Rundschau.

Stuttgart, 3 Jan. (Der neue Stadi- voistand.) Die Ainlseinsetzung und Beeidig­ung des Stadtschultheißen Rümelin findet, wie wir hören, am Montag den 9. Januar vormittags II Uhr vor den versammelten bürgerlichen Kollegien durch Stadtdirekior R giernngsral Klaiber statt.

Hellbraun. 3. Jan. Das Reichsgericht Hst am 2. Januar das Urteil der Straf­kammer des kgl. Landgericht Heilbronn vom Mai vor. Jahres, wodurch Oberbürgermei­ster H-gelm ier und Etsdlpfleger Füger hier von der Aukl'ge d-r falschen Beurkundung im Amt freigesprochen worden sind, aufge­hoben und zur nochmaligen Verhandlung vor die hiesige Strafkammer zurückverwiefen.

Schönenberg, Overamls Maulbronn. Den hiesigen verheirateten Lehrer fand man am NeujahrStag im nahen Lienzinger Walde erhängt an einer Tanne. Ein Brief an seine Frau fand sich in der Kl>idung vor. Am SamStag abend hatte der Unglückliche seine Frau noch veranlaßt den Gottesdienst zu be­suchen und als dieselbe von da zurückkehrte war ihr Mann verschwunden. Da derselbe in der Nacht nicht nach Hause kam, ver­mutete man einen Unglücksfall und eS wurde deshalb die Einwohnerschaft zu einer Streife autgeboten. AIS Ursache zu diesem letzten Schritt des Unglücklichen kann mau Geistes­störung annehmen.

Altensteig, I. Ja». Gestern stürzte aus Unvorsichtigkeit das 6jährige Söhnchen des Sägeweiksbesitzers Teurer in den Radkasten und wurde sotortt vom Rad ergriffen. Da» Räderwerk konnte des vielen Eises wegen nicht Isfort znm Stillstand gebracht werden, wesbatb das Kind 4ma> un Kreise nnd jedes­mal inner d m Wasser hindurchgeschteudert wurde. Da gelang eS glücklicherweise einem herbeigeettie» Nachbar, das Kind mit einem raschen Griff heranSzureißrn. Wunderbar ist, daß da» Kind gar keinen Schaden ge­nommen hat. Auch das viermalige eiskalte Bad bat der Gesundheit des Kleinen keinen Nachteil gebracht.

Haiterbach, 3 Jan. Heute fand man im Waid einen hiesigen Bürger erhängt. Ders, tbe, ein Witwer mit 3 Kindern, welche im Atter von 9, 13 und 17 Jahren stehen, hatte sich schon letzten Donnerstag mit einem von seinem Bruder entlehnten Strick cnlferni.

Aalen, 2. Jan. Ein Jagdpächter in Essingen traf letzten SamStag auf dem An­stand eine ganze Hirschfamitie an. Davon erlegte er die Hirschkuh im Gewicht von etwa 2 Zentner.

Von der badischen Grenze, I. Januar. Die Stadl Pforzheim hat eine gewisse Be­rühmtheit erlangt wegen des Unfugs, der alljährlich in der Nenjahrsnscht, insbesondere durch Schießen, getrieben wird. Co schlimm wie in der vergangenen Nacht aber war der Spektakel schon lange Zeit nicht mehr. Schon von 7 Uhr abends ab knallte es unaufhör­lich, und zwar nicht allein in den entlegenen Straßen, sondern auch Mittelpunkt derEtadt. Der heillose, bei vielen Goldschmiedsgehilfeii so sehr beliebte Unfug, ans Revolvern mit scharfe» Patronen zu schießen, hat diesmal böse Folgen gehabt. Ei» Graveur wurde in die Stirne geschossen und war sofort tot, weiter erhielt Polizeimeister Haas eine Kugel in den Fuß. Die beiden Vorfälle dild-n heute das Tagesgespräch. Eine gewisse Aufregung herrscht in der Stadt, weil in

letzter Zeit in der Umgebung verschiedene Raubanfällc, insbesondere aus Frauenzimmer, auSgeführt wurden ; so erst vor wenigen Ta­gen wieder, auf eine Frau hier von Bären­thal. Die Thäter sind bis jetzt noch nicht ermittelt.

Von der bayerischen Grenze, 2. Ja». In Dürrwangen bei Dinkelsbühl ist am Sylvesterabend da« Wohnhaus des Bürsten­binders Antreter vollständig eingeäscherl wor­den.

Mergentheim, 2. Jan. In der ersten Stunde des neuen Jahres boten mehrere Herren einem in der Gegend wohlbekannten Viehhändler 20 wenn er innerhalb einer Stunde den hiesigen Marktplatz 21mal um­laufe. Allein der wohlbeliebte Läufer brauchte hiezu nur 39'/, Minuten und freut sich nun seiner Leistung- An Zuschauern fehlte es natürlich bei diesem Wettlauf nicht.

Straßburg i- Elf , 2. Jan. Am Eyl- vesterabknd wurde in Geispolsheim ein Unter­offizier vom Jnfanterie-Regimenl Nr. 143, welcher auf Frort Thonn in Quartier lag, erschlagen. Wie dieStraßb. Post" berichtet hatte er kurz vorher eine Wirtschaft verlassen. Die Zurückgebliebenen hörten plötzlich einen Hellen Aufschrei und heftige Schläge. Als sie hinauseilten, fanden sie den Unteroffizier in seinem Blute. Ein Streit war im WirlS- hgnsc nicht voranSgegangcn.

Ueber die Ansprache, die Kaiser Wil­helm beim Neujahrsempfang der Generalität gehalten hat, verlautet, sie sei eine sehr ent­schiedene Befürwortung der neuen Mililär- vorlage gewesen. Der Monarch soll die sichere Hoffnung ausgesprochen haben, daß der augenblickliche Widerstand, der im Reichs­tage gegen diese Vorlage sich erhoben habe, nach und »ach werde gebrochen werden. Der Kaiser stellt- sich ans den Standpunkt, daß auf alle Fälle mit diesem »der eimm andern Reichstage die notwendige Reform werde voll­zogen werden. Es konnte von vornherein nicht zweifelhaft sein, daß der Kaiser eine Reform wie die geplante vor den verbünde­ten Regierungen und vor dem Parlamente nur vertreten konnte, und zwar der Sache wie seinem ganzen Charakter nach, wenn er von der Notwendigkeit derselben sich voll nnlf ganz überzeugt hielt. Daß er sich von dieser Notwendigkeit aber überzeugt hält, ist kein Mißtrauensvotum gegen die bisherige Herres- organjsation, die sich in drei großen Kriegen bewährt hat, sondern lediglich ein Zugeständ­nis an die Fortschritte der Zeit, der Technik und der benachbarten Staaten. Im Ganzen gewinnt die Auffassung die Oberhand, daß der Kaiser die Spitze seiner Ansprache wesent­lich gegen die militärische Opposition an hohen Stellen gerichtet hat; nnd auch da« kann nicht Wunder nehmen. Denn kein Mensch, auch in viel kleineren Dingen, würde e« sich gefallen lassen, daß gegen beschlossene Maßnahmen eine ablehnende Haltung von denjenigen beobachtet würde, welche diese durch- zuführen mit berufen sind.

Der Einfluß des sogenannten Ar- beiterschutzgesitzeS auf den Besuch der Volks­schulen hat sich bereits in günstiger Weise geltend gemacht. Nach der Novelle zur Ge­werbeordnung dürfen Kinder unter 13 Jah­ren in Fabriken nicht mehr beschäftigt wer­den und ältere Kinder nur, soweit sie nickt mehr zum Sckulbesnch verpflicktet sind. Ob­wohl für die bis dahin beschäftiglen Kinder dies« Bestimmung erst v,m 1. April 1894

in Kraft treten soll, hat sich dock bereits über­all eine starke Abnahme der jugendlicken Ar­beiter bemerkbar gemackk, während bis dahin eine beständige Zunahme derselben slatige« funden hatte. 1886 betrug die Zahl der in gewerblicken Betrieben de« Deutschen R-lchS beschäftigten, schulpflichtigen Kinder 21 053, zwei Jahre später bereits 22 913 Es war Zeit, daß die Gesetzgebung in dieser Bezieh­ung eingriff.

Baron Alphonse Rothschild in Paris schenkte eine Million Fics. für die dortige Armenpflege.

-- Zwischen BriveS und Anrillac (Frank­reich) wurde von verbrecherischer Hand ein Bahnzug zur Entgleisung gebracht- Die Lokomotive stürzte einen Damm hinab. Der Maschinist wurde gelötet, der Heizer schwer verwundet.

Petersburg, 3. Jan. Die Straßen sind von solchen Schncemassen angefülli, daß die Abfuhr erschwer! ist. Die Eisenbahnver­bindungen erleiden allerseits Unterbrechungen. Das Eintreffen auswärtiger Personen ist be­schränkt, die Ein- und Ausfuhr von Waren gestört.

Hochzeit mit Hindernissen. Kürzlich war im Dorfe Venedien bei Mehrungen vor dem Standesbeamten ein Brautpaar mit den nötigen Zeugen erschienen. Als der Beamte zur Eheschließung schritt und das Aufgebot aus dem AuSyängekasten entfernen wollte, stellte eS sich heraus, daß dieser erbrochen und die darin befindlichen Formulare ent­fernt waren. Der Beamte konnte somit die Trauung nickt vornehmen. Nun war guter Rat teuer; das Brautpaar war in höchster Verlegenheit, seine Billen, die Eheschließung doch, ohne daß dos AuShängeformular vor­liege, zu vollziehe», wurden von dem Standes­beamten abgewiesen. Man wandte sich nun an den AintSvorstehcr und trug ihm die Sache vor. Dieser erklärte sich zur Erteilung der Erlaubnis zur Eheschließung für unzuständig, dagegen, so meinte er, würde der Herr Land­rat darüber Bestimmung treffen. In aller Eile ging es nun nach der Stadt. Man unterbreitete dem Landrat dat Gesuch, und zur Freude de« Brautpaare» gab er ihm in­soweit statt, als er die Vornahme der Ehe­schließung gestattete, falls man durch Zeugen Nachweisen könne, daß das Aufgebot während der gesetzliche» Frist »usgehingt habe. Dieses war möglich, und froh kehrte man zum Stan­desbeamten zurück, um ihm die Entscheidung des LandratS zu überbringen, und die Hoch­zeit wurde in ungetrübter Fröhlichkeit gefeiert. Wer die Papiere entfernt hat, darüber hat sich bis jetzt nichts Sicheres fcststellen taffen.

(Die Sylvesterkarpsen des Kaisers.) Eine hübsche G> schichte von Kaiser Wilhelm I., die noch wenig bekannt sein düifte, wird von Berliner Blättern milgetnlt. An einem Sylvesterabend halte man dem hvhen Herrn Karpfen aufgetragen, der ihm so mundete, -daß er wider alle« Erwarten mehr davon verlangte. Dem Befehle konnte man jedoch nicht mehr gerecht werden, da im Palais «ichl ein Stückchen Fisch mehr vorhanden war.Wie viel Pfund kauft man denn eigentlich für meine Küche?" fragte der Kaiser, als ihm dieser Bescheid wurde. Einen Zentner, Majestät," laulete die Ant­wort.Schö»," enlgegnete der Monarch, ,,so kaufe man am nächst«n Sylvester ein Viertelpfund mehr, damit ich mich satt essen kann."