nngsreise antrat, auf der eS am Abend im Adolph Ernst-Theater landete. Die Garderobefrau staunte dort nicht wenig, als eine Dame im vollen Brautstaat um Aufbewahrung ihres Schleier«, Myrtenkranzes, der ab- knüpfbaren Schleppe und ihre« — Gesangbuches bat. Dann folgte sie ihrem jungen Galten und den beiden schwarz befrakten Zeugen in eine Loge, wo sich die Hvchzeitsge- fellschaft während de« Abends auf das beste vergnügte. Wenn das Paar so fort fährt, da« Leben von der heiteren Seite zu nehmen, kann „recht gut" werden I
— Der Etraßb. Post wird „Vom Lande, 15. Febr." geschrieben: Einer beispiellos kräftigen Mager.« scheint sich der Eemeiude- rat unsere» Orte« zu erfreuen. In unserer Gemeinde besteht nämlich ein Ortsviebver- sicherung-verein. Der von diesem angestellte Tierarzt wohnt auswärts. Er hat nun bei einem Gemeinderate einen Vorrat von Arzneimitteln, mit Branntwein gemischt, zur ersten Hilfe bei Blähungen de« Viehes u. s. w. hinterlegt. Nun trug cS sich zu, daß der Herr Gemcinderat neulich abend« seine Kollegen mit nach Hause nahm, um mit ihnen in gemütlichem Zusammensein das neue
Kirschenwafser zu kosten. Leider geriet er an die vorrätigen Mixturen und regaliertc damit seine Kollegen. Der Kirscd kam ihnen zwar „etwas stark" vor, aber jgeschadct hat er ihnen nicht». Mahlzeit!
Oberbett und Unterbett aus dem Maskenball. Ein tragi-komischer Zwischenfall ereignete sich jüngst auf einem Maskenball in einem bekannten Berliner Balletablissement im Norden der Stadt. Dort fand ein Vereins-Maskenball statt, den der junge Steinußknopfarbeiter G. unter allen Umständen mitzumachen beschloß. Frau G. legte dagegen ein ernste« Veto ein, aber die« hat ihr doch nicht« genützt. Da« Geld war in dem G-'schen Hause zwar sehr knapp, aber G. mochte sich vor seinen Kollegen nicht blamieren und so sprach er: „Helff er sichl" Gesagt, gelhan. Während seine Frau einen Abendimbiß einholte, packte er schleunigst ein Oberbett zusammen unb rannte damit zum nächsten Pfandleiher, um von dem Erlös in der Maskengarderobe in das Kostüm eines Ritters ohne Furcht und Tadel zu schlüpfe» und zum Maskenball zu Hüpfen. Dort hat ihn eine kleine Maske lebhaft interessiert Als er jedoch zu lebhaft in die „schone"
MaSke eindrang, flüsterte ihm diese die verhängnisvollen Worte in« Ohr: „Oberbett, Du bist erkannt, ick kenne Dir!" Von einer unheimlichen Ahnung ergriffen, lispelte er: „Du bist doch nicht etwa —?" „Ja," vervollständigte diese den Satz, „Deine Frau, die da« Unterbett versetzt hat, um ebenfalls die Maskerade mitmachen zu können!"
.'. Ein wunderbarer Druckfehler findet sich in »er letzten Nummer de« in Mvgiln» erscheinenden Kreisblatte«. E« heißt dort nämlich von den in dem Keller de- alten Berliner Dom« aufgefundenen Antiquitäten: „Unter den Trümmern der Kellerräume erblickt man auch einige Kunstschätze au« dem älteste» Berlin. E« sind Postbeamte aus Sandstein mit Arabesken in Rokoko reich verziert!" Postbeamte au« Sandstein, statt Postamente — einen s» guten Witz leistet sich der Druckkobold nicht alle Tage.
(Au« einer stürmischen Versammlung ) Präsident: „Dürfte ich Sie im Interesse de« parlamentarischen Tone« bitten, daß wenigsten« zwei Herren auf einmal — schweigen !"
Irrwege.
Novelle von F. v. Pückler.
Nachdruck verboten.
5.
Waldstein fühlte wie eine Thräne über sein Antlitz rann, er wandte sich zu Volker! und sagte: „Fassen Sie sich, mein Freund I Da« Leben tritt gebieterisch an Sie heran und legt Ihnen neue Pflichten auf. Vertrauen Sie mir Ihr Kind zur Pflege an, e« soll mein Kind sein, wenn Sie einst nicht im Stande sein sollten, Vaterstelle zu übernehmen."
„Nehmen Sic das Kind in GottcS Namen I" schluchzte der Kunstreiter,
Und Waldstcin preßte das arme, kleine Mädchen fester an sich, raffte ihr Kleidchen zusammen und trug sie in sein Zimmer. Trotzdem auch an Waldsteins Seele unauslöschliche Schmerz nagte, so vergaß er doch nicht, wsS jetzt dem armen Kind Not that. Er bestellte für da-selbc Frühstück, und als Jsa dann, nach Kinderart fröhlich plaudernd ihre Milch trank und Zwieback aß, da seufzte er tief auf: „O, Geliebte, ich danke Dir I Ja, sie soll mein Kind sein und ich will sie
lieben — wie ein Vater I"
* *
«
Das Begräbnis Frau Alice Volkcrts fand vom Friedhof aus in aller Stille statt. Herr von Waldstein hatte die gesamten Anordnungen dazu dem völlig gebrochenen Vslkert abgenommen, der nur teilnahmlos in seinem öden Dachkämmerchen saß und auf die Stelle blickte, wo das Lager der Heimgegangenen gestanden.
Volk-rt hatte Recht, sein guter Genius war mit seiner Frau gestorben; trotz all seiner Fehler Halle die leidenschaftliche Liebe zu ihr ihn doch immer wieder über dem Morast deS Lebens erhalten, in welchem so mancher seiner Berufsgenossen untergegange» war.
Waldstein» Schmerz war vielleicht größer, tiefer, als derjenige VolkertS, aber er wußte ihn zu beherrschen.
Jsa schlief noch bis nach dem Begräbnis
beim Vater, war aber sonst den ganzen Tag in „Onkel Alfreds" Zimmer; sie hatte ei» schwarzes Kleidchen bekommen, ihre blonden Haare wurden mit einem ebensolchen Bande zurückgebunden und auf ihre verwunderte Frage, weshalb sie das hübsche, rote Röck- chen, in dem Mama sie so gerne gesehen, nicht anziehen solle, ward ihr erwidert, Mama ist gestorben! Sic verstand nicht, was das zu bedeuten habe, gerne hätte sie den guten Onkel gefragt, aber der sah auch so ernst und traurig aus, daß sie eS nicht wagte.
Und dann ward die Frau des Kunstreiters zur Ruhe bestattet. Auf schwarzvcr- hangenem Wagen schwankte der blumengeschmückte Sarg der Grabstätte zu und neben dem noch immer ganz fassungslosen Witwer schritt Herr von Waldstcin, Jsa an der Hand ; er war bleich und gefaßt, aber tief drinnen in der breiten Manncsbrust zuckte ein Schmerz, viel tiefer als der de« Kunstreiters. Angstvoll schmiegte sich das kleine Mädchen an ihn; cS war alles um sie her so fremd, so ungewohnt und nur Onkel Alfreds Nähe tröstete sie.
„Mama ist beim lieben Gott und Du wirst sie Wiedersehen," hatte er gesagt und sie glaubte fest daran; sie sollte so lange der ihm bleiben, das war eine wunderschöne Aussicht I Den Vater vermied sie scheu und ängstlich, denn sie kannte nur zu gut seine jähen Zornausbrüche, vor denen selbst Mamas sanfte Worte verstummten.
Es war geschehen, der Sarg mit Alicens sterblicher Hülle hinabgcscnkt in die Erde.
Volkert, Waldstein und Jsa weilten noch eine Zeit lang im stummen Schmerze an dem Grabe. Als sich dann Waldstcin umwandte, um Volkert zur Rückfahrt aufzufordern, war dieser schon verschwunden. Kopfschüttelnd blickte Waldstein dann noch auf das stille Grab und auf das verlassene Kind und schritt dann langsam mit demselben dem Eingänge des Friedhofes zu.
Bald darauf fuhren Waldstein und seine kleine Schutzbefohlene im geschlossenen Wagen in den Gasthof zurück und ersterer frug, ob Herr Volkert schon zurück sei.
»Ja, kr sitzt unten im Gastzimmer und hat sich soeben eine Flasche allen Wem geben lassen.
Waldstein erbleichte, schickte Jsa mit einem Dienstboten hinauf in sein Zimmer und ging selbst zu Volkert; erfand ihn mit gerötetem Gesicht und in wctnseliger Stimmung.
„Ah, mein lieber Herr von Waldstein, freut mich, Sie zu sehen I Ich muß mein Unglück mit eiserner Ruhe ertragen, denn ich muß morgen Abend im Circus auftreten, sonst verliere ich mein Engagement u. kann dann verhungern."
„Ich komme zu Ihnen wegen des Kindes, Herr Volkert I" sagte Waldstein ruhig.
„Ah, charmant! Sie thuu mir in der That einen Gefallen, denn wissen Eiej, bei meinem neuen Engagement wäre mir das Kind eine Last!"
„Doch ich knüpfe eine ernste Bedingung an die Aufnahme Isar, Herr Volkert. Sie dürfen sich niemals in die Erziehung Jsas mischen."
„Nein, natürlich nicht! Nur reiten muß sie lernen, um einst als meine Tochter in der Manege zu brillieren. Verstehen Sie? Es that mir immer le>d, daß meine arme Alice —"
Er begann laut zu schluchzen, aber Waldstein unterbrach ihn rauh, während die Zornesader an seiner Stirn schwell: „Still von ihr jetzt, Mensch! Wir wollen hier am Weintisch nicht Alicens Andenken schänden!"
„Aber erlauben Sie doch!" rief Volkert ganz betroffen.
„Nun, lassen Sie nur jetzt die Klagen, Herr Volkert. E« bleibt als» dabei, daß Sie das Kind meiner Obhut überlassen."
»I«, ja, Herr von Waldsteinl" erwiderte der Kunstreiter schluchzend.
Und er drückte das rvtbaumwollene Taschentuch vvrs Gesicht, während Waldstcin verächtlich ihm den Rücken wandte und das Zimmer verließ. Der Schmerz des betrunkenen Kunstreiters verletzte sein eigenes herbes Leid; in Jsas blauen Kinderaugen, bei ihrem heiteren Geplauder wollte er es vergessen. (Forts, s.)
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hosmann.