(Enztalbote)
Amtsblatt für Wildbad. Chronik nnd
für das obere Cnztal.
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Kummer 292 Fernruf 17».
Bismarck und der Kaiser. '
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Schließlich um Mitte März wird der Kaiser immer > dringender und nimmt den bekannten letzten Besuch Windthorsts, des Zentrumsflihrers, bei Bismarcks zum Anlaß einer entscheidenden Handlung. Er sagte sich j auf 9 Uhr morgens bei dem Kanzler an, doch s o, l daß der alte, schlaflose Fürst erst um halb / 9 Uhr davon benachrichtigt wird. Als dies l Bismarck hinter einer höflichen Floskel den Kaiser wissen j läßt, sagt chieser kurz, der Bote sei schon gestern nach-- ! mittag abHegangen. Darauf tadelt er scharf Windthorsts Empfang durch den Fürsten. Tiefer nimmt das Recht für sich in Anspruch, in seinem Hause Politiker von Tistinktion empfangen zu dürfen. Der Kaiser j erwidert: „Auch dann, wenn ich es Ihnen als ihr s Souverän verbiete?" Bismarck bejaht. k
Ter Kaiser kommt auf den neuen Reichstag, auf die soziale Versicherung und andere Punkte zu sprechen, ! in denen er sämtlich, wie er voraussetzte, mit dem j Fürsten abwich und schließlich auf seinen Lieblings- ? Wunsch, seinen Besuch beim Zaren von Ruß-- land bald zu wiederholen. Darauf hatte Bismarck j aewartett. Gelassen zieht er aus seiner Mappe ein j Aktenstück hervor, und mit dem Blick darauf warnt er den Kaiser vor einem neuen Besuch, denn erst vor einigen Tagen sei ein Bericht des deutschen Botschafters in London, des Grafen Hatzfel d, eingetroffen, der re cht üble abfällige Urteile gegen den Kaiser verzeichne, was ihm glaubwürdig übermittelt worden sei. Der Kaiser fragt nach den Einzelheiten. Bismarck weicht aus. Der Kaiser befiehlt ihm, den Bericht vorzulesen. Bismarck lehnt ab, doch hält er noch immer den Bericht ! offen in den Händen. Er hat sich nicht getäuscht: Ter ; Kaiser, jugendlich, neugierig, greift nach dem Be- f richt.i nimmt ihn dem Kanzler aus der Hand j und liest ihn selbst. Er wird blaß, unruhig, „denn es standen wirklich recht üble Tinge über ihn darin". , Ter Kaiser bricht das Gespräch ab und „reicht mir I gegen seine Gepflogenheit nur ganz oberflächlich die § Hand, in der er den Helm hält". Aber auch jetzt noch l verschweigt Bismarck den Wortlaut jener zaristischen / Bosheiten.
Bismarck läßt nun in wenigen Zeilen die Katastrophe . sich entrollen. Ter Kaiser erhielt durch Vermittlung irgend einer Stelle den Bericht irgend eines in Rußland tätigen deutschen Konsuls, der aus irgend welchen Teilansichten etwas wie eine angeblich drohende Mobilmachung Rußlands voraus zu wissen glaubte. Nach Einsicht des zweifelhaften Papiers, das in keinem j Aktenstück des Auswärtigen Amts eine Bestätigung fand, , folgte ein erregtes, im Tone beleidigendes .> Billett an den Kanzle r, warum man ihm so ^ hochwichtige Nachrichten vorenkhalte. Er sehe aus je- ^ >iem Bericht des Konsuls eine drohende Gefahr für das . Reich ausjleigen und müsse unverzüglich Gegenmaßnah- f men treffen. Bismarck, dir seir 30 Jahren russen- s freundliche Politik getrieben hat, bringt den ohne- l dies wütenden Herrn durch einen Vortrag noch mehr in f Wut. !
Hierzu tritt der bekannte Streit über die Frage, ob i ein Minister unmittelbar oder nur auf dem Umweg f über den Ministerpräsidenten mit dem Kaiser amtlich f verhandeln dürfe, und Bismarck versteift sich auf eine 40 i Zähre alte Verordnung, um sich alle Rechtsgründe vor f der Geschichte zu sichern. Ter Kaiser will mit einem > Minister einzeln und formlos verhandeln, der Kanzler ! fordert den Weg der Instanzen, damit nicht sechs Meinungen den Herrn beeinflussen, sondern nur eine. f
Cs folgen die bekannten Ränke Ränke Böttichers f und seiner Leute. Bismarck „immer bestrebt, sich Herauswersen zu lassen", gibt sich noch einen Augenblick den Anschein, als wolle er den Posten eines preußischen Ministerpräsidenten ausgeben und nur noch einige Monate Reichskanzler spielen. So erreicht er, was er will. Die Geduld des ungeduldigen Herrn reißt entzwei. Er fordert die Aufhebung jener alten Verordnung, d. h. der Kaiser fordert, daß Bismarck sich selbst f aus der Macht begeben solle, indem er sie den Ministern i einräume. Bismarck weigcrr sich, stellt aber seinen Ab- ! schied zur Verfügung. An demselben Mittag schickt der I Kaiser den Chef des Zivilkabinetts, um das angebotene Entlassungsgesuch hol«, zu lassen. Bismarck »ntwirft «s I
Mi! cibs 6, lNittwoäi, den 15. verember 19A)
langsam und sehr bedächtig Wilhelm schickt seinen Flü- aeladjutanten mit dem Auftrag, er erwarte das Schrift- . stück bis 2 Uhr mittags. Bismarck antwortete: „Ich ; bin jederzeit bereit, meinen Abschied sofort zu unterzeich- f nen". Dieses, mein Abschiedsgesuch, das meiner histo- ! rischen Stellung entspricht, braucht aber Zeit". j
Jetzt folgt un Buch das berühmte Schriftstück, das f schon nach Bismarcks Tod bekannt wurde. Es folgt f die Verleihung des Herzogtitels und dessen Mlehnung f durch Bismarck. Aus dem Kanzlerpalais wird f Bismarck mit solcher Eile g edrängt, daß» - als seine Leute die Sachen zusammenpacken, die Türen und Stiegen schon von neuen Lakaien belegt sind, die Kisten und Akten, Botschaften und Depeschen dem Nach- ' folger bringen, der einen Teil des Hauses besetzen läßt, ! ehe der alte ausziehen kann. Es ist der General Capri- ! vi, den Bismarck in einem kurzen skeptischen Kapitel be- j schreibt, den aber der Kaiser zugleich in seinem i Bericht an Franz Joseph „den größten Mann Deutsch-- - lands nach Bismarck" nennt. !
Aus Epilogen folgen diesem Hauptwerk ein Kapitel, ; das die Eigenschaften Wilhelm II. aus den Ei- f gcnschasten seiner Vorfahre-n ableitet, doch so, daß s deren Schwächen und Fehler alt Quelle derselben Schwa- ^ chen des Kaisers gleichsam ent',.huldigend angeführt wer- .' den, während von ihren Stärken und Tugenden bei f dem Urenkel nicht gesprochen wnd So geht es von der k Prachtliebe Friedrich I. über zu der Vorliebe Friedrich ; Wilhelm II. für lange Kerls, über die Ruhmsucht Frie- f drich des Großen zu den Schwächen Friedrich Wilhelm s IV. bis zur Verletzbarkeit Friedrich III. Und diese l Analyse wird nun an einer Stelle mit der Bemerkung l unterbrochen, „Nur von einem seiner Ahnen scheint ? der Kaiser nichts geerbt zu haben. Das ist sein § Großvater Wilhelm I.". worauf eine unbedingte- Verherrlichung dieses Fürsten folgt. Mit scharfer K iftk h über den Vertrag, den Caprivi zum Austausch von s Helgola nd gegen Sansibar schloß» und mit noch - schärferer, wegen Nichterneuerung des russischen Vertrags schließt das Buch. Einer seiner letzten Sätze i lautet: „Aus diesen Umständen sehe ich schwere Ge- t fahren für Deutschland, doch auchfürganz Europa, aufsteigen. Je später die Katastrophe eint rith umso furchtbarer wird sie sein."
Weihnachtsspenden des Reich-.
Zur Bewilligung einmaliger Beschaffungsbeihilfen (Weihnachtsspendeift sind vom Reichsfinanzminister auch in diesem Jahr Mittel zur Verfügung gestellt worden. Für oie Auszahlung kommen in Betracht: Angehörige der am 1. November 1920 noch in Gefangenschaft befindlichen Kriegsteilnehmer, Angehörige der Verschleppten und am 1. November 1920 noch internierten Zivilpersonen und Angehörige der nicht länger als seit dem 1. Mai 1920 vermißten Mannschaften. Tie Beschaffungsbeihilfe soll nur auf Äntrag und im Fall wirklicher Bedürftigkeit gewährt werden, die durch eingehende Prüfung der Verhältnisse festgestellt werden wird. Beihilfen können bis zur Höhe von 400 Mark für einen Erwachsenen und von 230 Mark für ein Kind (bis zu 15 Jahre) bewilligt werden. Die Beihilfen sind je nach dem Grad der Bedürftigkeit abzustnfen. Berücksichtigt können auch sotcbe Angehörige werden, denen ein gesetzlicher ^ Anspruch ans Familiemmterstntzung zusteht, und zwar, bis zur Höhe von 400 Mark für die Angehörigen zu- ' sammen. Als Höchstbetrag der Beihilfen für sämtliche i Angehörigen eines Kriegsteilnehmers ist die. Summe j von 1500 Mark bestimmt worden. Ms Endtermin für ! die Berücksichtigung von Anträgen auf Bewilligung die- ^ ser neuen Beihilfen ist der 3l. März 1921 festgesetzt I worden.
Neues vom Tage.
Neue Schikanen.
Berlin, 14. Dez. Die Reichsr-egierung hatte der Botschafterkonferenz eine Denkschrift über die im Friedensvertrag vorgesehene Zerstörung von Befestigungen übermittelt. Wie das „Berl. Tagbl." mitteilt, hat die lleberwachungskommission die deutschen Vorschläge als > ungenügend zurückgewiessn und weitere Forderungen aufgestellt, deren Erfüllung rund 620 Millionen Mark , Nost»n würd», während zur Ausführung dar dänischen ,
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Pläne nur 520 Millionen Mark erforderlich sind. Man hofft, daß die Botschasterkonferenz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Rechnung tragen und die über den Vertrag von Versailles hinausgehenden Forderungen der Kontrollkommission fallen lassen wird.
Betriebseinstellung.
Mainz, 14. Dez. Die Arbeiter der Opel-Werke in Rüsselsheim verlangten eine Zulage von IllOo Mark. Ta die Firma erklärte, sie könne diese Aufwendung für 4000 Arbeiter und Angestellte nicht leisten, die Arbeiter aber auf ihrer Forderuug beharrten, so hat die Firma alle Arbeiter und Angestellten entlassen und den Betrieb stillgelegt. Gendarmerie ist zur Aufrechterhaltung der Ruhe eingetroffen.
Der schweizerische Dienstbotensang.
Bern, 14. Dez. Die eidgenössische Hauptstelle für Fremdenpolizei hat die schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate ersucht, Einreisebewilligungen für ausländische Dienstmädchen nur noch gegen Bescheinigungen des betreffenden Kantons, der sich zuvor mit dem schweizerischen Arbeitsamt in Verbindung setzen sovh Pr erteilen, da von einem eigentlichen Tienftbotenmangel in der Schweiz nicht mehr gesprochen werden könne.
Tie Schweizer hatten den Dienstbotenfang in Deutsch» land unter Ausnützung der Arbeitslosigkeit und der Geldentwertung so stark betrieben, daß Bayern und Württemberg die Erteilung von Reisepässen einstelle» mußten und in Baden wurden ähnliche Maßnahm«» erwogen.
Die «»e»e irische veschichtSperiove*.
London, 14. Dez. Die empörenden Vorgänge i« Cork veranlaßten im Unterhaus eine lebhafte Debatte über den Antrag des liberalen Abgeordneten Kenworthy, der die Einleitung einer Unter suchung verlangt. Ter Antrag wurde jedoch abgelehnt, nachdem der Staatssekretär für Irland erklärt hatte, er hoffe bestimmt, daß für Irland bald eine neue Periode seiner Geschichte beginnen werde.
Die S Mark-Prämie.
Paris, 14. Dez. Die deutsche Regierung hat der die beweisen soll, daß die Prämie von 5 Goldmark für französischen Regierung eine Aufstellung zukommen lassen, jede Tonne Kohlen, die den Verbündeten geliefert wird, richtig für die Ernährung der deutschen Bergleute verwendet wird.
Pom ^ 'lkerbnnd.
Genf, 14. Dez. Der Generalsekretär Trumont übergab den Mitgliedern der Völkerbundsversammlung die deutsche Note, die Einspruch gegen die Entscheidung des Vökkerbundsrats vom 20. September betreffs der Losreißung von EuPen und Malme dy durch Belgien erhebt und die Zugeständigkeit des Völkerbundsrats für diese Entscheidung bestreitet. Der Völkerbundsrat behauptet, seine Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn es Deutschland gelungen wäre, den Nachweis zu führen, daß die Belgier durch Einschüchterung, Truck, Amtsmißbrauch und Drohungen die Volksbefragung unmöglich gemacht haben. Diesen Nachweis führt die deutsche Reichsregierung in einer Anlage, die der Note beigesügt ist. Ter Generalsekretär hat aber diese Anlage den Völkerbnndsmitgliedern nicht übergeben, sondern nur kurz erwähnt, die Anlage sei in der Bitliothek des Sekretariats zu finden.
Genf. 14. Dez. Die Völkerbnndsversammlnng geht ihrem Ende mit wachsender Nervosität entgegen. Tie ermüdete Versammlung begt den begreiflichen Wunsch, so schnell wie möglich Schluß zu machen. Dazu kommen Gerüchte, daß auch die südamerikanische Republik Bolivien aus dem Völkerbund austreten wolle. Tatsächlich führte heute der bolivianische Vertreter eine besonders scharfe Sprache. Ter Völkerbund arbeitet, so sagt er. in der Gerichtsfrage nur mit schönen Versprechungen, die die sich in der Lust verflüchtigen und derPernan ersag- te offenherzig, daß die moralische Achse der Welt sich nach Amerika verschoben habe. Ans die wiederholten Ausfälle von Genfer Zeitungen, die den Amerikanern mangelndes Verständnis äür Europa vorwerfen, antwortete in öffentlicher Versammlung der Kubaner Aguerto mit einem Protest im Namen aller amerikanischen Bürger von den Kanadiern bis zu lxm Chi- l«n,n. i