleiche Mädchen im Sattel, welche« er nicht aus den Augen ließ.
Der Abend kam. Eine dichte Menschenmenge drängte sich zum Zirkus, die noch immer wuchs je näher der Anfang der Vorstellung rückte. Wagen rollten heran, Zettelträger schrien gellend, eintönig : „Benefiz für Donna Bella I Große Paradevorstellung — meine Herrschaften — noch Billet« zu haben."
Drin im Innern der Manege war alles glänzend dekoriert, zum Schluß sollte eine Amazonenquadrille im Fcuerregen geritten werden, da» Gtanzi'tück der ganzen Vorstellung und die prächtig livrierten Stallmeister liefen noch geschäftig hin und her, um allerlei Vorbereitungen zu treffen.
Nur die Hauptperson des Abend« , D. Bella, saß still und bleich in ihrer Garderobe; sie trug bereit« das schwarzsammtne Reitkleid, in dem sie das )su äs ross reiten sollte, aber ihr Auge schweifte sinnend in die Ferne, um den roten Mund spielte eine Wehmut, die man bei der gefeierten Reiterin kaum erwartet hätte.
„WaS soll da« bedeuten," murmelte sie vor sich hin, weshalb kreuzt ein Mann meinen einsamen Lcbentweg, den ich nicht wie die andern vergessen kann, sobald er aus meinem Gesichtskreise ist. Auf Wiedersehen, sagte er und doch — uns wäre besser wir würden für immer auseinander gehalten. Und er gerade ist Hertas Verlobter I Die« kalte, hochmütige Mädchen mit dem beißenden Sarkasmus auf den Lippen soll neben einem ernsten, edlen Charakter wie Prinz Arloff durch- Leben gehen. Er wird elend an ihrer Seite — aus Kindetpflichl wie ich in der Manege.
Draußen begann die rauschende Musik; in den ersten Stücken hatte die schöne Bene- fiziantin nichts zu tdun, aber nahende Schritte ließen sie auS ihrem Sinnen empsrfahren.
„Ich bin es, Kindsagte Konstantin Volkert eintrelend, „wir haben noch zehn Minuten Zeit um etwas miteinander zu besprechen."
„Und da« wäre, mein Vater?" Des jungen Mädchens Antlitz verdüsterte sich, als sie das Schwanken deS Direktor« sah, «lS sie hörte, wie er lallend die Worte her- vorstieß: „Ich habe soeben einen Karton zurückgesandt, in welchem eine rote AtlaS- robe lag; meine Gründe darüber kennst Du, ich weiche nicht von denselben. Hm, hm, thut mir leid, Bella, Dich nach wie vor so schroff zu finden, aber Du wirst wohl eine Konzession machen, wenn ich Dich bitte — hm — eine Soupcreinladung der Herren Kürassiere für heute abend anzunehmen.*
Eie fuhr empor, totenbleich vor Entrüstung.
„Und du wagst eS selbst, mir die Beleidigung zuzumuten, Vater? Nein, ich bin keine Theaterdame, die sich von ihren Liebhabern fetieren läßt. Ich kenne die Herren kaum."
„Aber, Bella, sei doch vernünftig."
„Wenn der Borgen zu straff gespannt ist, zerreißt er, Vater. Du hast von mir verlangt, ich sollte Dich aus pekuniären Unannehmlichkeiten reißen; ich that es und machte Dein Handwerk auch zu meinem Beruf, aber mehr darfst Du nicht von m>r verlangen I Mögen die übrigen Cirkusreilerinnen sich einladen lassen, ich nicht."
„Und was soll ich — den Herren — sagen?" frug Volkert lallend, „es thut mir — so leid."
„Was immer Du willst, Vater. Hast Du uniersuchen lasten, wer die Infamie mit meinem Pferde beging?*
„Ach, liebe Bella, eS kommt doch nicht« dabei heraus und macht nur böse« Blut."
Sie errötete vor Zorn.
„Nun gut, wenn es nicht untersucht wird, trete ich acht Tage lang nicht auf. Verstehst Du mich, Pater?"
„Ja doch, Liebchen, gewiß — sei nur nicht böse I Gleich morgen will ich Nachfragen.*
„Mein Verdacht trifft Mr. Prince. Wenn er et war, dann» verlange ich, daß er gebt, sonst begebe ich mich wieder in Onkel Wald- steins Schuh."
„O, Bella, nein, da« wirst Du mir nicht anthun, mich wieder zu verlassen. Deine Erfolge retten mein Leben."
„Nun gut, so entlasse den Jongleur. Ach, daS war mein Zeichen, ich muß hinaus."
Ein nicht enden wollender Jubel empfing die schöne Benesizianlin, als sie inmitten ihrer beiden Gefährtinnen hoch zu Roß in der Manege erschien, an der linken Schulter eine rote Rose, um welche gekämpft werden sollte.
Eine ähnliche Blume ruhte auf der Brust des schönen Kürassieroffizier-, welcher ernst und tief nachdenklich Donna Bella entgegenblickte, al« sie soeben an ihm vorübersprengte, sie war dunkelrvt geworden.
Zur Seite de« Prinzen saß Gräfin Gerta Rhonau und ihre Mutter; sie hob da« Glas an« Auge und sagte nachlässig: „Ach, nun erkenne ich die Person dort im schwarzen Sammetgewand. Sie wurde in demselben Institut wie ich erzogen; es geht in solchen Pensionaten oft sehr gemischt zu " .
„Ich hörte, Fräulnn Volkert sei von Herrn von Waldslein erzogen worden."
„Ah ja wohl, ihre Mutter war einst seine Braut und ging später mit einem Kunstreiter durch. Hm, mir war das Mädchen
stet- wiederwärtig. Sieh nur, Kurt, diese Wildheit, mit der sie da-Pferd herumwirft.* „Die Dame reitet ganz vorzüglich, diese Eleganz der Bewegungen, das sichere und doch reservierte Wesen sind unnachahmlich."
„Ah, Du wirst ganz enthusiastisch I Wirklich, sie giebt die Schleife nicht her! Jetzt sprengt sie hinan-.*
Wieder hatte jener rätselhaft heiße Blick beim Vorbeireiten den Prinzen getroffen, daß es ihm wie ein elektrischer Strom durchzuckte; er Hörle nicht mehr das spottende, leichte Geplauder der Braut, nicht den frenetischen Jubelsturm der Menge: er sah nur Donna Bella- blaue, schwermütige Augen, das gelöste Goldhaar wie heute früh um ihr gerötete- Antlitz wallen — und plötzlich legte er wie im Schwindel die Hand vor die Augen. Er hatte in einen Abgrund gesehen, au dessen Rande er stand. Auf feinem Herzen lag jene Rofe, um die sie heute morgen gekämpft, immer tiefer grub sie sich hinein, immer Heller flammte ein Name darin: „Donna Bellal" (Fortsetzung folgt.)
Vermischtes-
(Der blasse Neid.) Die Hausfrau zum Dienstmädchen: „Und das sage ich Ihnen ernstlich, Minna, den Umgang mit Soldaten kann ich nicht leiden!" — „Ach, Madame, so reden Sie ja blos, weil Sie man 'ncn Zivilisten zum Mann haben I"
(Unbegründeter Vorwurf.) „Vater, Vater, mir hat'- in der Stampfmüht' die große Zeh' eingezwickt I" — „Lausbub', Du mußt aber auch überall Deine Nase hineinstecken !"
(Er kennt seine Frau.) Hausfrau (zum neue» Dienstmädchen): „Also Ausgangstag haben Sie alle vierzehn Tage I" — Mann: „Na, Du thust ja, als ob das Mädchen eine halbe Ewigkeit bei uns bleiben sollte."
(Scharfe Antwort.) Herr: „Haben Sie schon einmal einen dressierten Ochsen gesehen, mein Fräulern ? — Fräulein ^(ge- langweilt) : „Um GotteSwillen, Sie wollen aber nichts wie Komplimente hören!"
(Verfängliches Lob.) „. . . Ist Ihr Mann denn auch wirtschaftlich?" — „O, ich sage Ihnen, der kommt aus den Wirtschaften überhaupt gar nimmer 'raus I"
.. (Umschreibung.) „Sieh, Adolf, dort drüben sitz: Dein Schneider!" — „Bitte, schau' nicht hinüber, sonst grüßt er I" — „Steht Ihr nicht gut miteinander?" — „O doch — aber er ist mir noch die Quittung über 2 Anzüge schuldig I"
Verschnappt Alte Erblante: „Lieber Neffe, ich werde nicht mehr lange leben!" Studiosus: „Ach, liebe Tante, Eie sind zu gütig I"
(Falsches Maß.) Doktor: „Nun, Meister, dürft Ihr auch wieder ein Glas Bier zu Euch nehmen!" Patient: „Herr Doktor meinen Sic halbstündlich oder stündlich?"
Kindliche Entrüstung. Der kleine Max hat vom Papa Schläge erhalten. Weinend kommt er zur Mama und fragt: „Aber Mama, wie konntest Du Dir nur so einen alten Haudegen heiraten?"
.'. (Druckfehler.) Der neue Minister gab die feierliche Versicherung ab, daß e« sein eifrigstes Bestreben sein werde, zu allen Märchen freundl. Beziehungen zu unterhalten.
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hofmann,