seine Frau her und schnitt ihr mit dem Brotmesser beide Ohren ah. Bodnarink wurde verhaftet.
(Abgekühlte Liede) Eine vornehm gekleidete, lies verschleierte Dame zog an einem der letzten Abende in der Friedrichsstraße in Berlin die Aufmerksamkeit auf sich. Ein junger Mann näherte sich der verschleierten Schönen und trug ihr Arm und Geleit «n. Sie sagte weder Ja noch Nein, wa« er als Zustimmung betrachtete. Stumm schritten Beide bis an ein HauS der Markgrafenstr. und der Begleiter konnte eS sich nicht nehmen lassen, sein Geleit bis an den Hausflur auSzudehnen, um hier eine Liebeserklärung zu stammeln. Da fiel die Dame dem Begleiter stürmisch um den Hals und rief mit volltönender Baßstimme aus: „Mensch ich liebe Dich!" Entsetzt prallte der junge Mann zurück, rannte auf die Straße und rief einem Schutzmann- zu: „Ein Mann in Weibern- kleidern I" Der Beamte forschte nach und führte die rätselhafte Persönlichkeit nack der Polizeiwache. Hier stellte man fest, daß ein Geisteskranker namens L. in den Frauen- klcidern steckte. Er war erst vor Kurzem aus der Irrenanstalt in Dalldorf entlassen
worden und leidet an der Wahnvorstellung, daß er ein Mädchen sei.
(Die Rote Nase.) Vor einiger Zeit halte daS in Zürich erscheinende Witzblatt Nebelspalter einen ihm eingesandten Stammtisch-Witz gebracht, ein Dialektgespräck, in dem die rote Nase eines ehrbaren Slickerci- aufseherS in Felben (Kanion Thurgau) zur Zielscheibe dc< Spottes gemacht wurde. Hätte der Besitzer dieser Nase ruhig mitgelacht, so wäre die Sache abgethan gewesen und bald genug in Vergessenheit geraten. Der Mann verstand aber keinen Spaß und strengte gegen den Redakteur dcS Blatte-, Hrn. Nötzli in Zürich, einen Prozeß an. Der Beklagte machte von dem ihm zustehenden Recht, den Fall vor die „Afsisen" zu bringen, Gebrauch, und so fügte e- sich, daß das Züricher Schwurgericht in mehrstündiger hochnotpeinlicher Verhandlung sich mit der bewußten roten Nase zu beschäftigen hatte. Die Streitsache wurde von zwei' Recht-gelehrten gründlich und mit dem Aufwand größten Scharfsinn- verarbeitet; der eine, als Vertreter des Kläger-, suchte darzuthun, daß der Scherz eine öffentliche Beschimpfung bedeute; ,der andere dagegen, als Vertreter de« Beklagten, führte
aus, daß die Ehre eine» Bürgers in keiner Weise von der Farbe seiner Nase abhängig sei. Die Geschworenen schlossen sich in nahezu cinstündigcr Beratung der Auffassung des Verteidigers an und sprachen den Redakteur frei. Die Kosten hat der Kläger zu tragen.
— Einen Hundcrtmarckschein hat sich, zum Schrecken seines Hüters, ein Fohlen gut munden lassen. DaS blaue Papier war einem Arbeitsburschen von seinem Dienstherrn zur Bezahlung einer Rechnung übergeben. Der Bursche geht aber mit dem Gelbe erst in den Pferdestall, zieht dort noch einmal den ihm ganz neuen Hundertmarkschein hervor, um ihn mit Muße zu besehen und geht dann, sich seine- Auftrags zu entledigen. Al« er die Rechnung bezahlen will, fehlt ihm der Hundertmarkschein. Er fällt ihm ein, daß er denselben auf dem Futterkasten de- P f e r d e st a l l e S hotte liegen lassen, er läuft zurück und kommt eben dazu, als das im Stalle frei umherlaufendc Fohlen die letzten Reste de» Schein« in aller Ruhe verzehrt.
(Ironie des Zufalls.) Flüchtiger Kassier : „Teufel noch 'mal, Hab'ich in der Zerstreutheit 'n Retourbillet genommen!"
Irrwege.
Novelle von F. v. Pückler.
Nachdruck verboten.
6.
Am anderen Morgen nahm Iss Abschied von ihrem Vater, der sich dabei ganz in Schmerz aufgelöst zeigte, und fuhr mit ihrem großmütigen Beschützer nach Schloß Waldstein.
Zwölf Jahre sind »ergangen, eS ist Frühling geworden. An den Weiden schauen die seidigen Kätzchen hervor, die Veilchen und Anemonen heben die Köpfchen, um die milde Frühlingsluft einzuatmen und in dem blauen Aeter schmettert die Lerche ein neue» Jubellied. Pferdehufc klingen durch den Wald, dann erschallt ein neckisches Lachen aus jugendlicher Kehle, und jetzt werden auch die Reiter sichtbar, ein ernster, älterer Herr von etwa sechzig Jahren und ein junges, rosiges Mädchen mit blauen, strahlenden Augen und blondem Haar.
„Onkel Alfred, welch ein schöner Geburtstag," jubelte Jsa, denn sie war die erwachsene junge Dame. „Das habe ich mir vor allem g wünscht, mit Dir auf das Bu- chenplateau reiten zu können, sobald ich das neue Kleid besitze."
Und sie blickte ganz befriedigt auf das knapp anliegende schwarze Rntkleid, weiches die schlanke Figur noch mehr zur Geltung brachte; hatte ihr doch daheim schon der Spiegel gesagt, daß sie gut suSsähe.
„Und auch ich bin froh, mein Liebling, Dich aus der Pension zurück zu haben/ erwiderte Herr von Waldstein zärtlich, „denn wenn die Ferien vorüber waren und Du fort mußtest, wurde e« so einsam hier."
„O, aber Du hattest doch Tante Sophie und den schönen Wald, ferner die treuen Hunde und hier meinen braven Rappen. Wie anders hingegen war eS für mich in der Pension! Es war als sei ich auSge- stoßen in die äußerste Finsternis."
„So war man in der Pension nicht gut gegen Dich Jsa?"
„Die L hrerinmn und die Frau Vor- Leva mvonlichn Redakteur B
sicherst! gewiß, aber die Mitschülerinnen nur teilweise. Siehst Du, Onkel Alfred, erhalten sich zwei Parteien gebildet, eine für, die andere gegen mich."
„Und weshalb das, Kind?"
„Weil ich nicht adelig bin und weil einige der Mitschülerin behaupten, meine Mutter sei eine Kunstreiterin gewesen."
„Dein Vater ist es, Deine arme, edle Mutter war aber nie eine Kunstreiterin, sondern nur die Frau des Cirrusbesitzcrs und Kunstreiters Vvlkert. Deine Mutter war eine geborene Baroneß von Sinden.*
„Ich hatte auch Freundinnen im Institut," erzählte Jsa lebhaft weiter, „diefc erklärten, e» sei ihnen ganz gleichgültig, wa» meine Mutter gewesen sei, denn sic liebten mich und würden eS trotz allen Klatsches thun. Die Gegenpartei, an deren Spitze Gerts »on Ronan, eine sehr hochmütige kleine Gräfin, stand, behauptete jedoch, es sei eine Schande für die ganze Pension, ein ZirkuS- kind wie mich zu beherbergen, und sic beschlossen, alles zu thun, um mich hinaus zu nötigen. Es waren mitunter sehr bittere Tage und Stunden, die ich aber hinnahm ohne zu klagen."
„Mein armes Kind, und sie wagten Dich zu beleidigen?" frug Waldstein.
„Laß gut sein, Onkel, sic konnten mir wenig schaden, und ich wollte Dich nicht betrüben durch eine Klage."
„Graf von Ronau, der Vater der kleinen stolzen Dame, ist Präsident in der Residenz?" bemerkte dann Waldstein.
„Ja, ich weiß e«," erwiderte Js» „und seine Tochter Gerts soll sich mit einem Prinzen Arloff verloben, der bei der Kavallerie in der Hauptstadt steht; man sagte, es sei eine Konveuienzehe, die schon längst von beider Eltern verabredet wurde."
„Graf Ronau will eben sehr hoch mit seiner Tochter hinan«. Doch Geduldj, Jsa, die Ronaus sollen nicht lange mehr geringschätzig auf Dich blicken, Du sollst nun bald meinen Namen führen; ich versprach Deiner Mutter, daß Du eiast mein Kind sein werdest
ernhard Hofmann. Druck und Verlag von
und ich will eS halten, wenn Dein Vater keinen Einspruch erhebt."
„Mein Vater, — Gott mag wissen, wo der arme Mann jjctzt lebt, — wird wohl schwerlich Widerspruch erheben, wenn seine Tochter von ihrem Wohlthätcr adoptiert werden soll."
„Aber was wird Tante Sophie dazu sagen! Sie ist so stolz auf ihre Ahnen und den reinen Stammbaum."
„Thorheit," rief Herr von Waldstein. Er runzelte die Brauen, „meine Schwester wird sich meinem Willen nicht widerfetzen. Zu dem bin ich in dieser Angelegenheit wein eigener Herr."
„Die Tante Sophie scheint mir überhaupt nicht mehr gut zu sein," meinte da- junge Mädchen nachdenklich. „Als ich neulich ander Pension zurückkehrte, hielt sie mir eine strenge Rede, und sagte zu mir, daß ich nicht so hochmütig und flatterhaft wie meine Müller werden sollte, sonst müßte ich das Schloß verlassen."
„Wie durfte sie es wagen, Dir solche Vorwürfe zu machen," brauste Waldstnn auf, doch mit lieblich bittendem Blicke legte Jsa ihre Hand auf seinen Arm und sagte stehend:
„Bitte sage ihr nicht« davon, lieber Onkel. Sie meint es gewiß gut mit Dir und möchte, daß ich Dir alle Lndc vergeUe, die Du mir bewiesen. Und das will ich auch, so wahr mir Gott helfe!"
„Mein Liebling! Durch Dich erst fiel ein Sonnenstrahl in mein einsame« Leben; Du bist für mich Deiner Mutter teures Vermächtnis — ich habe sie einst sehr, sehr geliebt!"
Die Stimme des ernsten Mannes zitterte, und seine Hand griff fester in die Zügel, um Fassung zu erlangen; neunzehn Jahre waren vergangen, daß er die Geliebte verloren — vergessen hatte er sic niemals I
„Reite nach Hause, Kind," fuhr er nach einer Pause ruhig fort, „ich will noch einmal drüben beim Vorwerk Nachsehen; dort sollen einige Bäume gefällt werden u. muß ich den Inspektor darüber sprechen " (F. f.)
Bernhard Hofman«.