Irrwege.
Novelle von F. v- PÜckler.
Nachdruck veriotcn.
1 .
Es ging mit /inem blühenden Menschenherzen schmerzlich und traurig zu Ende! In einem ärmlichen Dachstübchen eine- GasthofcS lag auf hartem Stroh in Decken gehüllt eine »och junge Frau, auf deren bleiche-, schönes Gesicht der Tod unverkennbar sein Siegel gedrückt; die seidenweichen kastanienbraunen Haare flössen aufgelöst um das feine Profil, und die dunklen Augen der Sterbenden hingen voll unendlicher Zärtlichkeit und tiefster Trauer an einem kleinen, blonden Mädchen von etwa sechs Jahren, das ahnungslos, kindlich fröb- lich mit einem zerrissenen Hanswurst spielte.
Neben dem Betr saß ein älterer, stattlicher Mann, dessen unschönes, gebräuntes Antlitz im unbegrenzten Schmerze zuckte; sein vornehmes Aentzere schun nicht in das ärmliche Gemach zu passen, aber er achtete nicht auf die armselige Umgebung, nur das liebliche, bleiche Antlitz der Sterbenden vor ihm schien für ihn da zu sein.
„O, Alice, so muß ich Sie wiederfinden
— um Sie sogleich wieder zu verlieren I Kann ich denn gar nichts Ibun, Ihnen zu helfen?" rief er mit dem Tone des höchsten Edelmuts.
„Nein," lächelte die Kranke schmerzlich, „mir hilft nur noch der Tod, aber ich danke Ihnen, Herr von Waldstein, Sie haben treulich mein Andenken bewahrt —"
„Und Sie meinten, ich werde Sie je vergessen können, Alice? Sie, die ich geliebt wie nichts sonst auf der Well! Zürnen Sie mir, daß ich es gesagt? Aber Sie haben eö ja längst gewußt "
„Ja, mein Freund, und ich bin Ihnen dankbar gewesen für diese treue, selbstlose Neigung, die für mich gewirkt und gebeten hat — bis ich endlich meinen Willen durchsetzte und des CucuSbrsitzers Vollen Weib wurde."
„Es waren schlimme Zeiten, Alice, Ihre Mutter haben Sie allmählich in das Grab gebracht und Ihr Vater starb vor 2 I ihren auch."
„Arm? Mutter, lieber Vater! Ob sie mir noch zürnen werdn, wen» ich Ihnen vor Gottes Throne begegne?" wehklagte die kranke junge Frau.
„Gewiß nicht! Sie baden schwer gesühnt, Alice, daS ewige Erbarmen wird Sie nicht Verlassen. Aber wo ist ihr Gatte?"
Das bleiche Antlitz der jungen Frau rötete sich und sie sagte fast v rlegen:
„Er ist in die Residenzstadt gereist, um einen Kontrakt dort selbst abznschliestn. Viel leicht findet er mich nicht mehr lebend, wen» er zurrückkehrt."
„Haben Sie vielleicht irgend einen Wunsch, den ick erfüllen könnte?"
„Einen Wunsch!" seufzte sie und ihre Augen schimmerten, „o ja, ich habe einen
— aber er ist so groß, daß Sic ihn nicht erfüllen können."
„Wenn es in meiner Macht steht, Alice, ich werde es ibun — um Ihretwillen."
Ihre Augen suchten das vor dem Bette spielende Kind. „J!a," murmelte sie zärtlich, „sie soll fort auS der Circusatmssphäre
— sie soll nicht elend werden wie ihre Mutzer. O, Alfred, helfen Sie meinem Kinde,
verlassen Sie Jsa nicht, wenn ich nicht mehr bin."
Eine Thräue stand in den Augen des ernsten Mannet, er legte seine Hand auf da« blonde Kinderköpfchen und sagte feierlich: „Sie soll, wenn ihr Vater seine Einwilligung giebt, fortan mein Kind sein, Alice. Seien Sic also beruhigt! Jsa wird mich lieb haben, nicht wahr, Liebling?"
Das Kind sah ihn an und frug erstaunt: „Du bist ein fremder Herr? Wie heißest Du?"
„Onkel Alfred," lächelte er gütig. „Möchtest Du mit mir kommen auf mein Schloß? Ich habe ein zahmes R h und einen Papagei, welcher sprechen kan» wie Du."
„Aber dann muh Mama mit," rief die Kleine vor Freude strahlend. „Allein kann sie doch nicht hier bleiben, nicht wahr, Onkel Alfred?"
Sein G-stcht zuckte schmerzlich, er nickte nur und blickte auf die Sterbende, welche die Hand übers Gesicht legte.
„Wird Ihr Gatte mir bezüglich der Versorgung dcS Kindes keine Schwierigkeiten in de» Weg legen?" frng Waldstein nach einer Pause.
„Ich glaube nicht," entgegnete Alice, „er wird den Zwang der traurigen Umstände einsehen und er liebt mich auch noch so wie damals, als wir uns zuerst begegneten, mein Wunsch wird ihm heilig sein. O, Alfred, Gott segne Sie für das, was Sir an meiner Jsa lhun."
„Still davon, Alice. Nun wird mein Leben wieder einen Inhalt haben. Ich allein habe zu danken, e- war so öde — seitdem Sie aus demselben geschieden. Das liebe Kind wird Sonnenschein in mein einsames Leben bringen."
„Alfred, Sic sind ein seltener, edler und großmütiger Mensch I Ich weiß noch genau den Tag, an dem man uns verlobte. Ich war ein leider nur zu junges, übermütiges Mädchen, weiches von dem Ernst der Verlobung keine Ahnung hatte und sich nur auf die schönen Geschenke und Kleider bei der Hochzeit freute. Sie frugen mich damals ernst und innig, ob ich Sie lieben könne, und ich lächle hell auf bei den Worten — ich verstand nicht einmal, was Sie meinten."
„Ich war ein Egoist, Alice; ich hätte Sie freigebl» müssen, als ich dies erkannte," entgegnet? Waldstein, „aber ich dachte und hoffte, Ihre Liebe zu erringen wie ein köstliches Kleinod, aber eS war ein Irrtum, ich war ja damals schon ein alternder Junggesell und wir paßten von Natur aus nicht zusammen."
„Meine Eltern wünschten die Verbindung, Sie sind reich und ich war ein arme«, adeliges Fräulein und besaß weiter nichts als ein hübsches Gesicht und einen leichte» fröhlichen Sinn. Aber als wir ein Vierteljahr verlobt waren, da kam jener Tag — der über mein Schicksal und das Ihrige entschied."
Die Kranke brach jäh ab und rang die Hände.
„Regen Sie sich nicht auf, teure Alice!" rief Watdstein besänftigend.
Aber die Kranke fuhr fort, als wenn sie zu beichten habe:
„In unserer Kreisstadt erschien ein Circus unter pompösen Ankündigungen. Natür
lich mußten «uch wir denselben ansehen und verabredeten un» mit einer großen Gesellschaft hinzugehen. Der Besitzer des Circus, ein stattlicher Mann mit den Manieren eines CaValierS, Konstantin Voikert, sollte ein Schutpferd vorretten, und als er beim Her- cinkommen mich mit einem feurig bewundernden Blicke ansah, schlug mein Herz so heftig wie noch nie zuvor."
„Ich habe schon au jenem Abend alles geahnt," seufzte Waldstein, in die Erinnerung verloren, „und schwankte nur mit mir, ob ich irgend etwas lhun solle, das Unheil zu hindern, — aber ich wußte kein Mittel!"
„Am nächsten Tage begegnete ich auf einem Spaziergang dem Direktor des Circus im Waide — und von da an täglich; er btieb noch immer in der Stadt, Papa und ich fehlten bei keiner der Vorstellungen und immer tiefer grub sich der feurige Blick dcS schönen Mannes in mein Inneres."
„Und endlich gewann ich den Mut, mit Ihnen, Alice, zu sprechen," erwiederte Waldstein. „Sie wurden heftig und bekannten dann stolz und, daß Sie Konstantin Votiert liebten. Ich erhielt meine» Ring aus Ihrer
Hand zurück."
tFortsetzung folgt)
Brockensammlung der Anstalt Bethel.
„Sammelt die übrigen Brocken, auf daß nichts umkomme I" Möchte dieses teure Heilandswort auch ferner nicht umsonst über der Thür unseres BrockenhauseS stehen! — Immer weiter wünscht dasselbe seine Thore zu öffnen, um mehr Brocken einzulassen. Wenn wir heute von Herzen für all' das Wohlwollen danken, das treue, sürsorgende Liebe für die Armen, Kranken und Elenden unserer Anstalt uns durch ihre Brockensend: nngen erwiesen hat, so möchten wir um deswillen, der uns den Auftrag dazu gegeben, weiter bitten: Werdet nicht müde in dieser Liebesarbeit für unsere armen Kranken! Der Freund aller Elenden im Himmel wird ge- w>ß auch der kleinste» Sendung, in Liebe gespendet, den Stempel Seiner Verheißung ausdrücken: „WaS ihr gethan habt Einem unter diesen Geringsten, das habt ihr Mir gethan."
Aus dem Verzeichnis der vsn uns gesammelten, in den Ecken unbenutzt umher- liegenden Gegenstände führe» wir auf: C'- garrenabschnitte, Cigsrrenkisten, Staniolkap- seln, Korkpfropfen, Blei, Kupser, Zinn, Zink, Bücher, Noten, Foliaiilen, Schriften, Helte, Papier, Zeilnngen, Bilder, Lumpe», Knochen, Gummisachen, Schirme, Schuh?, Sralstledein, Stiefel, Hüte, Federn, Pserdehaar, Bries- marken, Garn, Seide, alte Münzen, Denkmünzen, Anliguilälen, Handschriften, Hausrat; aber auch: Kleidungsstücke, Wäsche, B-tien, Decken, Uniformen, Waffe», Möbeln, Nähmaschinen, Musikinstrumente, Uhren, Ringe, Schmucksachen, Spiele, Sammlungen, Elfenbein, Werkzeuge, Kurzwaren, Ladenhüter, Muster, Glas- und Porzellan, auch GlaS- und Porzellanscherben, alttS Eisen u. s. w. wenn bei Entfernungen die Fracht den Wert derselben nicht übersteigt.
Wir bitten um Zusendung unter folgender Adresse: Brockensammlung der Anstalt Bethel, Peilstation Gadderbaum, Bahnstatton Bielefeld. Der Vorstand von Btthel.
v. Bodelschwingh, Pastsr.
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hosman.n. Druck und Beilag von Bernhard Hosmann.