Rundschau.

Sc. Maj. der König hat den Ober- finanzral v. Schmidt bei dcr Domänendirek­tion zum Dnektor der Oberrechnungskammcr und Staatskassenverwaltung ernannt.

Stuttgart, 15. Januar. Dieser Tage wurde von der in Ensingen vorgenomnienen Verhaftung eines ledigen Frauenzimmers be­richtet, in deren Besitz eine Geld- u. Wert­summe von über 20000 ^ gefunden wurde, worüber sie sich nicht auSweisen konnte. Die Betreffende, sowie ihr Verlobter, ein junger Goldschmied aus Pforzheim, welcher hier in den letzten Tagen durch außerordentlichen Geldverbranch sich bemerklich gemacht hatte, waren unter dem Verdachte eine- Diebstahls hier in Untersuchungshaft genommen. Die mehrtägige Untersuchung lieferte aber merk­würdige Ergebnis, daß nicht blo» die er­wähnte Wertsumme sondern in Wirklichkeit mehr als die doppelte Summe von einem reichen Privatier in Baden-Baden dem Mäd­chen zum Geschenk gemacht worden ist. Es erfolgte deshalb die Entlassung Beider all­dem Untersuchungsgefängnis des königl. Amts­gerichts Stuttgart-Stadt.

Unterrkichcndach , 17. Jan. Zur Ein­weihung dcr umgebauten Ortskirche am Sonntag waren zahlreiche Gäste von nah und fern erschienen. D«t Dorf hatte reichen Schmuck angelegt, auch das kleinste Häus­lein war mit Tannengrün und Blumen ge­ziert. Dekan Braun von Calw hielt die Wciherede. Nach der Predigt de« OrtSgeist- lichen, Pfarrer Furch, überbrachte Präl. Dr. v. W'ttich, der zur großen Freude der Kirchengcmeinde erschienen war, die Segenswünsche der Oberkirchenhörde. Beim Mittagessen wurde der 1. Toast von Präl. Dr. v. Wittich auf Se. Maj. den König ausgebracht. Eine Reihe von ernsten und heiteren Reden folgte. Nachmittag- war liturgischer Gottesdienst, die wohlgclungenen Chöre wurden vom hies. Kirchenchor au<- geführt.

Botenhkim, 19. Jan. Dem Z.-B. wird folgender Vorfall geschrieben, für dessen Wahr­heit der^Einsender einstehc» kann. Eine Frau hörte aus ihrem Hühnerstall ein furchtbares Geschrei und beeilte sich, nach dessen Ursache zu sehen; in die Nähe des Stalle-gekommen, fühlte sie zu ihrem Schrecken sofort, daß ihr etwa- Lebende- unter ihre Kleider gekommen, hatte jedoch noch so viel Geiste-gegcnwart, das Tier in die Kleider zu drücken und sich mit schrecklichem Geschrei über die Straße in ein Nachbarhaus, in dem sich ihr Mann befand, zu retirieren. Dieser kam in Ge­meinschaft mit noch einigen jungen Leuten seiner Frau sogleich zu Hilfe , und zog zum Wunder aller eine» prachtvollen Iltis her­vor. Für den ausgestandenen Schrecken wird die mulige Frau jedenfalls jetzt eimn warmen Pelz erhalten I

Gomadingen, OA. Münsingen, 19. Jan. Da- Eisenbahnlos der Kiesigen Markungnd die Hochbauten unseres Bahnhofs, Stations­gebäude und Nebengebäude, sind bereits heule je mit einem Voranschlag von ca. 90,000 und 15,000 auSgeboien. ES ist also eine baldige Inangriffnahme im Frühjahr zu erwarle».

Vom Wetter, 17. Januar. Immer un­heimlicher wacht die Gewalt des Winter-sich geltend, und selbst dcr Rhein, der schwer zu

hänhitzttldk, muß seiner Botmäßigkeit sich

mittels»« fühlen. Bei Kehl, Mannheim und Mainz hat sich da« Ei< gestellt. Der Main ist läng- der Stadl Frankfurt bereits znge- froren. Bei Bingen wird die Eisdecke de« Rhein« seit gestern vom dortigen wie vom RüdeSheimcr Ufer aus von zahlreichen Per­sonen überschritten. Der Uebcrgang ist ge­führt»«, denn die Vielfachen Lücken, welche sich gestern im Eise noch gezeigt hatten, sind bei 15 bi- 17 Grad Kälte in letzter Nacht zugcfroren. Zwischen den Bahnhöfen Bingen und Rüdesheim führt ein gebahnter, mit Tannenbäumchen abgesteckter Weg, den die Schiff-lente hergestellt haben. Klagen über da- verspätete Eintreffen der Züge u. Posten treffen von Seiten ein.

E« ist noch zu verkennen, daß so­wohl in der öffentlichen Meinung Deutsch­lands, als auch unter einer großen Anzahl von RcichStagsabgeordneten ein erheblicher Umschwung der Ansichten bezüglich derMili- tärvorlage eingetrelcn ist. Man glaubt jetzt sicher, daß cs zu einer Auflösung des Reichs­tags nicht kommen wird, da auch die Re­gierung, bezw. der Reichskanzler, schon einige Andeutungen gemacht hat, wonach es bezüg­lich der Militärvorlage zu einer Verständig­ung kommen solle. Die Mehrheit des Reichs­tag« ist wenigstens schon geneigt, 40000 Mann mehr Rekruten zu bewilligen, wenn die zweijährige Dienstzeit bei den Fußtruppen gesetzlich festgelegt wird. Der Reichskanzler sprach von 50,000 Rekruten statt der ur­sprünglich 60 000.

Au- Berlin, 18. Jan., wird ge­meldet: Die vergangene Nacht und der heutige Tag brachten hier die größte Kälte, welche seit 1850 in Berlin meteorologisch beobachtet wurde, nämlich 22 Grad Reaumur. Nacht­wurden die CanitätSwachcn von zahlreichen Paffanten ausgesucht, die einzelne Gliedmaßen erfroren hatten. Vier Tote wurden auf den Straßen gefunden. Einerderselben, ein Ar- beit-mann, war auf schreckliche Weise umge­kommen. Er wollte abend« einen Bretter­zaun übersteigen, stürzte dabei kopfüber in einen hohen Schneehaufen, blieb darin stecken und erfror in der Art, daß seine steife Leiche auf dem Kopfe stehend heute morgen ge­funden wurde. In Berlin fiel der Schnee 30 Centimeter hoch, wa« hier äußerst selten ist. Angesicht« der harten Witterung sollen nacht- die öffentlichen Wärmehallen offen bleiben, ha die Not der Obdachlosen schreck­lich ist. Auch die Zufuhr von Leben-Mitteln ist erschwert. Gemüse und Kartoffeln langen erfroren an. Heute trafen fast alle Post­sendungen verspätet ein.

Wie in Bayern und Baden e« der Fall war, haben auch die württembergischen Branntweinbrenner au« gewerblichen und landw. Kreisen ein Abordnung an den Staats- minister der Finanzen entsendet, um die Bitte vorzutragen, daß von Seite »er württ. Regierung alle« »ufgeboten werden wolle, um die Steuerdifferenz zwischen 50er und 70er Branntwein aufrecht zu erhalten. Würde die Differenz von 20 ^ pro til reinen Alkohol« auf 15 ^ heruntergedrückt, so wäre e« nach Ansicht dieser Abordnung nur noch schwieriger, mit den norddeutschen Brannt­weinbrennern zu konkurrieren. Denn die südwestdeutschen Brenner sind im Verhältnis zu den norddeutschen nur Kleinbrcnner. In Norddeutschlavd sind die Kartoffeln stärkc- mehlhaltiger, sowie viel billiger als bei uns, die Einrichtungen der dortigen Brennereien

von jeher größer und rationeller, die Kohlen und Arbeitskräfte billiger alt in Südwest- deutschland. Die Abordnung war au-Groß- und Kleinbrennern der verschiedenen württ Lande-teile zusammengesetzt und geführt von Ockonomierat Spieß. Sie wurde von dem Finanzminister empfangen- Soviel wir er­fahren, hat der Minister sich dahin geäußert, in der Frage denselben Standpunkt einzu­nehmen, den der bayr. Finanzminister erst dieser Tage im Reichstag dsrgelegl har.

Eisenach, 18. Jan. Anhaltende furcht­bare Kälte zeitigt ernste Kalamitäten. In Thüringen sind viele Menschen und Tiere erfroren. Das Brunnenwasser versiegt; die Flußläufe und Teiche sind ausgesrorcn. Der Verkehr ist stark beeinträchtigt.

München, 20. Jan. Der Prinzregent spendete wegen des starken Frostes 6000 ^ zur Kohlenbeschaffung für die Armen.

Die erfrorene Zigeunerfamilie. Eine schreckliche Tragödie des Todes, wie sie sonst nur in den Regionen des ewigen Eises oder in den winterlichen Steppen Sibiriens sich ereignet, hat sich, wie bereit« gemeldet, dieser Tage bei Königgrätz abgespielt. Auf freiem Felde fand man Freitag Morgen in der Nähe der Ortschaft J'ssenitz eine Ziegeuncr- familie von sechzehn Personen auf. Das Lagerfeuer, das die Zigeuner zum Schutze gegen die furchtbare Kälte angezündet hatten, war erloschen und ring- um die erkallete Feuerstätte lagen starr und kalt die Leichen der sechzehn Zigeuner. Wie sie von dem tödtlichen Schlafe in der eisigen Nacht über­mannt worden waren, so wurden sie de« Mor­gens aufgefunden: ein schreckliche« Bild de- Tode-, wie er in froststarrcnder Winternacht dem Unglücklichen, dem kein sicheres Obdach ein warmes Lager bietet, mit eisiger Hand an da« langsam und allmählich erstarrende Herz greift, bi- es zu schlagen ausgehört hat. Aber wie ist es möglich, daß sechzehn Men­schen, und wären et auchnur" Zigeuner, auf so entsetzliche Art um« Leben kommen? Sic hatten in Jessenitz vergebens Unterkunft gesucht; mau traut ben Zigeunern ja nicht, und so hatte sich Jeder gescheut, die gefähr­liche Gesellschaft innerhalb leines Besitztums aufzunehmen. Daran dachte keiner, daß er mit der Verweigerung der Bitte um ein Ob­dach, welche die Zigeuner von Thüc zu Thür bettelnd verbrachten, sechzehn Menschenleben dem Tode weihe.

Das elektrisierte Rennpferd. Ein amerikanischer Jockey von tenlscher Herkunft, ein gewisser Kuhn, halte unlängst die geist­reiche Idee, jede» seiner beiden Sporen mit dem Pol einer Induktionsmaschine, die er im Gürtel trug, in Verbindung zu bringen. Der Strom gieng längs der Beine durch einen Drahtfaden bi« zu den Sporen und fuhr, wenn der Kontakt hergestellt war, durch den Körper des von dem Jockey gerittenen Rennpferde«. Da- arme Thur eilte, von unerträglichen Schmerzen gepeinigt, wie der Blitz durch die Bahn. Auf dem Robyrennen bei Chicago kam Kuhn mit seinem elektrischen Pferde als Erster an'« Ziel und verlangte den Preis. Aber die Schnelligkeit, mit der sein Pferd durch die Bahn gegangen war, erregte Verdacht. E« wurde eine Untersuch­ung angeordnet, und der Betrug kam an'S Licht. Die Richter jagten den geniale» Mann davon unter dem Beifall des lachenden Pup- likum«, da« große Lust verspürte, den erfin- hmjchen Jockey jt, lynchen.