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für Wll-bad. Chronik und Anz«ig«blatt für das obere Enztal.

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Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schriftleitung: Th. Gack in Wildbad. ^

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Nummer 287

Fernruf 179.

Milllbaö, Donnerstag, rtcn 9. Dezember

Fernruf 179.

54.1skrgr>N8

WohnmrqsnsL und Siedlung.

Rach mehnöbriper Panse ,'ll der Tonische Verein für W o h n u n g s r e s o r m in diesen Tagen nun ersten­mal wieder vor die Oesientlichkeit getreten. Wie Spie- lereien kommen uns die auf trüberen Tm-pmgen «ufge^

Haupt noch nn!e>'? Einit gingen tagKange Erörterungen darüber, ob wir schon so weit seien, nm die groß­städtische Mitttaflrne entbehren und durch das Eigen­heim ersetzen, zu können, oder man beschäftigte sich mit der zweckmäßigsten! Aufteilung der Grundstücke usw'. Heute drängt die furchflbare Not alles ans die eine Frage znscimiflen: wie schasst man Unterkünfte für da? deutsche Volk? Immer mehr ist die Erkenntnis dafür gewachsen, daß es darauf ankomme, dort in erster Linie Woh- nunaen ru schaffen, wo die wirtschaftlichen nnd sozialen Bedürfnisse sie am meisten notwendig machen,, näm­lich in den Gebieten der llrvroduktion. Berg­bau und Landwirtschaft, die beiden Produktionszweige, die unsere setzt und für die nächste Zukunft wichtigsten Güter Herstellen, staben den ersten Ansvrnch auf die Schaffung neuer Wohngelegenheiten, weil sie zunächst mit den notigen Arbeitskräften versorgt werden müssen. An­fänge sind gemacht worden; Millionen über Millionen, aber noch lange nicht genug) sind für Bergarbeiterwoh­nungen ansgesetzt worden.

In drei Berichten beschäftigten sich Tr. Kemmerich, Ministerialrat Ponfik nnd Regierungsrat Albrecht Ait der Siedlungs frage. Kemmerich und Ponfik war­nen vor einer planlosen Uebersührung der Stadtbe- völkernng auf das flache Land nnd rücken statt dessen die körperliche wie namentlich auch die geistige Eig­nung der aufs Land zu Verpflanzenden im den Vorder­grund. Nach Ponfick kömmt es nicht daraus an, Groß­städter aufs Land hinansznsühren als vielmehr darauf, der Landbevölkerung den Aufenthalt und die Tätigkeit auf dem Land so zu gestalten, daß jeder Anreiz zur Abwanderung in die Großstadt wcgfällt. Nach sei­ner Ansicht wird die geringe Geburtenrate der Stadt schon von selbst dahin führen, daß in einigen Jahren die Ucbervölkerungsschwierigkeiten in der Großstadt selbst wesentlich gemildert werden. Seit Kriegsende, das heißt seitdem die Vorzüge des platten Landes und länd­lichen Arbeitsverhäl'tnisses der großen Masse der Bevöl­kerung immer mehr bewußt geworden sind, hat ja be­reits die Stadtzuwandernng so gut wie anfgehört. Die Rückführung ans den Städten will Ponfick im wesent­lichen auf Eingewanderte beschränken, die die körpper- lichen Eigenschaften und ine entsprechende seelische Ein­stellung fürs Land noch besitzen.

Und das schwierigste Kapitel der Siedlung: die Be­schaffung des erforderlichen Gel dS. An keiner Stelle gibt man sich einem Zweifel darüber hin, daß Geld­mittel, in dem Umfang, wie wir sie brauchten, um der Wohnungsnot ein Ende zu machen, gegenwärtig nicht zu beschaffen sind. Scharf angefochten wird die bisherige Wohnungspolitik der Regierung, namentlich hinsichtlich der Verteilung der Baukostenzuschüsse auf Stadt und Land, von denen, bisher nicht weniger als 98 v. H. der öffentlichen Mittel ans die Städte und nur 2 v. H. aus das Land entfallen. Es wird verlangt, daß das Bestreben der ländlichen Arbeitgeber, neue Werkwohnungen zu bauen, durch die Gewährung von Baukostenzuschüssen nnd durch steuerliche Begünstigungen gefördert werde, weil nur so die Gefahr eines allmählichen llebcrgangs zur extensiven (Wcide-)Wirtschast in den ländlichen Groß- und Mittelbetrieben verhütet werden könüte Außer für die Arbeitersiedlung müssen Mtür- lich auch Mittel für die B auern siedlu n g geschaf-, seu werden, wie ja überhaupt au; diesem Gebiet unend­lich viel Versäumniste gutzumacheu und nachzuholen sind. Ponfick sagt, Westpreußen und Posen wären uns wohl kaum verloren gegangen, wenn man dort beizeiten durch ' vlaum 'ßige und vor keinem W derspruch zurückschreckende Siedlung dem Deutschtum die nötigen Menschen zuge- sübri hätte, wie Bismarck es gewollt hatte. Ob und wie neue Geldmittel zur Unterstützung der Siedlung auf- wbriugen wären, darüber wird inan sich, namentlich im Einblick auf die trüben Mitteckungen der Regierung,

j keinen allzu großen Erwar.uugen hingeven dürfen. Gegen

> die Mi et ft euer wurden von fachmännischer Seite / starke Bedenken geäußert, nnd ob die als Er- ! satz vorgeschlageue Auflage einer besouderu Wohn und ! Siedlungsauleihe erhebliche Summen, flüssig machen wür- l, de, erscheint auch zweifelhaft.

i Schleifung der Seefeste Helgoland.

s Tie Entfestigung der Truhseste Helgoland ist seit Mo- ? uatcn im Gang. Es arbeiten zurzeit etwa 1200 Mtn- s scheu daran, das Wunderwerk deuis.ber Technik und Stra- Z tegie bis aus den Grund zu zerstören. Für die Zer-

- ftörung des Helgoländer Hafens war im Friedensvertrag

> keine Frist gestellt, man glaubte darum, daß der Pro- r test des schwedischen Biologen Professor Otto lsietter-

- fen im Namen aller Nordseeländer gegen die Schlei- ' fung des Hafens im Interesse der wissenschaftlichen Mee- ! ressorschung der ersten biowgischen Stalion Europas uud

- der Fischereiwirtschaft von Erfolg sein würde. Trotzdem f wurde die Vernichtung des Holgolänoer Knlrurwerks üe- ! schlossen. Wer heute nach Helgoland kommt, hat Ge- s kegenheit, der Zerstörungsarbeit deizuwohnen, das Fe- ! stüngsgebiet kann ungehindert"brlrewn werden. Schwere s Donner rollen wie Gcschützsduer über See und die Ex- i plosionen lassen die Häuser des Oberlands erzittern, i mächtige Felsftüüc sausen durch die Lust. Man ist da- ! bei, eine deutsche Herrulesarbeit, die für die Ewigkeit l mrichtet schien, zu zerschlagen: das sind die riesige., j Wellenbrecher und H a f e ns ch u tz d ämme, die mit s einem Aufgebot ungeheurer Menschenkraft unter Zuhilfe- , nähme der elektrischen Kraft den Molen vorgelagert

wurden zum Schuh gegen einen Einbruch des Meers und gegen eine feindliche Ucberraschung. Alles wird zerstört, die auf massigen, ins Meer gelassenen Beton- sundaments ruhenden Molen und die Schutzidämme, die aus vielen tausend kolossalen Betonblöcken, jeder einzelne Hunderte von Zentnern schwer, erbaut wurden. Die Verteidigungsstellungen auf diesen Molen waren Wunder­bauten; auf ihnen führten tiefe Gänge nach der Felsen­burg, der Verteidigungszcntrale, von wo aus alle Fä­den der militärischen Organisalion ausgingen. Es ist, als widersetze sich die Kraft des auf dem Meeresgrund ruhenden Mauermassivs des Zugriffs und der Entwei­chung durch Menschenhand. Sie macht es ihren Zer­störern unendlich schwer, sie zu bändigen, aber sie stürzen, diese Wellenzwinger, hart wie Stahl und Eisen, unter dem Donner der Sprenggranaten und verschleiert durch die Luft verdunkelnde Staubwolken. Dynamit über­windet sie, wie überhaupt alles andere, auch die Schluch­ten. und Gänge, die Kasematten, Felsenkammern und Lazarette, die durch das Gestein vom Oberland ins Unterland noch weit unter den Meeresspiegel führten! Alles sinkt dahin, es wird mit Preßluft und Sauerstoff gebahrt, gehämmert, gebrannt, zerstäubt und gesprengt; mit dumpfem Getöse fliegen Mauern und Betonsockel, Geschützmaterial und Panzerplatten in des Himmels Grau! Zerstört sind die Kolossalgeschütze und Lafetten, die Geschütztürme und Munitionsleitungen der Hafen- bcfestigungen sowohl wie des oberen Küstenschutzes. Auf das Grab dieses unerreichten deutschen Trutzbans blickt ein hohes, eisernes Kreuz vom Mönchsfelsen her, das als Symbol deutscher Macht und Herrlichkeit dort errichtet wurde. Auch im nächsten Sommer wird auf Helgoland noch viel zu schauen und zu staunen sein, die Spren­gungen sind noch lange nicht vollendet. Wasser und Fels wehren sich gegen dasErdbodengleichmachen". Es stirbt hier ein Geist der Energie nnd Tat im Frieden aber er stirbt langsam, nnd in den schwerer MeereSstür- men rauschen die Klagetöne einer Sterbesymphonie!

Dis österreichische E-endsbilanz.

Ein erschütterndes Bild von dem furchtbaren Elend in Oesterreich entwirft die Denkschrift der österreichischen Gcwerkschaftskommissionen für den Londoner Kongreß des Internationalen G.Werkschaftsbunds. Ihr zufolge stel­len sich die Kosten des geringsten Einfuhrbedarfs, der gerade so groß ist, um das Hungerödem zu vermeiden, aber kaum hinreicht, um das Siechtum der Lebenskräfte aufznhalten, für das kommende Jahr mindestens auf 85 Millionen Dollar. Das ist bei einem Kurs von 500 Kronen für den Dollar nicht weniger als 42Vr Milliar­den Kronen! Diese furchtbare Summe soll eine Be­völkerung von sechs Millionen. ausgehungerten Men­

schen aufbringen, damit ihr eine Wochenration von 2chz Pfund Ärot und einem Pfund Mehl gesichert ist! Für hochqualifizierte Arbeiter stellen sich die gegenwärti­gen Wochenlöhne auf 1100 Kronen, für gelernte Ar­beiter auf 850 Kronen, für Hilfsarbeiter aus 550 Kro-

7tn, für Frauen in hochqualifizierten Berufen auf 600 Kronen, für gelernte Arbeiterinnen auf 400 Kronen, und für Ailfsarbeiterinven auf 300 Kronen. Demgegenüber betragen gegenwärttig die Preise für 1 Pfund Schweine­schmalz 140 Kronen, für 1 Pfund Fleisch etwa. 100 Kronen, für gewöhnliche Butter 120 Kronen, für Kar­toffeln 3,60 Kronen, für Kohlen 2Vs Kronen nnd mehr isür das Pfund!). Von 57 000 untersuchten Kindern wiesen nur 4667 einen befriedigenden Gesundheitszustand auf. Erschreckend sind die Feststellungen über das Ge­wicht der Kinder. Es wogen 1919 im Vergleich zum Frieden neunjährige Knaben nur 21,2 gegen 27,5 Kilo­gramm, zwölfjährige Knaben 26,5 gegen 35,0 Kilo­gramm und fünfzehnjährige Knaben nur 29,8 gegen 45,0 Kilogramm. Man stelle sich Lehrlinge von 15 Jahren mit einem Gewicht von nicht ganz 60 Pfund und einem Untergewicht von 30 Pfund gegen die nor­malen Ziffern vor! Sie sind, so bemerkt hierzu die Wiener Arbeiter-Zeitung, rettungslos der Tuberkulose verfallen. Im übrigen häuften sich bei den Jünglingen vom 15. bis 20. Lebensjahr die Tuberkulosenerschei- nungeu um 160 v. H. So siecht und stirbt ein Volk dahin und geht unrettbar einem völligen Untergang zu, wenn ihm nicht rasche Hilfe wird.

Neues vom Tage.

Die Reichsregierung gegen den stillen Widerstand.

Berlin, 8. Dez. Amtlich wird zu derpassiven Re­sistenz" der Post- und Bahnbediensteten an verschiedenen Orten bekannt gegeben: Die Reichsregierung kann kei­nen Unterschied machen zwischen dem Fernbleiben von der Arbeitsstätte (Streik) und der absichtlichen Verringe­rung der Arbeit auf der Arbeitsstätte (passive Resistenz). In beiden Fällen verletzt der Beamte seine Dienstpflicht und hat die Einleitung des Strafverfahrens nach dem Beamtenrecht mit Dienstentlassung und Verlust des Diensteinkommens zu gewärtigen. !

Die Forderungen der Beamten-Gctverkschaften.

Berlin, 8. Dez. Der Gesamtvorstand Deutscher Be­amten- und StnatSangestellten-Gcwerkschaften, der dem Deutschen Gewerkschaftsbund (Vorsitzender Wohlfahrts­minister Stegerwald) angeschlossen ist, hat der Re­gierung nnd dem Reichstag folgende Mindestforderungen überreicht: Allgemeine Erhöhung des Teurungszuschlags für sämtliche Beamte, besondere Fürsorge für die kinder­reichen Familien, besondere Fürsorge für die Beamten in den Jndustriebcsirken Rheinlands, Westfalens, Sach­sens und Obenchleüms, sofortige Inkraftsetzung des neuen Ortsklasfenverzeichnisses in der Weise, daß einst­weilen für die Orte über 10000 Einwohner die Neu­einteilung finanziell wirksam gemacht wird, Auszahlung der Beträge noch vor Weihnachten, Beibehaltung sier Betriebszulagen und Aenderung des 8 25 des Besol­dungsgesetzes in der von dem Reichsgutachterausschuß verlangten Weise. Der Gesamtverband verweist auf den Ernst der Lage und erwartet bestimmt die Erfüllung seiner Wünsche. Heute finden Verhandlungen zwi­schen den Gewerkschaften und den zuständigen Ministe­rien statt, weshalb die Reichstagssitzung für heute aus­fällt.

Die Verschleuderung des Reichsguts.

Berlin, 8. Dez. Im Hauptausschuß des Reichst ags wurde gestern Per Vertrag der Deutschen Werke mit einem Händler R. Kahn zur Sprache ge­bracht. Ncichsschatzminister v. Raumer erklärte, die Direktoren der Deutschen Werke, die jetzt um ihre Ent­lassung nachsuchten, haben den Kaufvertrag ohne Wissen des Aufsichtsrats, ohne Kenntnis des Ministers und ohne Benachrichtigung der Treuhandgesellschaft mit dem 29jährigen Kahn abgeschlossen, der gar keine einge­tragene Handelsfirma besitze, sondern ein Gelegenheits­händler sei. Für Kahn biete dieser Vertrag ungeheure Gewinnmöalichkelten, etwa 50 bis. 60 Millionen, wäh­rend die Deutschen Werke durch die vertragsmäßige Abgabe von über 47 000 Tonnen Werkzeugmaschinen auf verschiedene Jahre schwere Verpflichtungen überneh-

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