Rundschau.

Stuttgart, 20. Febr. Heule Vormittag fand auf dem hiesigen Amtsgericht die erste Gläubiger-Versammlung imjKonkursStäng- lcn" statt. Die angemeldeten Passiva be­tragen über 3 Millionen, welchen an Aktiven nur cirka 1200 Mark und verschiedene kri­tische Forderungen im Ausland, welche erst erstritten werden müssen, gegenübersteheu; deshalb ist für den Konkurs eine ziemlich lange Dauer >n Aussicht zu nehmen. Auf­sehen erregten die angemeldeten Forderungen der Frau Stänglen und der türk. Handels­gesellschaft (einer Gründung Stänglcns), welche von den übrigen Gläubigern nicht an­erkannt wurden.

Großbottwar, 21. Febr. Gestern nacht um 10 Uhr verschied der nur wenige Mo­nate in den Ruhestand getretene Stadlschult­heiß Küblcr »ach längerem schwerem Kranken­lager. Außer den Staren, welche sich schon früher eingestellt haben, ist nunmehr auch der Storch erschienen, um sein altes Nest wieder zu beziehen.

Obertürkheim, 20. Febr. Getragen von dem Gedanken, daß viele Tierquälereien ihren Grund nur in Unkenntnis und Gedanken­losigkeit haben, hat Fabrikant F. K. dieser Tage Lehrer und Schüler der zwei Oberklassen durch eine größere AnzahlKalender deS Berliner Turschntzvercins" überrascht, welche den Schülern als Geschenk übergeben wurden. Der Kalender kommt daher wohl in die meiste» hiesigen Familien. Der Geber zeigt dadurch, daß er ein warmes Herz hat nicht nur für die Schule, sondern auch für die Tierwelt. Möchte sein Beispiel andere gut­gesinnte Männer ermuntern, in anderen Ge­meinden das Gleiche zu thun.

Ludwigsburg, 2 t. Febr. Von einem Unikum seltenster Art sei hier berichtet. In der Aspergerstraße besteht hier ein größere« Anwesen, das einen Wert von mehr als 100,000 repräsentiert und das sich eine ganze Häuserreihe hindurch bis in die Linden­straße hiuzieht. Dasselbe ist aber seit bald einem Jahrzehnt völlig unbewohnt. Die einzigen Bewohner der von Werkmeister Danzer vor ca. 50 Jahren aus prächtigen Quader­steinen erbauten Gebäulichkeiten bilden die Ratten und das Ungeziefer. Die Thore und die Läden derselben sind immer geschlossen; vie hinter den Gebäuden sich bis an vie Lin- dnistraße hinziehenden Gärten mibebren seil Jahren jeder Kultur und Pflege. Die Erben dcö Anwesens sind die beiden Töchter des Erbauers, die aber im Auslande leben und nur selten ihre Vaterstadt besuchen.

In voriger Woche wurde Schultheiß Lipp von Hessigheim verhaftet und in Unter­suchungshaft nach Besigheim abgeführt. Er soll sich unbegreifliche Saumseligkeiten und größere Unregelmäßigkeiten haben zu Schulden kommen lassen. Sein AmtSdiener siel den Tag vorher vom obersten Scheunenhoden herab und brach dabei beide Arme, beide Beine und einige Rippen.

In Bondors OA. Herrenberg wurde durch ein rasch des Weges kommendes Fuhr­werk ein mil noch mehreren an der Straße spielendes, etwa 3 Jahre altes Kind über­fahren. Das Kind erhielt Fußtritte des Pferdes in der Schläsegegend, worauf der Tod sofort cintrat.

Berlin, 21. Febr. Die telegraphische Verbindung zwischen Deutschland u. Kamerun ist hergestellt. Der Präsident der afrikani­

schen Telegraphen-Kksellschaft Sir John Pen- der sandle heute dem Staatssekretär Dr. v. Stephan ein BegrüßungSlclegramm:Leg­ung des Kabels Bonny-Kamerun am 18. Febr. beendigt. Sende Ihnen Glückwunsch zu diesem Werk, welches die schnellste Ver­bindung Kameruns mit allen Telegraphen der Erde verwirklicht, und bin überzeugt, daß es eine rasche Entwickelung des Ver­kehrs und der sozialen Interessen zur Folge haben wird."

Ein Ehrensold für die Inhaber des Eisernen Kreuzes wird voraussichtlich dem­nächst gestiftet werden. Der Großherzog von Baden soll sich bereit erklärt haben, diese Angelegenheit beim Kaiser zu befürworten.

Berlin, 20. Febr. Der Kaiser besuchte heute Mittag den Reichskanzler Grafen Caprivi und blieb eine Stunde bei ihm; zum nächsten Freitag hat sich der Kaiser beim Minister von Bötticher zu Tisch angesagt.

Die angekündigte, von 214 deutschen Rabbinern Unterzeichnete Erklärung ist nun­mehr veröffentlicht. Sie gipfelt in dem Satze, daß die Sittenlehre des Judentums keinen Ausspruch und keine Anschauung anerkenne, die einem Nicdljudcn aegenüber etwas erlaube, was einem Juden gegenüber verboten sei, und daß dieselbe gebiete, in jedem Menschen das Ebenbild Gottes zu achtens, im Handel und Wandet die strengste Wahrhaftigkeit ge­gen Jedermann zu bethätigen, jedes Gelübde und Versprechen, welches irgend einem Men­schen, er sei Jude oder Nichljude, geleistet wurde, als unauflöslich unverbrüchlich treu zu halten, Nächstenliebe gegen Jedermann ohne Unterschied der Abstammung und des Glaubens zu üben, die Gesetze deS Vater­landes in treuer Hingebung zu befolgen, das Wohl des Vaterlandes mit allen Kräften zu fördern und au der geistlichen und sittlichen Vervollkommung der Menschheit mitzusrbei- len.

Vom Main : Nach verschiedenen Mit­teilungen aus den Mainniederungen sind in­folge des letzten Eisganges eine ungeheure Menge Fische zu Grunde gegangen; durch das Hochwasser bei dem Eisgänge sind die Fische in großen Scharen mit dem Master über die Ufer gestiegen ; als dann das Wasser zurücklrat und das Eis an den Ufern liegen blieb, konnten sie nicht mehr in den Fluß zurück und gingen aus dem User zu Grunde.

Leipzig, 18. Febr. Der 19jähr. A. Loeset aus Leipzig u. der 24jähr. Hermann Fiegert aus Pegau, welche am 19. Oktober Versucht hatten, den Geldbriesträger Knoefet zu berau­ben , wurden heute vom Schwurgericht zu 7 , bezw. 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Fiegert rief seiner im Zuschauerraum befind­lichen Frau zu :Lebe wohl, Anna I" Die­selbe brach mit einem Schrei zusammen.

Einen grausigen Fang machte dieser Tage, wie aus Trier berichtet wird, ein Fischer, der seine Netze aus der Mosel ziehen wollte. DaS außergewöhnlich schwere Netz konnte nur mit fremder Hilfe in den Nachen gebracht werden, wo man dann die Leiche eines seit mehreren Tagen vermißten Gefreiten der 11. Compagnie des 20. Jnf.-Regts. aus den Maschen wickelte.

Der Weberstreik in Lancashire droht, eine ebenso gefährliche als traurige Lage her- beizusühren, wie die Hungersnot vor 30 Jahren. Von 500 000 Personen, welche in dieser Industrie arbeiten, sind 125 000 ar­beitslos. Arbeiter betteln in den Straßen-

DaS Elend nimmt mit jedem Tage zu. Aus­ständige haben erklärt, den Ausstand fortzu- setzcn und werden von den noch Arbeitenden unterstützt.

Brüssel, 21. Febr. Eine große Erregung herrscht hier, irachdem v. einem Zug der Dampf- straßcubahu ei« Kind zermalmt worden. Die aufgeregte Menge versperrte dem folgenden Bahnzuge die Passage und drohte, die Schienen aufzureißeu. Nachdem Potizeiverstärkungen eingclrosten und eine Anzahl Verhaftungen vorgenommen worden waren, wurde die Ruhe wieder hergestellt.

Petersburg, 21. Febr. Ein russischer Gutsbesitzer aus Smolensk tritt imGrash- danin" nachdrücklich für den russisch-deutschen Handelsvertrag ein und erklärt, sein Zu­standekommen sei für die russischen Guts­besitzer eine Lebensfrage. Mittelrnßtand habe, ausgenommen im Jahre 1891, in den tetz- len 10 Jahren eine Ueberfülle an Getreide geerntet, und besitze allein in Deutschland sein Absatzgebiet. Wenn der Handelsvertrag nicht zustande komme, könne keine Adclsbank die Gutsbesitzer von dem Untergang retten, da sie dann ihr Getreide für ein Drittel d,s eigenen ErzeugungspreiseS verkaufen müßten. Die russischen Industriellen könnten dagegen mil den deutschen vollkommen auf dem rus­sischen Markt in Mitbewceb treten, wenn sie nur gut und billig arbeiten wollten, letzteres aber sei in ihre Hand gegeben, da die rus­sischen A> beiter billig seien.

London, 22. Febr. Aus HetsingforS wird gemeldet, daß in Fintand in Folge des Fehlschlaqrns der letzten Ernte Hungersnot und Krankheiten einen erschreckenden Umfang angenommen hätten; im Norden und Osten des Landes befänden sich wenigsten« eine halbe Million Bauern im äußersten Elend.

Vermischtes.

Lahr, 17. Febr. Eine köstliche Geschichte ist dieser Tage hier vorgekvmmen. Es sollte die Eröffnung des neuerbautcn Schlachthau­ses stattfinden; jedoch seine höchst ungünstige Lage, sowie andere den hiesigen Metzgerstand zurücksetzendc Verhältnisse halten sämtliche hiesigen Metzger derart mißgestimmt gemacht, daß dieEinweihung des neuen Schlacht­hauses ohne Sang und Klang, ohne Be­teiligung auch nur eines einzigen Metzgers, stattfand! Ein hiesiger Hotelier nahm die Einweihung" vor in Form der Schlicht­ung eines kleinen Schweines, das er mit Not im benachbarten Dinglingen aufgetrieben, und unter Assistenz eines Wirtes. In Lahr selbst aber waren Tags vorher, als am letz­ten Termin, 96 Schweine, 32 Stück Groß­vieh, 38 Kälber geschlachtet und dadurch der neuen Schlachthaus-Verwaltung 312 Mark entzogen worden.

.'. Bestrafung einer Ungetreuen. Aus Czernowitz wrrd demN. W. Tgbl." zuge- schrieben: Simon Bodnariuk, ein Berhomeler Bauer, war nicht ohne Grund auf seine hübsche und junge Frau eifersüchtig. Vor einigen Tagen beschloß er, sich von der Treu­losigkeit der Frau zu überzeugen und ge­brauchte hierzu ein Mittel, welches in Ber- homel noch verfängt. Er spiegelte eine längere Abwesenheit vor, kam aber einige Stunden ipälcr ins Hau« zurück und fand seine Frau in den Armen deS Nachbars. Dem Nach­bar gelang es zu entkommen, die Frau aber fiel in die Hände des vor Erregung fast wahnsinnig gewordene» Galle». Er siel über