MN

(Enztalbote)

für Wildbad. Chronik und Anzeigenblatt für das obere Cnztal.

krlckieint täglich, ausgenommen 5onn- u. feiertags. Lerugspreis monatlich Mk. 4.Z0, vierteljälirlich 13.30 frei ins kjaus geliefert: durch die polt bezogen im innerdeutschen Verkeim Mk. 13.30 und 90 pfg. poü- dcstellgeld.

Anzeigenpreis: die einspaltige pelitreile oder deren Kaum 50 pkg., ' auswärts 60 Mg., Kekiamereilen 1.50 Mk., bei gröberen Aufträgen Ksbatt nach llurik. äcviub der Anreigenannabme: täglich 8 Ubr vor­mittags.

MT

Druck der Buchdruckerei Wildbader Tagblatt; Verlag und Schristleitung: Th. Gack in Wildbad.

Nummer 283

Fernruf 179.

Miläbsä, 5um5tug, äen 4. Dezember 1920.

Fernruf 178.

S4.^skrgsng

2. Via«.

Die Krisis in derBroLversorgunK

Reichsernährungsminister Dr. Hermes hat am letz­ten Montag die Vertreter sämtlicher landwirtschaftlichen Vereinigungen einschließlich der Landarbeiter, sowie zahl­reiche landwirtschaftliche Abgeordnete zu einer Bespre­chung in den Reichstag eingeladen. Es handelt sich um die Frage einer stärkeren Heranziehung des Jnlandgetreides zur Brotversorgung. Die Ablieferung von Brotgetreide, so führte der Minister aus, ist in diesem Jahr hinter den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs unverhältnismäßig stark zurückgeblieben. Infolgedessen wird die Notwendigkeit immer dringender, Getreide trotz der schlechten deutschen Valuta und des dar­aus . sich ergebenden hohen Weltmarktpreises in großen Mengen einznführen. Diese Abhängigkeit vom Ausland kann beim Eintritt von Störungen, insbesondere bei aus­ländischen Hafen- und Transportarbciterstreiks. innerhalb kurzer Zeit zu mZusam menbruch der Inlands- Versorgung führen. Die Finanzierung der Auslands­bezüge erfordert aber auch so gewaltige Beträge an Aus­landsdevisen. daß ihre Beschaffung nicht ohne e'ne schwere Erschütterung ^>es gesamten deutschen Wirtschaftslebens durchgeführt werden kann. Dazu kommt, daß die M- gabe von Auslandsgetreide an die versorgungsberechtigte Bevölkerung nicht zu den Einstandspreisen erfolgen kann, .sondern unter Beanspruchung vieler Milliarden, die das Reich und zuletzt der Steuerzahler aufbringen, verbilligt werden muß. Diese La st kann das Reich a u f d i e D a u e r n i ch t t r a g e n.

Die Neichsregiernng kann der Entwicklung dieser ge­fahrdrohenden Zustände nicht tatenlos zusehen. Es ste­hen neue gesetzliche Maßnahmen kurz vor dem Abschluß, die eine wesentliche Erhöhung der Straf­androhungen wegen Schleichhandels und we­gen Zuwiderhandlung gegen die Ablieferungsbe­stimmungen der Reichsgetreideordnung vorsehen. Da­neben wird ein verstärkter Einsatz der der ReichZgetreidc- stelle zur Verfügung stehenden Beamten erfolgen, um lieferung ohne ausreichende Erklärung auffällig hinter

in allen denjenigen Bezirken, in denen die Getreideab- dem vorjährigen Ergebnis zurückbleibt, im einzelnen ein- zvgreifen und die vorenthaltenen Bestände zu erfassen.

Durch eine verbilligte Abgabe von Mais für Futterzwecke soll der Anreiz, Brotgetreide zu verfüt­tern, eine wesentliche Eindämmung erfahren.

Tie geplanten Maßnahmen richten sich in keiner Weise gegen die Landwirtschaft im allgemeinen, also auch nicht gegen einzelne Besitz- oder Betrrebsklasfen der Landwirt­schaft. Es handelt sich nicht darum, ein Urteil darüber zu fällen, ob der große, der mittlere oder der kleine Betrieb seinen Ablieferungspflichten besser nachgekommen sei. Ter Minister lehnt es ab, ein solches Urteil zu fällen, das immer ungerecht sein muß. Es handelt sich nur dar­um, gegen diejenigen Elemente in der Land­wirtschaft nachdrücklich Front zu machen, die in ver­hängnisvoller Verkennung der ung-eheuren Not un­serer Zeit glauben, ihre Selbstsucht schrankenlos austoben lassen zu können, und ich bin sicher, daß die weit über­wiegende Mehrheit der deutschen Landwirte hinter die Regierung tritt, um mit ihre eine Kampffront zu bilden gegen jene unsauberen Elemente.

Das Streben nach freier Wirtschaft muß eine Grenze in den Notwendigkeiten des Volksganzen finden. Neben eine fortgesetzte Aufklärung durch die Presse, insbesondere durch die kleine örtliche Presse, muß die mündliche Be­lehrung treten. Diese wird zunächst durch Versammlun­gen und Besprechungen in größeren und kleineren Kreb­sen, die von Zeit zu Zeit zu wiederholen wären, zu vermitteln sein; sie soll aber weiter, soweit es mög­lich ist, jedem einzelnen Landwirt durch einflußreiche Per­sönlichkeiten der örtlichen Gemeinschaft erteilt werden. Dazu ist es vor allem notwendig, daß sich auch die Geistlichkeit und die Lehrerschaft, sowie die Frauen in den Dienst unserer großen Aufgabe stel­len. Die mündliche Aufklärung mutz also in einer mühe­vollen Kleinarbeit enden, die bis in das letzte Dorf und Gehöft auszudehnen ist.

Der Präsident der Reichsgetreidestelle Kleinert be­richtete sodann über die Ernte und über die Erfassung der Ernte. Die Brotgctreideernte des laufenden Jahrs weist gegenüber den Vorfahren einen Ausfall auf. Nach der Vorschätzung der Saatenstandsberichterstatter, die nach den bisherigen Druschergebnissen allerdings nicht

einmal erreicht werden bürste, beträgt die Brotgetreide- ernte in diesem Wirtschaftsjahr runt> 7 Millionen Don»'! nen gegenüber 8-/i Millionen Tonnen im Vorjahr und etwa 9 Millionen Donnen im Wirtschaftsjahr 1918, im einzelnen sind die Erntezahlen folgende:

Die Brotgetreideernte ist also gegenüber dem i^rntejahr 1918 im laufenden Wirtschaftsjahr um etwa 14 Prozent und in Roggen um fast 30 Prozent zurückgegangen. Ist Brotgetreide insgesamt um fast 25 Prozent. '

Weizen Roggen Brotgetreide im ganzer» 1918 - 2 503000 6 489 000 8 992 000 -

1919- 2 266000 6 441 OM 8 707 000

1920: 2148000 4 815 OM 6963 000

Es ergibt sich gegenüber dem Bedarf ein rechnungs­mäßiger Fehlbetrag von 2 254 OM Tonn.n, wovon etw« 250 MO Donnen durch Heranziehung von Gerste zmß Brotherstellung ausgeglichen werden. Der Fehlbe­trag erhöht sich aber in Wirklichkeit, und zwar enr^ mal dadurch, daß die E'Nte 1920 teilweise bereits vor» dem 16. August 1920 M Anspruch genommen Mordes ist. Es war in Aussicht genommen, eine Einfuhr vost Sst» Millionen Donnen, davon sind bisher gekau» 1027MO Tonnen, so daß fast noch Ists Millionen Ton-' nen gekauft werden müssen. Diese Zahlen beweisen, wie unendlich wichtig es ist, daß die Ablieferung von I»* landgetreide vermehrt wird. 1

WürLt. Landwirtschaftskammer<

Stuttgart,' 1. Dez.

(Forschung.) Ernähnmgsmimstcr Schall beglückwünschte die Kammer zu der Arbeit, die sie in der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits geleistet hat. Er als Minister werde sich be­mühen. rein sachlich die Fragen der Landwirtschaft zu behandeln.

Ueber die Steigerung der Erzeugung sprach sodann Geh. Rat Prof. Dr. Aereboe-Hahenheim. Würde diese nicht gelingen, so stünden wir vor einer furchtbaren Hungersnot. Es gelte, mög­lichst schnell etwas zu erreichen und Redner befürwortete insbe­sondere eine verstärkte Stickstoff- und Kalidüngung. Die Stick- stosfdüngung sei freilich eine Finanzfrag« und es müsse des­halb der Staat für eine Verbilligung der Kunstdünger besorgt sein. Am wichtigsten hält er die Steigerung der Kartoffelkultur. Er empfiehlt ferner die Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Bildungswesens. Reformen auf dem Gebiet des Steuer-, Woh- nungs- und Siedlungswesens und Förderung des landwirtschaft­lichen Genossenschaftswesens, das eine ausgezeichnete Erziehungs. anstatt für die Landwirte sei. Auch müsse man das Leben auf

Ein FrühlingsLrauM.

Eine Erzählung Aus dem Leben von Fr. Lehne.

30. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

VIII.

Hätt es nimmer .gedacht,

' Daß ein Strom, so heiß,

Fm Winter würd zu starrem Eisl

Daß ein Ringlein von Gold,

So den Finger schmückt,

Wie'n Mühlstein schwer Ans die Seele drückt!

Hätt's nie gedacht!

Daß nach prangendem Tag So Kran» das Herz!

So stürmisch die Nacht.

Als Wolf gegen halb neun nach Haus kam, faand er den Vater am Frühstückstifche seiner harrend.Gu­ten Morgen, Papa! Gut geschlafen?"

Brillant, mein Junge! Und Du ?"

Danke! Aber, wie ich sehe, hast Du noch nichts genossen!" .

Nein, ich habe auf Dich gewartet- Teilst Wirtin, ganz charmante Person übrigens, Deine Wirtin sagte nkir, daß Du um diese Zeit wieder hier sein würdest, deshalb wartete ich, weil ich gern mit Dir frühstücken wollte! Hab' mich unterdessen ein wenig bei Dir uin- gefehen! Wohnst sehr hübsch!"

Meine Wirtin, Frau Dr. Rehfeld, ist eine fein gebildete Dame, Papa," er legte auf das Wort Dame" einen merkbaren Nachdruck,sehr zurückhal­tend, dabei gefällig, könnte mir keine bessere Woh­nung wünschen."

Vollkommen Deiner Ansicht, mein Junge!"

Prüfend sah Wolf den Vater an; das war derselbe Mann nicht mehr, der gestern abend so gebrochen, so haltlos war. THer das kannte er ja schon an ihm und am Bruder; in schwierigen Lagen verzagt und

hilflos wie ein Kind, sobald das überwunden war, wieder obenauf lustig und guter Dinge! Er, Wolf, mit .feiner schwerfälligen alles so ernst nehmenden Natur paßte gar nicht zu diesem göttlichen Leichtsinn. Dem Vater sah er heute morgen wirtlich keine seelischen Kämpfe an er war noch immer der elegante, feine Weltmann, geschniegelt und gebügelt; er sah noch genau so aus wie vor zehn Jahren und doch hatte er ihn so lieb gehabt, seinen schönen Papa! Er hatte auch etwas an sich, was alle Herzen ihm zufliegen ließ.

Sie setzten sich an den Frühstückstisch.Bitte, Papa, bediene Dich. , Versuche den Schinken, ich kann ihn Dir empfehlen. Uebrigens habe ich mir für heute dienstfreien Urlaub genommen und stehe zu Deiner Verfügung." Er entfaltete seine Serviette, unter der ein Briefchen lag. Als sein Blick auf die Adresse fiel, wurde er glühend rot: Marys Handschrift! Mit zitternder Hand schob er den Brief in den Aufschlag seines Aermels. Sein Vater beobachtete ihn lächelnd.Willst Du nicht lesen?" fragte er,ich hätte keine Ruhe!"

Das glaube ich! Doch bin ich nicht in der Stim­mung," sagte Wolf kurz. Er konnte das fröhliche Wesen feines Vaters nicht vertragen; es machte ihn nervös. Jedoch der Brief brannte wie Feuer auf seiner Seele; nach Beendigung des Frühstücks stand er auf und ging ins Nebenzimmer; er mutzte den Brief ohne Zeutzen lesen. Mary schrieb: ' : .

Mein einzig Geliebter!" '

Ach sei nicht böse, daß ich Dir so oft abgeschrieben habe, es lagen jedoch triftige Gründe vor, (Das glaube ich" lachte er bitter.) Ich habe mich nach Dir gesehnt mit meiner ganzen Seele, Geliebter, und zähle die Stunden, bis ich Dich wiedersehe und in Deinen Augen lesen kann, ob Du mir noch gut bist! Tenn heute abend wirst Du doch sicher zur gewohnten Zeit kommen können. Ich erwarte Dich bestimmt! Tu warst gestern wieder bei Ulrichs? Nein, .ich bin glicht

eifersüchtig, mein Wolf, ich weiß ja, daß Du mich liebst! Ich habe schwere Stunden hinter mir, Gelieb­ter, vielleicht finde ich Beruhigung in Deinen Armen! Mündlich darüber mehr! Behüt Dich Gott, mein Wolf! In heißer Sehnsucht küßt Dich Deine kleine Frau."

Bitter auslachend sank Wolf auf einen Stuhl. War das nun Wahrheit oder wieder Lüge? Er sah sie vor sich, wie sie den Brief schrieb das blonde Köpfchen geneigt und die* süßen Augen mit innigem Blick auf das Papier geheftet, sie schrieb ja an ihn! Eine heiße Sehnsucht überkam ihn, sie zu küssen und fest an sich zu pressen er schloß einen Augenblick die Augen und atmete tief. Dann sprang er auf.Nein das geht nicht so weiter: ich mache ein Ende und gleich!" Sie war schuldig, ohne Zweifel, das stand fest und sie sollte erfahren, daß er wußte, wie sehr sie ihn hinter­gangen. Er ging wieder ins Wohnzimmer zurück, ihr das sofort zu schreiben.

Nun, Wolf, es war wohl ein Brief vorder Lieb­sten?" so empfing ihn sein Vater lächelnd.

Ja, Papa, es ist ein Brief von dem Mädchen, das mir über alles teuer ist! lind Du gestattest nve bitte, daß ich ihn sofort beantworte"

Aber natürlich, kann mir lebhaft denken, wie das süße Ding auf Antwort wartet! Ich könnte Dich fast beneiden"

sofort beantworte und ihr mitteile," fuhr Wolf fort, ohne den Einwurf keines Vaters zu beack"daß von nun an alles aus sein muß zwischen um miden!"

Verblüfft sah sein Vater ihn an; es war aber ein Ausdruck in Wolfs Gesicht, der den Freiherrn daran hinderte, noch eine weitere Bemerkung zu machen. Er blätterte in der Zeitung, während Wolf an Mary schrieb, daß er sie und den andern gestern abend gesehen, daß er von ihrem Treubruch aufs tiefste gekränk: st: und ihr hier­mit ihr Wort zurückgebe.

(Fortsetzung folgt.) ^