Vas Ovlrviinnis 6vr I'rau äv 1a Narv.

Roman von H. v. Limpurg.

Nachdruck verboten.

32 .

Paß auf, Fritz, er ha! jedenfalls den Gehcimrat bestochen, da» Manuskript für echt zu erklären selbst gegen seine An­sicht; Vielleicht brauchte Herr von Norden Geld. De« Gelder halber ist schon mancher schlimme Handel abgeschlossen worden."

Da sprang Leuthold auf wie vom Blitz getroffen nnd ein Schleier fiel von seinen Augen. Ja, da« Geld l Leopold von Norden hatte ja Schulden! Also darum mußte die Tochter vom Vater geopfert werden, um den Sohn zu befreien.

Du hast vielleicht Recht, Mutter I" er­widerte er dann bitter.O daß ich es nicht eher erriet. O meine arme, teure Luise, Du darfst nicht elend werden durch den lieb» losen Vater."

» »

Traurig blickte Luise von Norden dem kommenden neuen Tage entgegen. Wa« würde er anders bringen als neue Kämpfe und neue« Leid! Beim Frühstück halte sie den Bruder allerdings gesehen, doch er blickte so finster drein, daß sie nicht wagte, zu reden. Noch ehe der Vater kam, stand Leo­pold auf, um fort zu gehen und reichte voll ungestümer Zärtlichkeit der Schwester die Hand.

Gott helfe uns, Luise!" sagte er halb­laut,sei standhaft und bleibe Friedrich treu! Und, wenn der Vater Dir nochmals befiehlt, jenen Schuft zu heiraten, so lehne ab und verzage nicht ich schieße ihn wie einen bösen Hund über den Haufen, darauf ver­laß Dich"

Leopold," rief Luise entsetzt,was ist vorgefallen? O, mir ahnt ein furchtbare« Unglück!"

Fluch über diejenigen, welche es her­ausbeschworen," murmelte der Assessor finster. Weißt Du daß Leuthold gestern abend abgereist ist?"

Entsetzt zuckte sie zusammen, denn da« schien ihr unmöglich! Er konnte sie jetzt nicht verlassen mitten in der Gefahr.

Ich weiß nichts," stammelte sic tonlos, garnichts. O, Leopold, sage mir alles was Du weißt."

Er ist nicht viel," meinte der Assessor bitter,Friedrich sandte mir gestern einen Brief den ich brauchte und mit demselben wenige, traurige Zeilen de-Abschiedes. Hier, lies selbst."

Mit Entsetzen griff das arme Mädchen nach dem Briese des Geliebten und las, was er geschrieben; dann hefteten fick die großen, dunklen Augen angstvoll auf den Bruder und sie frug zitternd:WaS meint Fried­rich, wenn er sagt, ich könne Dir eröffnen, weshalb er geht? Und dann jener Brief? Von wem ist er?"

Frage nicht, Luise ich werde handeln, wie Leuthold e« für selbstverständlich an­nimmt, aber reden kann ich nicht über das Schreiben. Dn bist tausendmal besser daran als ich, Luise, das kann ich Dir versichern I"

Ja, mein armer Bruder," flüsterte sie, die Arme um seinen Hals schlingend,ich weiß e«, denn Friedrich und ich bleiben ein­ander lreu."

Doch nun noch ein«, Schwester. Der Vater wird ohne Zweifel mit Dir über Linden reden."

Die Geschwister wurden in diesem Augen­blicke gestört, denn der Diener brachte einen Brief an da« gnädige Fräulein; e« waren die Abschiedsworte Leuthold«, und alr Luise, welche de« Geliebten Handschrift kannte, die­selbe gesehen, ward sie noch bleicher «IS zuvor.

Entschuldige mich beim Vater, Leopold, wenn er zum Frühstück kommt ich muß Friedrich« Brief lesen und gälte e« meiner Seelen Seligkeit! Vielleicht löst er mir da« Rätsel."

Arme« Mädchen," murmelte der Asses­sor, als die Thür sich hinter der davoncilen- den Schwester geschlossen,sie kämpft helden­mütig mit ihrem Jammer, während ich meine unglückliche Liebe noch immer nicht cinsargen kalln. Juana! O, wäre sic tot ich wollte mich glücklich preisen, denn dann dürfte ich sie lieben; dann schwebte sic mir rein und schön vor wie ein höheres Wesen. Doch so! Es ist zu entsetzlich! Ist es denn möglich, daß diese wundervollen Augen lügen, daß sie falsch ist? Falschheit, Dein Name ist Weib! Haha, warum traure ich dieser bitteren Wahrheit nach? Konnte ich denn denken, daß jene- Ideal einer Frau, welches ich in mir trage, in der That zu Fleisch und Blut geworden wäre I"

Die Thür öffnete sich und der Geheim­rat trat ein. Er sah sehr bleich und zer­streut au«, suchend irrte sein Blick im Zim­mer umher nnd die Hand, welche ein Papier hielt, sank schlaff herab.

Wo ist Luise?" frug er.Ich muß sie sprechen."

Luise läßt sich entschuldigen."

»Hm, so kann ich mit Dir die fatale Geldsache abmachen. Hier hast Du jene Summe, von der Du sprachst, Leopold. Aber laß Dir sagen, daß ich nie mehr von heute an Schulden werde für Dich zahlen können. E« ist mein letztes Geld und wurde mir sehr schwer!"

Papa, lieber Papa, wie soll ich Dir danken," rief der Assessor gerührt und be­troffen von dem seltsam gepreßten Tone de« alten Mannes,mein Ehrenwort, daß ich nie mehr spielen will; o, es drückt mir das Herz ab, wenn ich überlege, was Du für mich thust!"

Du bist doch mein Stolz und mein Liebling," flüsterte Norden unruhig.Für Dich gebe ich Alle« hin, Gold, Ehre, Ruhe und Glück!"

Sprich nicht so, Papa. Es soll anders werden, und habe nochmals Dank."

Komm jetzt zum Frühstück," sagte der Professor hastig,aber zuvor noch eins. Hast Du Luise gesprochen?"

«Jo, sie ist sehr unglücklich, denn Leut­hold, dessen Bewerbung um ihre Hand Du abwiesest, ist gestern Abend plötzlich abge- rcist."

Ah," und wie ein Seufzer der Erleich­terung klang dieser kurze Ausruf,so wird sie auch Vernunft annehmen und meinen Wunsch, den Baron betreffend, erfüllen. Er ist sehr dringend und und ich habe probeweise die Verlobungsanzeigc der beiden ausgesetzt. Sieh her, e« klingt wirklich recht gut."

Ohne den Sohn anzublicken, beinah scheu legte der Gehkimrat jenes Blart, das er in

der Hand gehalten, auf den Tisch, und al« Leopold es mit den Augen überflog, schwoll ihm die Zornesader auf der Stirn.

So willst Du jenem Betrüger die Hand Deines Kindes dennoch geben, Vater?" frug er grollend.Weißt Du auch, daß sie mit ihm sehr unglücklich werden wird?"

Nun, so schlimm kommt es gewiß nicht. Was willst Du mehr, mein Sohn, sie wird reich und Baronin"

Und bekommt dafür einen Schuft zum Gatten. Ehe eS soweit kommt, schlage ich Linden vor Deinen Augen zu Boden!"

Das wirst Du nicht, Leopold, ich bin Linden verpflichtet"

Herrgott im Himmel, doch nicht durch diese Summe, die Du mir eben gabst? Dann weise ich sie von mir, mag es kommen, wie es immer will. Mit Luisens Herzblut er­kaufe ich mein Glück nimmermehr."

Und ehe der Geheimrat eS zu hindern vermochte, hatte Leopold die Verlobungsan­zeige in Stücken gerissen und sie vor des VaterS Füße geschleudert; tiefaufatmend blieb er dann stehen, in seiner Brust kämpfte und arbeitete es mächtig.

Leopold, mein lieber Sohn," flehte jetzt der alte Herr fast angstvoll,nimm Ver­nunft an; es geht nicht anders. Wenn Ihr Euch meinem Willen entgegenstellt bin ich ebenfalls zu Grunde gerichtet."

Hier ist das Geld zurück, Vater," fuhr der Assessor fort, ohne eine Miene zu ver­ziehen;wenn Du Luise opferst, sage auch ich mich von Dir loS. Lebewohl!"

Dröhnenden Schuttes ging Leopold hin­an», während der Geheimrat ächzend in einen Siuhl sank und fast geistesabwesend auf die Banknoten starrte, welche Leopold vor ihn wieder hingezählt hatte.

Verloren," stöhnte er,die Liebe meines SohneS, die Ehre, da» Ansehen bei den Menschen und meine eigene Ruhe. Was soll ich ihun, wenn der Baron kommt ? Die Universität zahlt ihm auf mein Gutachten noch hentc das Geld, aber wenn Luise ihn von Neuem abweist, dann wird er sich an mich rächen und sich in Sicherheit bringen."

Des Geheimrals Finger spielten nervös mit dm Troddeln des Sessels und seine Augen rollten unheimlich, dann lachte er gellend auf:Nun, was istS dann weiter? Man weist mit Fingern auf den alten, weiß­haarigen Mann, welcher so gut betrügen kann und er wird von der Universität ent­fernt voller Schimpf und Schande. Aber was thuts? Die Welt lebt ja .so rasch! In vier Wochen ist es vergessen, sammt dem Liede Sebastian Bachs man lächelt und zuckt nur mitleidig die Achseln wie über jenen Thoren, der ins Wasser sprang I"

Nach einer langen Weile stand Herr von Norden mühsam auf und schritt, sich an der Wand haltend, langsam hinaus, dem Zim­mer seiner Tochter zu.

Kein Wort, kein Gedanke hatte vorhin ihr gegolten, es schien ihm kaum in den Sinn zu kommen, daß sie wohl sehr unglücklich sein müsse. An der Thür ihres Zimmers blieb er horchend stehen, dann aber offnere er dieselbe mit einem barten Nucke.

Das unglückiiche Mädchen saß mit ge­röteten Augen am Schreibtisch und schrieb; beim Anblick des VaterS erbebte sie, stand dann jedoch sich beherrschend auf. (F. fl.)

rnhacd Hofwann in Mildbad.

BerantrvaMcher Redakteur -BernhardHofmsnn.) Druck und Verlag von B e